20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
15.08.09 / Werbung verführt Jugendliche zum Alkoholismus / Rauchen und Biertrinken in der Öffentlichkeit gilt als chic – Initiative fordert den Spirituosenverkauf zu beschränken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-09 vom 15. August 2009

Werbung verführt Jugendliche zum Alkoholismus
Rauchen und Biertrinken in der Öffentlichkeit gilt als chic – Initiative fordert den Spirituosenverkauf zu beschränken

Alkoholkonsum ist in Russland wieder zu einem besorgniserregenden Problem geworden. Ein Gesetzentwurf, der auf eine Initiative der orthodoxen Kirche zurückgeht, soll dem Problem zu Leibe rücken.

Dank intensiver Werbung gilt es unter russischen Jugendlichen als völlig normal, mit einer Flasche Bier in der einen Hand und einer Zigarette in der anderen über die Straße zu ziehen. Es gilt sogar als modern. Wehe dem, der sich mit einer Tüte Saft oder noch schlimmer Milch auf die Straße wagen würde. Seine Altersgenossen würden ihn ansehen, als gehöre er nicht dazu. Unter den Biertrinkern in Russland wächst Jahr für Jahr die Zahl der unter 15-Jährigen. Der Anteil der Mädchen, die Alkohol trinken, ist genauso groß wie jener der Jungen.

In der Sowjetunion war jedes Getränk, auch wenn es nur kleine Spuren Alkohol enthielt, für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren verboten. Im Strafgesetzbuch heißt es, dass der Konsum alkoholischer Getränke, darunter auch Bier, in der Öffentlichkeit mit einer Geldstrafe belegt wird – aber die Einhaltung wird nicht überwacht. Die Polizei beklagt, dass es ihr an Personal fehle, aber viele Bewohner im Zentrum Königsbergs bestreiten das entschieden. Sie fühlen sich durch nächtliche Saufgelage auf den Straßen und Plätzen massiv in ihrer Ruhe gestört und werfen den Streifenpolizisten vor, überhaupt nichts gegen randalierende und betrunkene Jugendliche zu unternehmen.

Die jungen Menschen trinken nicht, weil sie sich den Besuch von Bars oder Cafés nicht leisten könnten. Meist tragen sie sogar teure Kleidung. In angetrunkenem Zustand versammeln sich manche von ihnen um Müllbehälter und errichten auf ihnen eine improvisierte Tafel. Die mangelnde Hygiene scheint sie nicht zu stören. Sie lieben einfach das Extreme. „Das ist aufregend“, sagen sie.

Vor kurzem schaltete sich Patriarch Kyrill in die Diskussion um Alkoholismus in Russland ein. Bei der 13. „Welt der russischen Volkskirche“, welche die öffentliche Meinung auf dringende Zeitfragen aufmerksam machen will, kamen über 5000 orthodoxe Studenten in den Sportkomplex Izmailowo, in dem das Kirchenoberhaupt auftrat. Kyrill sprach über das Thema „Die menschliche Seele und ihre Rettung vor den Verlockungen der Zivilisation im Licht der Globalisierung und der Weltfinanzkrise“.

Die anwesenden Kirchenvertreter, Politiker und Vertreter weltlicher Organisationen verabschiedeten eine Resolution mit dem Titel „Dringende Maßnahmen zum Schutz vor der alkoholischen Bedrohung“. Sollte die Duma diese Initiative unterstützen, dürfte Wodka nur noch in der Zeit von 19 bis 11 Uhr verkauft werden. Bier würde aus Kiosken ganz verschwinden.

Geistliche, Suchtforscher, Kardiologen sowie Vertreter der Polizei hatten die Resolution ausgearbeitet. Sie kamen zu dem Schluss, das Volk werde moralisch und physisch degenerieren, wenn Alkohol weiter so problemlos wie bisher jedermann zugänglich bliebe. Jedes Jahr sterben in Russland 700000 Menschen an den Folgen des Alkoholmissbrauchs. Dabei trifft es in erster Linie Menschen, die mitten aus dem Arbeitsleben herausgerissen werden, also für die Produktion und als Steuerzahler ausfallen. Diese Menschen fallen auch als Eltern neuer Kinder aus, die das Land so dringend benötigen würde.

Die besondere Aufmerksamkeit der Kirche gilt dem Bier, weil laut Verbraucherdienstinformationen fast jeder dritte Jugendliche täglich Bier in großen Mengen trinkt. Die Versammelten forderten deshalb, Bier als starken Alkohol einzustufen und den Verkauf an Verkaufsständen und Kiosken zu verbieten. Wenn das Parlament diese Forderung unterstützt, wird es in Zukunft viele Getränke nur noch in Läden mit über 50 Quadratmetern Verkaufsfläche und in Restaurants geben.

Die wichtigste Forderung der Kirche ist, zum sowjetischen System des Alkoholverkaufs zu­rück­zukehren, das heißt, ihn stark zu beschränken auf die Zeit von 19 bis 11 Uhr. Jedoch gibt es die Befürchtung, dass solche Verbote nur den Schwarzhandel beflügeln. Die Befürworter der Maßnahme weisen auf die Erfahrungen anderer Länder hin, in denen ein Verbot kurzfristig die Sterblichkeit, die Kriminalität und Zahl der Verwaltungsvergehen verringern und hingegen die Arbeitsproduktivität erhöhen konnte.

Kyrill hat die Resolution an den Präsidenten und den Premierminister übergeben. Auf seine Initiative hin werden seit Anfang Juni Videoclips von einigen Sendern ausgestrahlt, die über die Schädlichkeit des Alkohols aufklären. Vier Filme wurden bereits gedreht, sechs weitere sollen entstehen, die alle im russischen Fernsehen ausgestrahlt werden. Jurij Tschernyschew


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren