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22.08.09 / Offizier Friedrichs des Großen und Dichter / Vor 250 Jahren starb Ewald Christian von Kleist an den Folgen einer in der Schlacht von Kunersdorf erlittenen Verwundung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-09 vom 22. August 2009

Offizier Friedrichs des Großen und Dichter
Vor 250 Jahren starb Ewald Christian von Kleist an den Folgen einer in der Schlacht von Kunersdorf erlittenen Verwundung

Wohl jeder etwas literarisch Interessierte kennt Heinrich von Kleist. Darüber wird sein Großonkel Ewald Christian von Kleist häufig vergessen. Dabei ist der preußische Offizier und Dichter es durchaus wert, dass man sich seiner erinnert.

Heinrich von Kleists Großonkel Ewald Christian von Kleist wurde am 7. März 1715 auf dem Gut seines Vaters südöstlich von Köslin in Hinterpommern geboren. Seit 1729 besuchte Ewald v. Kleist das Gymnasium in Danzig. Ab 1731 absolvierte er ein breitgefächertes Studium an der Universität Königsberg. 1736 trat Kleist in ein dänisches Regiment ein. Als er für dieses Regiment in Danzig Rekruten werben sollte, lernte er Wilhelmine von der Goltz kennen, die auf dem Gut ihrer Familie bei Flatow wohnte. Kleist verlobte sich Hals über Kopf mit ihr. Anlässlich des Thronwechsels in Preußen am 31. Mai 1740 quittierte Kleist den dänischen Dienst, wobei nicht ganz klar ist, inwieweit Friedrich II. selbst ihn reklamiert hat. Jedenfalls wurde Kleist in das neu formierte Regiment des Prinzen Heinrich (Füsilier-Regiment No. 35) einrangiert und am 16. Februar 1741 zum Premierleutnant befördert. Das Regiment lag in Potsdam in Garnison.

Kleist lernte dort 1743 Johann Wilhelm Gleim (1719–1803) kennen, der als Hauslehrer tätig war. Gleim weckte in Kleist dessen dichterische Begabung und begeisterte ihn für die Anakreontik. Das war eine an dem griechischen Dichter Anakreon (6. Jahrhundert v. Chr.) orientierte Lebensphilosophie, die sich in drei- und vierhebigen Jamben dichterisch ausdrückte. Gleim brachte im Jahre 1744 in seinem „Versuch in scherzhaften Liedern“ die Anakreontik einem begeisterten Publikum nahe. Ihre Themen waren unter anderem Liebe, Freundschaft, Geselligkeit und Freude an der Natur sowie deren dichterische Verherrlichung.

Kleist schickte Gleim einige anakreontische Versuche wie diesen aus der Zeit um 1743: „Phillis, Dein entblöster Busen / Gleicht – wem soll ich ihn vergleichen? – / Gleicht mit Schnee bedeckten Hügeln. / Doch ich irre: er ist weißer. / Ist er auch für mich noch kälter?“

Allerdings bewirkte die lange Trennung von und die unglückliche Liebe zu seiner Verlobten in dem Gedicht „An Wilhelmine“ aus dem Mai 1744 eine trübe Weltinterpretation: „Verdammtes Glück, das nur die Narren schätzt! Ich suchte Dich, Du bliebest mir entzogen. / Die Liebe hat mir Flügel angesetzt – / Umsonst, Du bist doch nicht von mir erflogen.“

Gleim und Kleist nahmen am Zweiten Schlesischen Krieg teil: Kleist als Offizier mit seinem Regiment; Gleim als Sekretär des Prinzen Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Schwedt (1714–1744), der am 12. September 1744 vor Prag in unmittelbarer Nähe des Königs Friedrich getötet wurde. Gleim musste sich eine neue Stelle suchen und zog nach Dessau. Ihr Kontakt wurde durch viele wechselseitige Briefe aufrecht erhalten. Kleist suchte sich dann noch andere gleichgesinnte Dichter, wie den in Kolberg geborenen Karl Wilhelm Ramler (1725–1798). Das Jahr 1747 verlief für Kleist in vielerlei Hinsicht unglücklich: Seine Verlobte verheiratete sich anderweitig und durch den Wegzug vieler Freunde aus seiner Umgebung vereinsamte er. Immerhin brachte er endlich 1749 den ersten Teil eines „Landlust“ betitelten größeren Werkes mit der Überschrift „Frühling“ heraus.

Das Büchlein fand lebhaften Beifall wegen der in liebevoll geschilderten Details zum Ausdruck gebrachten Naturschwärmerei, die Kleist in rhythmisch gelungenen Versen darzubieten wusste. Auch im militärischen Bereich ging es aufwärts: Im Mai 1749 wurde er zum Kapitän befördert und am 5. Juni 1751 erhielt er eine Kompanie. Eine Reise, die ihn ab Juni 1752 als Werbeoffizier in die Schweiz führte, gab Kleist die Gelegenheit zur persönlichen Bekanntschaft mit vielen Dichtern, die ihn oft beinahe enthusiastisch aufnahmen.

Den Siebenjährigen Krieg (1756–1763) machte er von Anfang an mit. Er war vom Sieg überzeugt, da „eine so exercierte Armee … noch nie existiert hat“. Kleist machte aus seiner Bewunderung für Friedrich den Großen keinen Hehl, forderte seine Freunde zu Oden auf den König auf und belieferte sie mit genauen Schlachtenberichten. Gleim schrieb daher die „Preußischen Kriegslieder von einem Grenadier“ (1756/57). Kleist selbst verfasste eine Ode „An die Preußische Armee“.

Am 20. Februar 1757 wurde Kleist, der zwischenzeitlich dem Regiment S 59 (ehemals Lubomirski) zugeteilt worden war, zum Major und Bataillonskommandeur befördert. Später erhielt er dann noch das Kommando über ein Feldlazarett in Leipzig. In der Sachsenmetropole lernte er Gott­hold Ephraim Lessing (1729–1781) kennen, der ihm in seiner „Minna von Barnhelm“ (1767) als Major Tellheim ein Denkmal gesetzt hat. In der Zeit entstand neben anderen Gedichten das Fragment einer Tragödie „Seneca“. Hier besaß Kleist allerdings wenig Begabung, was er auch selbst erkannte. Besser gelang ihm ein „kriegerischer Roman“, ein Heldengedicht mit dem Titel „Cissides und Paches“, das er im Laufe des Jahres 1758 während ununterbrochener Märsche und kriegerischer Ereignisse in den jeweiligen Feldlagern zu Papier brachte.

In der verhängnisvollen Schlacht bei Kunersdorf (12. August 1759) wurde Kleist, der sein Bataillon heldenmütig gegen eine russische Batterie führte, erst an der rechten Hand verwundet. Mit dem Degen und dem Zügel in der linken Hand führte er sein Bataillon weiter, als ihm drei Kartätschenkugeln das rechte Bein zerfetzten. Dem Feldscher, der ihn verbinden wollte, wurde in den Kopf geschossen. Den verwundeten Kleist plünderten Kosaken aus und warfen ihn hinter einen Busch. Russische Husaren fanden ihn und zündeten gegen die Kälte der Nacht ein Feuer neben ihm an (Radierung von Chodowiecki). Am Morgen des 11. August wurde Kleist gegen 10 Uhr nach Frankfurt an der Oder transportiert, wo er versorgt wurde. Er lehnte eine Amputation ab und verstarb am 24. August 1759. Sein Sarg, auf den ein russischer Rittmeister den eigenen Degen legte (auch bei Chodowiecki), wurde unter großer Anteilnahme auf den Friedhof der Gubener Vorstadt Frankfurts geleitet. Da sich die dortige Freimaurerloge sehr für eine würdige Bestattung eingesetzt hat, wurde vermutet, dass Kleist Verbindung zu Freimaurern gehabt haben könnte. Gleim ließ durch einen Freund Ramlers, den damals bekannten Maler Christian Bernhard Rode (1725–1797) ein Ölbild von Kleist anfertigen, das mit der Erlaubnis des Königs in der Garnisonkirche aufgehängt wurde.

Jürgen Ziechmann

Foto: Ewald Christian von Kleist: Wie ihn Gottfried Hempel sah


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