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22.08.09 / Bismarcks »diplomatische Häckselmaschine« / Heinrich Abeken war »das unvergessliche und unersetzte Faktotum« seines Kanzlers und einer der »bewährtesten Ratgeber« des Kaisers

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-09 vom 22. August 2009

Bismarcks »diplomatische Häckselmaschine«
Heinrich Abeken war »das unvergessliche und unersetzte Faktotum« seines Kanzlers und einer der »bewährtesten Ratgeber« des Kaisers

Ähnlich wie sein fast zwei Jahrzehnte älterer Freund und Förderer Christian Karl Josias von Bunsen betätigte sich der vor 200 Jahren, am 19. August 1809, in Osnabrück geborene Protestant Heinrich Abe­ken sowohl auf theologischem als auch diplomatischem Gebiet. Nachdem Abeken sein Studium der Theologie, Philosophie und Philologie in Berlin mit dem Lizentiatenexamen abgeschlossen hatte, holte ihn Bunsen, der ab 1823 als preußischer Gesandter beim Vatikan tätig war, 1831 zu sich nach Rom. Dort arbeitete er als Hauslehrer der Kinder seines Freundes, Assistent des Archäologischen Instituts, Bibliothekar an der Bibliothek der Deutschen und Prediger bei der Kapelle der preußischen Gesandtschaft. Daneben beteiligte er sich an den liturgischen Forschungen Bunsens und dessen Arbeiten an einem „Allgemeinen evangelischen Gesang- und Gebetbuch zum Kirchen- und Hausgebrauch“, das 1833 erschien.

Als Folge des so genannten Kölner Kirchenstreits zwischen katholischer Kirche und preußischem Staat musste Bunsen demissionieren. Er wurde Botschafter in London. Dort versuchte er nun, die Briten für den Gedanken eines preußisch-britischen Gemeinschaftsbistums Jerusalem zu gewinnen. Zur Unterstützung wurde Bunsen Abeken geschickt.

Böse Zungen behaupten, Bunsen, der unter so unerfreulichen Umständen 1838 seinen Posten in Rom hatte räumen müssen, hätten Rachegelüste gegen die katholische Kirche getrieben; jedenfalls bemühte er sich um den Nachweis, dass die koptische Konfession Ägyptens eher der protestantischen als der katholischen entspreche. Klarheit erhoffte er sich von einer Ägyptenexpedition, mit deren Leitung sein Freund Karl Richard Lepsius beauftragt wurde.

Möglicherweise als Dank für sein Engagement um das Bistum Jerusalem durfte auch Abeken an diesem preußischen Unternehmen teilnehmen. Im Herbst 1842 brach er in Richtung Ägypten und Äthiopien auf, wo er sich Lepsius’ Expedition anschloss. Gemeinsam zogen sie den Nil aufwärts und durchquerten die nubische Wüste. Als sie sich nicht über das weitere Ziel der Unternehmung einigen konnten, trennten sie sich 1844. Abeken besuchte Theben wie den Sinai und erreichte 1845 Jerusalem. Über Beirut, Konstantinopel und Rom kehrte er nach Berlin zurück, wo er 1847 ankam.

Nachdem Abeken schon auf dem Rückweg in der Ewigen Stadt für Preußen diplomatisch tätig geworden war, wurde er in Berlin nun fester Mitarbeiter des preußischen Außenministeriums. Er fing 1848 als sogenannter Hilfsarbeiter an. 1849 wurde er Legationsrat, 1850 Wirklicher Legationsrat, 1853 Vortragender Rat, 1855 Geheimer Legationsrat und 1866 Wirklicher Geheimer Legationsrat.

Wilhelm I. lernte ihn wertschätzten und ab 1864 gehörte er bei allen offiziellen und privaten Reisen des Königs zu dessen Gefolge. So auch, als der Monarch unmittelbar vor Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges in Bad Ems kurte. Damals glaubte Wilhelm I., der angeblichen Sorge Frankreichs vor einer Einkreisung durch die Hohenzollern dadurch genügend Rechnung getragen zu haben, dass er Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen zum Verzicht auf eine Kandidatur für den spanischen Thron bewegt hatte.

Das genügte dem Kaiser der Franzosen aber nicht. Napoleon III. schickte vielmehr seinen Botschafter in Berlin, Vincent Graf Benedetti, nach Bad Ems, um Wilhelm I. zu einem weiteren Zugeständnis zu bewegen.

Wie der Botschafter seiner Mission nachkam und wie der König darauf reagierte, telegrafierte Abeken am 13. Juli 1870 Bismarck. Bismarck kürzte Abekens Telegramm und machte es in dieser Form publik. Frankreich fühlte sich brüskiert und erklärte am 19. Juli 1870 Preußen den Krieg.

Bis heute wird behauptet, dass Bismarcks Kürzungen des Telegramms sinnentstellend gewesen seien. Ob dem so ist, davon kann sich jeder durch einen Vergleich der Emser Depesche vor und nach der Kürzung ein Urteil bilden (siehe Kasten).

Abekens war nicht nur ein Vertrauter Wilhelms I., sondern auch ein enger Mitarbeiter Bismarcks. Seine Gewandtheit und seine Sprachkenntnisse waren seinem Chef eine große Hilfe. „Feder Bismarcks“ wurde er genannt, weil viele offizielle Schreiben des Außenministeriums von ihm stammten. Voller Anerkennung sprach Bismarck vom „unvergesslichen und unersetzlichen Faktotum“. Ob der Leiter der preußischen und deutschen Außenpolitik seinen ebenso fleißigen wie fähigen Mitarbeiter auch gemocht hat, ist eine andere Frage. So heißt es, dass dem „Eisernen Kanzler“ die wenig robuste Natur seiner „diplomatischen Häckselmaschine“, wie er Abeken nannte, nicht gelegen habe. Auch mag später der Kulturkampf das Verhältnis der beiden belastet haben.

Der Sympathien seines Königs und Kaisers konnte Abeken jedoch bis zuletzt sicher sein. Als er am 8. August 1872 in Berlin starb, kondolierte sein oberster Dienst­herr mit den Worten: „Einer meiner bewährtesten Rathgeber, stand er mir in den entscheidungsreichsten Augenblicken zur Seite; sein Verlust ist mir unersetzlich; in ihm hat das Vaterland einen seiner edelsten und treuesten Menschen und Beamten verloren.“           Manuel Ruoff

 

Emser Depesche – Original und Kurzfassung

Am 13. Juli 1870 telegrafierte Abeken Bismarck aus Bad Ems:

„Seine Majestät der König schreibt mir: ,Graf Benedetti fing mich auf der Promenade ab, um auf zuletzt sehr zudringliche Art von mir zu verlangen, ich sollte ihn autorisieren, sofort zu telegrafieren, dass ich für alle Zukunft mich verpflichtete, niemals wieder meine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Kandidatur zurückkämen. Ich wies ihn, zuletzt etwas ernst, zurück, da man à tout jamais dergleichen Engagements nicht nehmen dürfe, noch könne. – Natürlich sagte ich ihm, dass ich noch nichts erhalten hätte, und da er über Paris und Madrid früher benachrichtigt sei als ich, er wohl einsähe, dass mein Gouvernement wiederum außer Spiel sei.‘

Seine Majestät hat seitdem ein Schreiben des Fürsten bekommen. Da Seine Majestät dem Grafen Benedetti gesagt, dass er Nachricht vom Fürsten erwarte, hat Allerhöchstderselbe mit Rücksicht auf die obige Zumutung, auf des Grafen Eulenburg und meinen Vortrag beschlossen, den Grafen Benedetti nicht mehr zu empfangen, sondern ihm nur durch einen Adjutanten sagen zu lassen: dass seine Majestät jetzt vom Fürsten die Bestätigung der Nachricht erhalten, die Benedetti aus Paris schon gehabt, und dem Botschafter nichts weiter zu sagen habe. Seine Majestät stellt Eurer Exellenz anheim, ob nicht die neue Forderung Benedettis und ihre Zurückweisung sogleich sowohl unseren Gesandten als in der Presse mitgeteilt werden sollte?“

Noch am selben Tag schickte Bismarck den Missionen in Dresden, München, Stuttgart, Karlsruhe, Darmstadt, Hamburg und Weimar das folgende Telegramm:

„Nachdem die Nachrichten von der Entsagung des Erbprinzen von Hohenzollern der Kaiserlich Französischen Regierung von der Königlich Spanischen amtlich mitgeteilt worden sind, hat der französische Botschafter in Ems an seine Majestät den König noch die Forderung gestellt, ihn zu autorisieren, dass er nach Paris telegraphiere, dass seine Majestät der König sich für alle Zukunft verpflichte, niemals wieder seine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Kandidatur wieder zurückkommen sollten. Seine Majestät der König hat es darauf abgelehnt, den französischen Botschafter nochmals zu empfangen, und demselben durch den Adjutanten vom Dienst sagen lassen, dass seine Majestät dem Botschafter nichts weiter mitzuteilen habe. Teilen Sie dies dort mit.“ PAZ


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