18.04.2024

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22.08.09 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-09 vom 22. August 2009

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,           

liebe Familienfreunde,

keine Woche vergeht, ohne dass ein Dankesbrief kommt, und oft sind es sogar mehrere. Und das trotz „Sommerloch“, aber das haben wir in unserer Ostpreußischen Familie noch nie zu verzeichnen gehabt. Im Gegenteil: Da viele Landesleute ja in den Sommermonaten in ihre Heimat zur „Heimkehr auf Zeit“ reisen, bekommen Erinnerungen und neue Eindrücke einen besonders hohen Stellenwert. Vor allem für solche Fragen, wie sie Frau Karen Baum stellte, da sie nicht unvorbereitet auf Ostpreußenreise gehen wollte. Kaum war in Folge 27 ihr Wunsch nach selber gewonnenen Eindrücken erschienen, meldeten sich bereits die ersten Anrufer, die Frau Baum ihre Erfahrungen auf Reisen in das Königsberger Gebiet mitteilten. Sie schreibt: „Ich habe viele Tipps, Hinweise und auch Adressen von Unterkünften, Reiseveranstaltern etc. erhalten. Die Menschen, die bei mir anriefen, waren durchweg so freundlich und hilfsbereit, wir haben manchmal recht lange mit einander gesprochen, und ich habe auch einiges über deren Familien und Schicksale erfahren. Das waren Gespräche, die mich sehr bereichert haben, aber auch betroffen machten. Alle haben sie mir angeboten, dass ich jederzeit sie wieder anrufen und um Auskünfte bitten darf. Eine liebe Familie sandte mir sogar Kartenmaterial. Auch wenn ich mich persönlich bedankt habe, möchte ich mich auch noch auf diesem Wege für die Herzlichkeit und Offenheit bei den Gesprächen bedanken. Für unsere Reise waren uns alle Informationen sehr hilfreich. Die Ostpreußische Familie ist einfach Klasse.“ Das hören wir gerne und wünschen Frau Baum eine eindrucksvolle Reise in das nördliche Ostpreußen.

Dort fand ein Ereignis statt, das Vergangenheit und Gegenwart auf die glücklichste Weise verbindet: Das Ehepaar Lilli und Gernot Janßen aus Iserlohn-Letmathe feierte am 26. Juli in Gumbinnen die Goldene Hochzeit. Mitgereist waren Heimatfreunde von der Dorfgemeinschaft Langenfelde, Kreis Pillkallen/Schloßberg, die in der Salzburger Kirche gemeinsam mit den dortigen Gemeindemitgliedern an der Feier teilnahmen. Damit ging ein lang gehegter Wunsch von Lilli Janßen in Erfüllung. Wir kennen die Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen Iserlohn vor allem aus ihrer unermüdlichen Tätigkeit für die von ihr initiierte Heimatstube, zu deren Ausstattung auch unsere Ostpreußische Familie beitragen konnte. Warum Lilli Janßen mit ihrem aus Oldenburg stammenden Ehemann die Goldene Hochzeit in der Salzburger Kirche in Gumbinnen festlich begehen wollte, hat seinen Grund: Die mütterlichen Vorfahren der in Grenzheide, Kreis Schloßberg geborenen Ostpreußin sind Salzburger Abstammung. 1732 verließ Sebastian Sinnhuber mit seiner Ehefrau Ursula geborene Lechner und ihren sieben Kindern aus Glaubensgründen das Stammgut Oberlemmers­perg/Ascher­lechen im Bischofshofener Land, um eine neue Heimat im nördlichen Altpreußen zu finden. Einer ihrer Söhne, Thomas Sinnhuber, gründete die Linie Sinnhuber, aus der Frau Janßens Mutter Betty stammt. Er siedelte sich im Kreis Pillkallen an und erwarb 1780 für seinen Sohn Fried-rich in Klein Rudminnen einen Bauernhof von 200 Morgen Land. Dieser Hof blieb in Familienbesitz, bis Frau Janßens Großeltern ihn 1944 verlassen mussten – erneute Vertreibung der Familie Sinnhuber nach 212 Jahren! Der völlig intakte Hof blieb auch während der Kriegsereignisse unzerstört, bis er 1967 (!) durch die russischen Eroberer dem Erdboden gleichgemacht wurde!

Für Lilli Janßen bedeutet deshalb die Salzburger Kirche in Gumbinnen mehr als ein Gotteshaus, es ist spürbare Heimat, und das kam auch in der Predigt des Pfarrerehepaares Tatjana Petrenko und Dietrich Brauer zum Ausdruck. So manches Auge wurde in der bis auf den letzten Platz gefüllten Kirche feucht, als der Kirchenchor das Ave Maria sang. Nach dem Gottesdienst wurden die Gemeindemitglieder zu einem Imbiss, den Direktor Alexander Michel vom Diakonie-Zentrum „Haus Salzburg“ mit seinen Helferinnen bereitet hatte, in das Gemeindezentrum eingeladen, und es wurde in fröhlicher Runde gefeiert. Der Segensspruch von Pfarrer Brauer wird aber das Ehepaar Janßen auch nach dieser unvergesslichen Feier begleiten: „So spricht der Herr: Ich will euch tragen bis ins hohe Alter und bis ihr grau werdet. Ich will es tun, ich will heben und tragen und erretten.“ Wir als Ostpreußische Familie möchten Lilli und Gernot Janßen noch viele gemeinsame und von Liebe getragene Ehejahre wünschen!

Vom 18. bis 21. September dieses Jahres findet im Ostheim ein Treffen der „Königsberger Kinder“ statt. Dahinter steht keine Institution, keine Vereinigung, keine Interessengemeinschaft, sondern der Wunsch einiger aus der Heimat Vertriebener, die ihre Kindheit in Königsberg unter den furchtbarsten Umständen verbracht haben und die gemeinsam versuchen wollen, das noch nie Verarbeitete im Gedankenaustausch und in zwanglosen Gesprächen transparent werden zu lassen. Deshalb gibt es auch kein Veranstaltungsprogramm mit Vorträgen oder Referaten. Jeder kann frei nach Belieben dazu beitragen, diese Stunden mit individuellen Beiträgen zu füllen. Die Idee kam aus dem Kreis einiger Frauen und Männer, die sich durch diese gravierenden Ereignisse im Nachkriegs-Königsberg verbunden fühlten und dies auch von weiteren Schicksalsgefährten wussten. Es ist das erste Treffen dieser Art und bisher kaum bekannt geworden, aber die Teilnehmerliste umfasst bereits über 20 Namen. Der Kreis verspricht eine Zusammenkunft von Menschen, die eine spürbare sensible Verbundenheit, herrührend aus dem grauenvollen,

schicksalhaften Erleben in ihrer Kinder- und Jugendzeit, auszeichnet und die zumeist bisher kaum oder nie darüber sprechen konnten, oft blockiert durch die Umwelt, die mit Unverständnis oder Ignoranz reagierte. Die Betreffenden, die ihre Teilnahme schon zugesagt haben, bekamen von den Initiatoren dieses geplanten Zusammenseins eine Zwischeninformation zugesandt, die einige Fixpunkte für den Gedankenaustausch beinhaltet. So werden folgende Fragen gestellt: Wo, wie und wovon lebten oder vegetierten wir in Königsberg? Haben wir gemeinsam feststellbare individuelle Eigenheiten, die auf diese Zeit zurückzuführen sind? Wie beeinträchtigen die traumatischen Erlebnisse unseren späteren Lebensweg? Gibt es gemeinsame Parallelen im Umgang mit den und in der Bewältigung der traumatischen Erlebnisse eines jeden Einzelnen von uns? Gefühle und Sehnsüchte zu unserer Heimatstadt Königsberg jetzt? Dieser Fragenkomplex schließt mit einem Thema, das bezeugt, wie wichtig auch über den Kreis der Betroffenen hinaus die Aufarbeitung des an Körper und Seele Erlebten zu betrachten ist: Wie sollte, kann oder muss von unserer Seite das Vermächtnis für die deutsche Geschichte/Nachwelt sein? Die ehemaligen Kinder von Königsberg, die das Nachkriegs-Inferno überlebten, werden viel zu sagen haben. Wer sich in diese Zusammenkunft einbringen will und an einer Teilnahme an dem Treffen interessiert ist, wende sich bitte an Frau Helga van de Loo, Fonckstraße 1 in 53125 Bonn, Telefon (0228) 251271, Telefax (0228) 2436329.

Unser so reger Landsmann Bernd Dauskardt ist wieder fündig geworden, und diesmal legt er interessantes Material über das Denkmal von Tauroggen vor – die Geschichte um die berühmte Mühle und den Yorkstein geht also weiter. Das ist erfreulich, denn zuerst hatten die von Herrn Andreas Marecki gestellten Fragen zu diesen historischen Stätten bei Tauroggen keine Resonanz zu verzeichnen. Dann in Folge 22 eine weitere Suche nach Informationen mit neuem Bildmaterial und in Folge 26 die authentischen Angaben von Herrn Horst Wolter über den Ort, auf dem die nicht mehr vorhandene Mühle einst stand, und den 1976 aufgestellten Erinnerungsstein mit litauischer und russischer Inschrift. Den hat Herr Dauskardt schon 1994 aufgesucht auf einer geradezu abenteuerlichen Fahrt mit Überquerung des Flüsschens Escherun. Sein damals aufgenommenes Foto zeigt den Stein wie auf dem in Folge 26 veröffentlichten Bild. Aber dann ist es Herrn Dauskardt gelungen, eine Aufnahme von dem 1912 auf dem Gelände der historischen Mühle errichteten Denkmal zu erhalten und er kann nun nähere Angaben zu diesem nicht mehr vorhandenen Gedenkstein übermitteln. Für das von Graf von Wartenburg finanzierte Projekt zeichnete Leopold von Kalckreuth verantwortlich, die Bauausführung lag in den Händen des Tilsiter Baumeisters Westpfahl. Die Inschriften auf dem granitenen Kubus, der auf vier Bronzekugeln ruhte, lauteten auf der Westseite: „Convention von Tauroggen zwischen dem Königlich Preussischen Generalleutnant von York und dem Kaiserlich Russischen Generalmajor von Diebisch in der flussueber gelegenen Poscherunschen Mühle am 30/18. December 1812.“ Auf der Nordseite die Widmung des Stifters: „Dem furchtlos treuen Diener seines Koenigs dessen rhumreiche That den Anstoss gab zu Preussens Erhebung und Befreuung. Der Urenkel“. Und dann auf der Südseite die Worte Yorks „So möge denn unter goettlichem Beistand das Werk unserer Befreiung beginnen und sich vollenden. York. Den 29. December 1812.“ Auf der Ostseite befand sich eine Inschrift in kyrillischer Schrift. Das sind also sehr konkrete Angaben und nicht nur Herr Marecki wird sich darüber freuen. Herr Dauskardt legt seinem umfangreichen Schreiben noch eine Aufnahme aus dem „Memeler Dampfboot“ von 1963 bei, das eine Gruppe von jungen Memelländern zeigt, die einen Radausflug zu der Poscheruner Mühle unternommen hatten. Das Foto muss etwa Anfang der 30er Jahre gemacht worden sein. Die Unterschrift ist allerdings irreführend, denn im Hintergrund ist nicht die Mühle, sondern der Rundturm der ehemaligen russischen Zollverwaltung zu sehen. Ja, wir sind da für Herrn Mareckis Dokumentation schon ein schönes Stück weitergekommen. Unsere Ostpreußische Familie spurt – und wie!

Eure Ruth Geede

Foto: Goldene Hochzeit am 26. Juli dieses Jahres in der evangelisch-lutherischen Salzburger Kirche in Gumbinnen: Pfarrer Dietrich Brauer, Lilli und Gernot Alfred Janßen sowie Pfarrerin Tatjana Petrenko (von links)


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