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22.08.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-09 vom 22. August 2009

Peer mag nicht mehr / Wie Ulla Schmidt dem Steinmeier schon wieder die Tour vermasselte, was Steinbrück nicht mehr aushält, und wie man singen lernt
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Was, Sie sind noch verheiratet? Dann aber ranhalten! Wer noch nach altem Recht geschieden werden wolle, der müsse das bis Monatsende über die Bühne gezogen haben, trompeten die Medien. Sonst könnte es in Einzelfällen teurer werden, etwa, wenn der Partner Altschulden mit in die Ehe gebracht haben sollte. Also: Alles muss raus, die Sommerschluss-Scheidung läuft nur noch gut eine Woche.

Was gibt’s noch? Richtig: Glühbirnen kaufen nicht vergessen. Alles ab 100 Watt und sämtliche matten Exemplare kommen ab dem 1. September nicht mehr in die Läden. Dann dürfen die nur noch verkaufen, was schon im Regal oder Lager steht. Schon wieder ein Verbot, diesmal von der EU.

Hört das nie auf? Was wird zum 1. Oktober verboten? Wissen wir nicht. Sie sagen’s uns nicht, weil davor ja die Wahlen sind. Selbst mit dem festen Versprechen, auch ganz bestimmt die Klappe zu halten, konnte ich in Berlin nichts in Erfahrung bringen. Als meine Nase im Wachsen gegen den Hörer knallte, brach die Verbindung ab.

Wenigstens nimmt der Wahlkampf endlich ein bisschen Fahrt auf. Aus dem Hause von Wirtschaftsminister zu Guttenberg ist eine Zettelsammlung auf die Straße geweht mit allerlei Vorschlägen für die Stärkung der Wirtschaft. Dass sich die Mitarbeiter des Wirtschaftsministers für so etwas interessieren, war für die ausgehungerte SPD der lang ersehnte Leckerbissen.

Der Baron habe sein „neoliberales Gesicht gezeigt“, gluckste Umweltminister Sigmar Gabriel vor Vergnügen. Auch Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier war ganz hin und weg. Nun musste nur noch die Gegenseite reagieren, was sie schnell tat: Das sei eindeutig nicht das Programm der Union, versuchte CDU-General Ronald Pofalla das Papier niederzufuchteln. Sogar Guttenberg selbst flüchtete sich ins Gebüsch: Alles bloß so’n paar Ideen.

Musste Angela Merkel sich jetzt ärgern? Ja und nein, es gab für sie auch Grund zur Erleichterung: Der Guttenberg war als beliebtester Politiker an ihr vorbeigezogen. Da wurde es Zeit, dass der mal was auf die Mütze kriegte. Sonst würde der ihr irgendwann doch noch gefährlich. Ärgern musste sie der Vorgang dennoch ein wenig. Das 300-Punkte-Papier sah aus wie eine Lichtung in ihrem Phrasendschungel. Beinahe hätte man sie stellen können im grellen Schein der fassbaren Inhalte. Fast, ja, fast, aber dann passierte wieder etwas.  

Frank-Walter Steinmeier war eigentlich der Sieger der kurzen Rangelei. Doch bevor er seine Trophäe aufheben und lachend in alle Kameras halten konnte, bretterte Ulla Schmidt mit ihrem Dienstbenz über das gute Stück. Schon die zweite Amokfahrt der Gesundheitsministerin durch den ohnehin dürftigen Wahlkampf der SPD. Schmidts hastige Versuche, die neuerliche Havarie wegzureden, endeten schrecklich: Dass sie ihren Dienstwagen bereits seit 2004 im Urlaub nutze, das sei seit langer, langer Zeit bekannt, sagte sie am Dienstag – und meinte damit ihre Erklärung vom Montag davor. Wie sehr sich so ein einziger Tag doch in die Länge ziehen kann! Zumindest in der Erinnerung, und mit der hat es die Ulla ja ohnehin nicht so sonderlich, wie viele Politiker bei solchen Geschichten.

Es reicht. Peer Steinbrück hatte schon am Wochenende die Nase voll. Er mag nicht mehr, ihm ist der Spaß vergangen. Nun macht er uns schreckliche Vorwürfe: „Wenn Du Dich nicht um mich kümmerst, verlasse ich Dich. Deine Demokratie“, schrieb er Anne Will ins Poesiealbum. Er meint natürlich: „Deine SPD“.

Es war vor allem der Kult um diesen Horst Schlämmer, der dem Finanzminister den Rest gegeben hat. Mit seiner dumpfen Wut auf  Hape Kerkeling ist Steinbrück bei weitem nicht allein. Ist das nicht ungeheuerlich, wie sich dieser penetrante Komiker da über unsere deutsche Demokratie lustig macht? Er reduziere Politik zur Show aus lauter platten Sprüchen, ohne Inhalte zu nennen und ohne Verantwortung zu zeigen.  Aha. Und damit erinnert er uns an welchen Typus? Besonders in diesem Wahlkampf bieten Politiker offenbar ihr ganzes Talent dafür auf, möglichst hohlen Kram zu reden. Irgendwann kamen sie an einen Punkt, da es nur einer noch schlämmer treiben konnte: Der Meister des Blödsinns selbst.

Dieser Gruselkerl ist ihre konsequente Weiterentwicklung. Genau darin liegt das Angsteinflößende: Bis zum 27. September muss jeder Politschwafler damit rechnen, dass die unten im Publikum kichern: „Das hat der Horst Schlämmer neulich auch so gesagt.“ Wenn überhaupt Publikum kommt. Als eine Sendung mit Frank-Walter Steinmeier und eine Sportübertragung mit dem Wundersprinter Usain Bolt gleichzeitig im Fernsehen liefen, schauten zehn Millionen Deutsche dem Jamaikaner hinterher und nur 0,8 Millionen auf den Kanzlerkandidaten. Schlämmer hätte besser abgeschnitten, wetten?

Es gibt viele Wege, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen, nur hat der SPD-Kandidat noch keinen davon gefunden. Fritz Gelowicz und seine Freunde schon. Die wurden zu Medienstars, als ihre „Sauerlandgruppe“ genannte islamistische Terrorzelle enttarnt wurde, bevor sie ihren Massenmord begehen konnte.

Nach der Festnahme machten die erstmal auf harte Jungs, unerschütterliche Gotteskrieger, die kein Wort mit den Vernehmern wechselten oder nur höhnischen Quatsch faselten. Dann kippte alles Anfang Juni. Seitdem singen Gelowicz und die anderen drei (die ihn „Emir“ nennen) wie ein Chor liebestoller Nachtigallen: die ganze Reihe der islamistischen Mitverschwörer rauf und runter, 1100 Protokollseiten voll. Die Kriminalbeamten tun, als wären sie ganz erstaunt über die Redseligkeit. Das dürfte nur die halbe Wahrheit sein.

Die Beamten wissen schließlich, wie man Sangeskunst entfacht. Auch ohne widerliche Foltereien gibt es allerhand Möglichkeiten, ganz außergewöhnlich hässlichen Druck auf solche Strolche auszuüben, so dass sie tratschen, bis die Mikrophone glühen.

Die schlimmste Drohung: Freilassen auf Bewährung und sich danach vor der Presse für die wunderbare „Kooperationsbereitschaft“ der angeblich Reuigen bedanken. Die laufen dann frei und schutzlos herum, während ihre Mitislamisten die vermeintlichen Verräter jagen können. Genaues dringt natürlich nicht durch, aber schon denkbar, dass man die „Sauerländer“ mit dieser Aussicht gargekocht hat und ihnen die verlockende Alternative anbot: ein paar Jahre Haft, dann neue Identität, Geld und Leben irgendwo am Ende der Welt.  Dann aber raus mit der Sprache, und zwar alles, von A bis Z.

Nicht fein sowas, aber gewiss wirkungsvoll. Und warum nicht? Häufig genug wissen Terroristen am meisten über Terrorismus, Einbrecher übers Einbrechen und Pleitebanker übers Bankenplätten, dachten sich auch die Landesregierungen von Hamburg und Schleswig-Holstein. Die Berater, die ihre HSH Nordbank retten sollen, sind fast durchweg Leute, die an der Spitze der Sachsen LB standen, als die gegen die Wand fuhr. Das qualifizierte sie in den Augen der beiden Landesregierungen Beust und Carstensen, nun auch an Förde und Elbe Gutes zu tun.

Die Banker, die nach dem Desaster mit der Sachsen LB die Beraterfirma „Sachsen Asset Management“ bildeten, sind entrüstet über den Vorwurf, sie hätten etwas mit der Pleite von Dresden zu tun. Ach so, war es der Pförtner? Die Putzfrau? Nein, nein, nur seien sie (fast) alle erst zu dem staatlichen Geldinstitut gekommen, als der Laden nicht mehr zu retten gewesen sei. Die eigentlich Verantwortlichen hätten sich da längst aus dem Staub gemacht.

Das Lied kennen wir: Immer, wenn der Kahn auf Grund geht, haben die auf der Brücke rein gar nichts mit dem Kurs zu tun gehabt. Den hatten andere schon vorher festgelegt. Verantwortung will gelernt sein, heißt es. Das Gegenteil auch.


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