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29.8.09 / Wenn alle schweigen / Lauer Landtagswahlkampf in Brandenburg: Größter Politskandal wird nicht angesprochen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-09 vom 29. August 2009

Wenn alle schweigen
Lauer Landtagswahlkampf in Brandenburg: Größter Politskandal wird nicht angesprochen

Niemand redet vor der Landtagswahl am 27. September vom Potsdamer Enteignungsskandal. Dafür wurde die Linkspartei zum gleichberechtigten Partner erhoben. Nun kann sich Matthias Platzeck (SPD) seinen Partner aussuchen.

Was für den Wahlkampf zur Bundestagswahl gilt, gilt in Brandenburg erst recht, wo wie in Schleswig-Holstein am 27. September auch ein neuer Landtag gewählt wird: Es fehlt der Schwung. Es gibt kein Thema, keine Konfrontation, und es ist nicht mit großen Überraschungen zu rechnen.

Das müsste nicht so sein. Ein großes Thema liegt auf der Hand. In Brandenburg hat sich der größte politische Skandal in den neuen Bundesländern seit der deutschen Vereinigung abgespielt. Aber die Bodenreform-Affäre (PAZ berichtete) spielt im Wahlkampf keine Rolle. Es herrscht ein Kartell des Schweigens, das alle drei Volksparteien, zu denen hier auch die Linke gezählt wird, errichtet haben.

Beobachter vermuten einen Kuhhandel: Die Linkspartei verzichtet darauf, die tausendfache Enteignung von Brandenburgern durch das Bundesland vor zehn Jahren propagandistisch auszuschlachten. Im Gegenzug wird sie in den Rang eines gleichberechtigten Partners erhoben. Übereinstimmend erklärten CDU, SPD und Linke im Untersuchungsausschuss des Landtages, dass ein Behördenfehler vorgelegen habe, für den nun niemand mehr zur Rechenschaft zu ziehen sei. Klappe zu, Affe tot. Seitdem hat niemand mehr etwas von der Bodenreformaffäre gehört.

Und so sieht es danach aus, dass Matthias Platzeck die SPD auch bei dieser Landtagswahl zum Sieg führen wird. Die SPD setzt auf seine Popularität und verzichtet darauf, seinen Namen auf Wahlplakate zu drucken. Unter seinem Konterfei steht einfach nur: „Der Brandenburger“. Zwei Millionen Euro, mehr als jede andere Partei, wollen die Genossen in der heißen Wahlkampfphase ausgeben. Umfragen prognostizieren für die SPD jetzt, beim Start der heißen Wahlkampfphase, ein Ergebnis von 34 Prozent.

Die Linke liegt mit 27 Prozent deutlich dahinter, nachdem sie es vor fünf Jahren fast geschafft hätte, die SPD mit einem Anti-Hartz-IV-Wahlkampf zu übertrumpfen. Trotzdem ist die Partei traditionell stark. Dass eine frühere Inoffizielle Mitarbeiterin der Stasi jetzt als Spitzenkandidatin fungiert, scheint potentielle Links-Wähler nicht zu stören.

Die 49-jährige Diplomslawistin Kerstin Kaiser hat vor 30 Jahren im damaligen Leningrad studiert und dort Kommilitonen ausgespitzelt. Laut der Internet-Enzyklopädie Wikipedia zum Beispiel wegen des Tragens von Jeanshosen oder wegen des verbotenen Hörens westlicher Radiosender. Später machte sie Karriere in der SED-Parteischule, die sie nach 1990 bei der PDS fortsetzte. In der Person der linken Spitzenkandidatin verdichtet sich der nahtlose Übergang der früheren Staatspartei in die spätere PDS und jetzige Linkspartei.

Johanna Wanka (CDU) dagegen hat es schwerer. Die Wissenschaftsministerin der Potsdamer Großen Koalition hat etwas mit dem SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier gemeinsam: Sie mag es nicht, auf miese Umfrageergebnisse angesprochen zu werden. Ihre Partei liegt zwar einige Prozentpunkte über dem katastrophalen 19-Prozent-Ergebnis von 2004. Aber gegen den Bundestrend wird die Union wohl wieder nur drittstärkste Kraft im Land. Der Abgang von Jörg Schönbohm, der nach der Wahl für kein Amt mehr zur Verfügung steht, dürfte die Wahlaussichten der Partei nicht eben erhöhen.

Die SPD ist in einer hervorragenden Situation. Es gibt drei mehr oder minder große Parteien im Land, die es unter sich ausmachen, wer am Ende regiert – und die beiden anderen Parteien (CDU und Linke) können nicht miteinander. Also stellt die SPD den Ministerpräsidenten.

Die kleineren Parteien haben wenig zu sagen. Grüne und FDP könnten wieder in den Landtag einziehen, aber sicher ist das nicht. Selbst wenn der Einzug gelingen sollte, werden sie kaum als Mehrheitsbeschaffer gebraucht. Ohnehin backen sie in Brandenburg eher kleine Brötchen.

So feiert die FDP auf ihrer Internetseite tatsächlich die Neuwerbung von zwei Mitgliedern in Bad Saarow, wo sie ein Sommerfest veranstaltet hat, als großen Erfolg. Und die Grünen protzen damit, dass es ihnen gelungen sei, in elf Tagen sage und schreibe 1111 Euro an Spenden eingenommen zu haben. Beides, der FDP-Zuwachs und die Grünen-Spendeneinnahmen, ist nicht eben vielversprechend in einem Bundesland mit 2,5 Millionen Einwohnern.

Der DVU schließlich droht in ihrer letzten Hochburg ein Desaster. Und das trotz guter Voraussetzungen: Seit zehn Jahren ist die Partei im Landtag vertreten, wo sie nicht durch Skandale oder szenetypische Abspaltungen aufgefallen ist. Auch das Wählerpotential für so eine Partei ist nach wie vor vorhanden.

Es wird ihr aber nicht mehr zugute kommen, weil die DVU jetzt Konkurrenz von der NPD bekommt, die über machthungriges Personal vor Ort verfügt. Das frühere Bündnis zwischen den beiden Rechtsaußen-Formationen ist zerbrochen, jetzt kandidieren beide Parteien gegeneinander. Denkbar, dass beide am Ende mit weniger als fünf Prozent der Stimmen dastehen. Markus Schleusener

Foto: Ihre Stasi-Vergangenheit stört die Linkswähler nicht mehr: Die brandenburgische Spitzenkandidatin der Linkspartei, Kerstin Kaiser, posierte Mitte August in Berlin mit ihren Kollegen aus Sachsen, Andre Hahn (r.), und Thüringen, Bodo Ramelow (l.), bei einem gemeinsamen Auftritt mit Linke-Bundeschef Lothar Bisky (2.v.r.).    Bild: ddp


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