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29.8.09 / Vollbremsung aus Detroit / Beim Tauziehen um Opel macht Merkel keine glückliche Figur – Einflussmöglichkeiten überschätzt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-09 vom 29. August 2009

Vollbremsung aus Detroit
Beim Tauziehen um Opel macht Merkel keine glückliche Figur – Einflussmöglichkeiten überschätzt

Fest hatte die Bundesregierung am vergangenen Wochenende grünes Licht aus Detroit für den Einstieg des Investors Magna bei Opel erwartet, die Pressetermine zur Verkündigung der frohen Botschaft waren schon arrangiert. Dann kam die kalte Dusche aus den USA: Die Entscheidung wurde einmal mehr vertagt. Jetzt könnte alles wieder offen sein.

Die Bundesregierung versucht, erheblichen Druck auszuüben, um den Verwaltungsrat des maroden amerikanischen Autobauers General Motors (GM) zu einem Verkauf der GM-Tochter Opel an das Konsortium aus dem Autozulieferer Magna und der unter staatlicher russischer Kontrolle stehenden Sberbank zu bewegen. Bundeskanzlerin Merkel legte sich fest: „Unsere Präferenz liegt eindeutig bei Magna.“ Wie es heißt, wollten sie und Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gerne bereits am letzten Wochenende den erfolgreichen „Abschluss“ der Presse bekannt gegeben. Doch der GM-Verwaltungsrat hat zum großen Ärger Berlins die Entscheidung wiederum vertagt. Immerhin soll es der Bundesregierung nun gelungen sein, einen GM-Topmanager für das nächste Gespräch zu gewinnen.

Der traditionsreiche Konzern gehört infolge der Krise mittlerweile zu 60 Prozent der US-amerikanischen Regierung. Insofern hat das Tauziehen um Opel auch eine hochpolitische Dimension: Obama kennt seinen Einfluss auf GM und weiß natürlich auch, dass Merkel mitten im Wahlkampf steht. Doch die US-Regierung will sich erklärtermaßen aus dem Bieterstreit heraushalten. Für Merkel ist das eine kalte Dusche, ist doch offenbar der deutsche Einfluss auf die Regierung Obama in diesem Punkt geringer als erhofft. Beobachter fragen, ob es keine klaren Absprachen gegeben hat oder ob eine bundesdeutsche Gegenleistung ausgeblieben ist − die (ökonomisch unsinnige) Opel-Rettung gehört schließlich zu den wenigen konkreten Themen im bundesdeutschen Wahlkampf und 4,5 Milliarden Euro nimmt auch eine Bundeskanzlerin nicht einfach so in die Hand.

Der Plan der Bundesregierung war klar: Der Bund und die deutschen Länder mit Opel-Fabriken geben eine Kreditzusage von 4,5 Milliarden für Opel, vorausgesetzt GM würde sich für das Magna/Sberbank-Konsortium entscheiden. Eigentlich sollten ausländische Staaten mit Opel-Standorten eingebunden werden. Doch mit ihnen dürfte eine Einigung noch dauern. Bislang erzielte das kurz vor der Bundestagswahl unterbreitete „Lockvogelangebot“ jedoch nicht die erwünschte Wirkung.

Der GM-Vorstand lässt sich offensichtlich Zeit bei der Prüfung der Angebote. Längst nicht aus dem Rennen ist die Offerte des Finanzinvestors RHJ International, der angibt, eine Milliarde Euro weniger Staatskredit zu benötigen. Selbst das Thema Opel-Insolvenz ist in Detroit kein Tabu. Die nächste Sitzung des GM-Verwaltungsrats findet am 8. oder 9. September statt. Unklar ist jedenfalls, ob trotz des Drängens aus Berlin vor der Bundestagswahl eine Entscheidung fallen wird.

Außenpolitische „Kollateralschäden“ sind jedenfalls bereits zu verzeichnen. Fred Irwin, der Chef des Beirats der Opel-Treuhand und Präsident der US-Handelskammer, warnte angesichts des forschen Berliner Auftretens vor Belastungen der deutsch-amerikanischen Beziehungen: „Für eine gute Lösung brauchen wir keinen transatlantischen Streit zwischen Deutschland und Amerika, sondern mehr Flexibilität aller Beteiligten“. Merkels Sprecher Ulrich Wilhelm versuchte anschließend die Wogen zu glätten. Kurz vor der Insolvenz hatte GM 65 Prozent seiner Anteile an Opel in eine Treuhandgesellschaft überführt.

Der müde und inhaltsarm dahinplätschernde Bundestagswahlkampf bietet gegenwärtig keine Themen, die die Wähler fesseln könnten. Nunmehr will der Opel-Betriebsrat unter seinem agilen Vorsitzenden Klaus Franz der Politik mit Protestkundgebungen unter anderem vor der Berliner US-Botschaft Beine machen zugunsten von Magna/Sberbank. Auch diese Ankündigung hatte Irwin irritiert.

Offenbar will Merkel den derzeit bequemen Vorsprung vor der SPD ruhig ins Ziel schaukeln – indem sie die ursprünglich von der SPD favorisierte Magna-Option selbst vertritt. Darum reagiert sie allergisch gegen Störungen und will den Eindruck einer Hängepartie bei Opel vermeiden. Für die Demonstration eigener Durchsetzungsfähigkeit ist sie auch bereit, Steuerzahlergelder in erheblichem Umfang mit dem Risiko des Kreditausfalls einzusetzen. Auch Wirtschaftsminister zu Guttenberg ist in die Kabinettsdisziplin eingebunden. Von der volkswirtschaftlich zweifellos sinnvollen und von ihm wohl nach wie vor bevorzugten „Planinsolvenz“ von Opel ist von ihm seit Längerem nichts mehr zu hören. Sein Staatssekretär Jochen Homann leitet geräuscharm die Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die das Gespräch mit GM führen will.

Derweil fragen sich Beobachter, welche Rolle Russland in den Überlegungen der Bundesregierung zukommt. Kanzlerin Merkel hatte unverblümt ausgesprochen, dass bei der Magna-Offerte die russische Komponente „ohne Zweifel“ sinnvoll sei. Sie „sehe da sehr viele Chancen“. Inzwischen wird über Absprachen mit Russland spekuliert. Doch wie sehen diese aus? Haben die Russen womöglich ihre Bereitschaft zu einer umfangreicheren industriepolitischen Zusammenarbeit mit der ebenso zügig vollzogenen wie überraschend pünktlich finanzierten Übernahme der insolventen Wadan-Werften unter Beweis gestellt? Doch der Werftendeal hat eine deutlich kleinere Dimension als Opel. Sollten Merkels Andeutungen Substanz haben, müssten entsprechende Verabredungen wohl mehr umfassen.     Jost Vielhaber

Foto: Will GM Opel jetzt doch behalten? Mit dieser Option hatte die Bundesregierung gar nicht mehr gerechnet.          Bild: ddp


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