29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
29.8.09 / Für mehr Ehrlichkeit bei der Kirchenmitgliedschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-09 vom 29. August 2009

Gastkommentar:
Für mehr Ehrlichkeit bei der Kirchenmitgliedschaft
von Menno Aden

Die evangelische Kirche in Deutschland ist geistig und geistlich ausgelaugt. Zur katholischen Kirche sei nichts gesagt – viel besser ist es dort aber auch nicht. Die Kirche der Reformation weiß nicht mehr, was sie noch glaubt, und wozu sie eigentlich da ist. Das Apostolische Glaubensbekenntnis und die Augsburger Konfession, auf welche protestantische Pastoren ordiniert werden, haben in Predigt und Verkündigung fast keine Bedeutung mehr.

Die landeskirchliche Verfassung der deutschen evangelischen Kirchen konservieren den Gebietsstand des Heiligen Römischen Reiches von 1806 und sind völlig anachronistisch. Klagen über Geldmangel sind angesichts der schreienden Verschwendung kirchlicher Mittel in falsche Strukturen ein Hohn. Der Staat stabilisiert das System noch durch das Kirchensteuersystem und indem er Zuwendungen an die Kirche ohne Verwendungsprüfung für steuerabzugsfähig erklärt.

Die Regionalbindung der Landeskirchen führt zu personalpolitischer Inzucht. Personalaustausch über die Grenzen einer Landeskirche ist heute fast ausgeschlossen. In kleineren Landeskirchen kennt jeder jeden, und jede Schlamperei, selbst Straftaten, wie ich erleben musste, finden ihren brüderlichen Deckel, um sie zu vertuschen.

Seit Kriegsende ist zudem ein deutlicher Niveauverlust auf allen Ebenen der evangelischen Kirchenhierarchie festzustellen. Der Stand des Pfarrers, früher ein Hort der Bildung, ist in seinem Bildungsniveau weit zurückgefallen. In sozialen und gesellschaftlichen Fragen, zu welchen die evangelische Kirche gerne das Wort nimmt, haben selbst Leitungspersonen nur selten das Wissen eines Bankkaufmanns. Gepredigt wird darüber dann trotzdem.

Die (Un-)Kenntnis vieler evangelischer  Geistlicher auch auf ihrem ureigenen Gebiet, der Theologie, der Kirchen-, Dogmen- und Religionsgeschichte, neuerdings auch in der Bibel selbst, ist gelegentlich entwaffnend. Mancher Pastor rühmt sich sogar, von Theologie nichts zu verstehen. Es komme auf das fromme Herz an. Die Qualität der Predigten ist dementsprechend. Ein frommes junges Mädchen meinte mir gegenüber: Ich kann meinen Freund gar nicht mit in den Gottesdienst bringen – was würde der bloß von mir denken!

Der Pastor ist offenbar der einzige Berufsstand, der ohne Fortbildung in seinem Fachgebiet auskommt. Es werden Bischöfe und Superintendenten gewählt, es amtieren Pastoren, die seit ihrem Studium kein Fachbuch mehr gelesen haben. Fachzeitschriften, etwa die Zeitschrift für „Neutestamentliche Theologie“, nimmt kaum ein Pastor in die Hand. Das ist so, als ob ein Jurist die „Neue Juristische Wochenschrift“ (NJW) oder ein Arzt das „Ärzteblatt“ nicht lese.

Es findet auch keine Qualitätskontrolle der Arbeit der Pastoren statt. Eine Dienstaufsicht fehlt weitgehend. Missachtung der kirchlichen Ordnungen, Fehlleistungen in der Verkündigung, ja offene Arbeitsverweigerung bleiben ohne Konsequenz. Junge, frische Pastoren, die etwas bewegen wollen, laufen langsam aber sicher in eine dunkle Röhre, aus welcher kein Echo mehr kommt. Am Ende verlieren auch sie den Mut.

In kirchlichen Gremien wird über alles  gesprochen, aber zu wenig darüber, was  eigentlich unser Glaube ist und wie er bei Glaubensfernen geweckt werden kann. Als Präsident der Kirchenverwaltung in Schwerin pflegte ich Pastoren dienstlich zu fragen: Mit wie vielen Menschen, die nicht im kirchlichen Dienst stehen, haben Sie in der letzten Woche gesprochen? Oder: Wann haben Sie zuletzt einen aus der Kirche ausgetretenen Menschen auf einen Wiedereintritt angesprochen? Solche Fragen werden oft gar nicht verstanden. Man habe doch wahrhaftig genug mit Verwaltungssachen zu tun. Man möchte als Christ manchmal verzweifeln und austreten. Aber aus was träte man aus?

Das Recht der kirchlichen Mitgliedschaft ist in Deutschland wegen seiner Verknüpfung mit der Kirchensteuerpflicht unaufrichtig, ja verlogen. Seit der Urkirche ist unbestritten, dass Mitgliedschaft in der Kirche durch das Sakrament der Taufe erworben wird, und dass die Mitgliedschaft in der Heilsgemeinschaft nur durch Absage vom Glauben (Apostasie) endet. An der Taufe halten die Kirchen zumeist fest. Aber für die Amtskirchen (beider Konfessionen) verwirkt nicht die Glaubensleugnung die Kirchenzugehörigkeit und damit das ewige Heil, sondern nur Nichtzahlung der Kirchensteuer.

Wer sämtliche Glaubensartikel öffentlich leugnet oder Jesus Christus schmäht, kann lange warten, bis ihm der Ausschluss aus der Kirche angedroht wird, denn auch von Gottesleugnern wird Kirchensteuer gerne kassiert. Und umgekehrt: Der frömmste Christ steht anscheinend außerhalb der christlichen Heilsgemeinschaft, wenn er die Steuer nicht zahlt. Deren Höhe wird übrigens nicht von der Kirche, sondern vom Staat festgesetzt.

Der altkirchliche Grundsatz extra ecclesiam non est salus – außerhalb der Kirche gibt es kein Heil – gilt im katholischen Kirchenrecht weiterhin, und er ist weiterhin Teil der meisten evangelischen Bekenntnisschriften. Die logische Folge müsste heute sein: Egal ob fromm und gottesfürchtig, ohne Kirchensteuer, ab in die Hölle! Im Mittelalter hatte die Kirche wenigstens den Mut, klar von der Hölle zu sprechen. Doch heute laviert sie auch hier. Die Kirche ist schon unsicher, ob sie uns noch eine Auferstehung und ein ewiges Heil in Aussicht stellen will; aber an eine Hölle glaubt sie schon lange nicht mehr. Nur hat sie vergessen, uns das in der Predigt zu sagen und die Folgen dieser Veränderung zu erläutern.

Aber Geld will sie doch. Wofür eigentlich? Was glaubt sie denn noch?

Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 15. Juli könnte immerhin in der Frage der Kirchenmitgliedschaft für mehr Klarheit sorgen. Es ging um den Austritt eines Professors für katholisches Kirchenrecht aus der Kirche. Dieser hatte das erforderliche Formular ausgefüllt, aber mit dem Zusatz: Ich bleibe aber katholischer Christ!

Das Bistum hält diesen Austritt für unwirksam, doch das Gericht gab dem Professor Recht. Es sagt: Der auf Grund des staatlichen Gesetzes erklärte Austritt habe …. lediglich die Folge, mit „öffentlich-rechtlicher Wirkung“ die staatlich durchsetzbaren Konsequenzen der Mitgliedschaft − gemeint ist die Kirchensteuer − entfallen zu lassen. Ob nach innerkirchlichem Recht zwischen Wirkungen im staatlichen Bereich (= körperschaftliche Rechte) und im innerkirchlichen Bereich (= geistliche Teilhabe an den Heilsgaben der Kirche) getrennt werden könne, entziehe sich der Regelung durch staatliches Recht. Das Gericht unterscheidet also zwischen der körperschaftlichen und der geistlichen Sphäre der Kirchmitgliedschaft − und das zu Recht!

Was mich angeht, so plädiere ich seit langem dafür, das kirchliche Mitgliedschaftsrecht im Sinne einer doppelten Mitgliedschaft zu reformieren: Geistliche Mitgliedschaft entsteht durch die Taufe und endet mit Absage an den Glauben, ohne Kirchensteuer. Diese Mitgliedschaft lässt teilhaben an allen (!) geistlichen Leistungen der Kirche. Die körperschaftliche Mitgliedschaft hingegen entsteht durch Eintritt in die Körperschaft Kirche und endet mit dem Austritt. Nur die körperschaftliche Mitgliedschaft begründet die Kirchensteuerpflicht und gibt körperschaftliche Rechte wie etwa das Wahlrecht in Kirchenvorstände und Synoden. Vielleicht wären eine Austrittswelle und Einnahmeverluste die Folge einer solchen Reform, doch die Kirchen gewönnen viel Glaubwürdigkeit.

Der Autor ist Professor für deutsches und internationales Wirtschaftsrecht sowie Buchautor und war Oberkirchenratspräsident in Schwerin.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren

Warning: file_get_contents(https://paz.de/lib/extern/footer.php): failed to open stream: Connection refused in /homepages/10/d855424685/htdocs/wrapper.php on line 53