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05.09.09 / Gesundheitskosten explodieren / Die Überalterung trifft die Krankenkassen noch stärker als das Rentensystem – Tatenlose Politiker

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-09 vom 05. September 2009

Gesundheitskosten explodieren
Die Überalterung trifft die Krankenkassen noch stärker als das Rentensystem – Tatenlose Politiker

Herzinfarkte, Lungenentzündungen, Demenz und Oberschenkelhalsbrüche werden bis zum Jahr 2050 explosionsartig zunehmen. Das ist der Kern einer neuen Studie, die Ende August in Berlin vorgestellt wurde. Die Experten warnen vor immens steigenden Kosten für Gesundheit und Pflege der älter werdenden Bevölkerung.

Die Studie des Kieler Fritz-Beske-Instituts hat 22 verbreitete und kostenintensive Erkrankungen auf Grund nationaler und internationaler Daten aus dem Jahr 2007 auf das Jahr 2050 hochgerechnet. Da die Zahl der über 65-Jährigen bis zum Jahr 2050 kontinuierlich zunehmen wird, werden auch alterstypische Erkrankungen überproportional steigen. Beispielsweise erwarten die Forscher bei Lungenentzündungen eine Verdreifachung, bei der kostenintensiven Pflege von Demenzkranken eine Steigerung von 144 Prozent. Die Zahl der Herzinfarkte und schweren Schlaganfälle werde sich verdoppeln, während Krebserkrankungen, Schwerhörigkeit und Diabetes mellitus bis 2050 „nur“ um etwa 50 Prozent zunehmen sollen.

Hintergrund dieser alarmierenden Prognose, die auf sehr fundierten Daten beruht, ist die Bevölkerungsentwicklung. Diese lässt sich beispielhaft am Bundesland Brandenburg illustrieren. Seit dem Jahr 2001, dem Höhepunkt des Hauptstadt-Effektes, als dort 2,6 Millionen Einwohner gezählt wurden, sinkt dort die Zahl der Einwohner kontinuierlich. Bis zum Jahr 2030 erwartet das Landesamt für Statistik in Cottbus in der offiziellen Bevölkerungsprognose einen Rückgang um 354000 Personen auf 2,2 Millionen. Gleichzeitig mit dem Bevölkerungsrückgang ziehen aus Brandenburg pro Jahr zwischen 30000 und 40000 junge Frauen im gebärfähigen Alter fort. Dadurch öffnet sich die Schere zwischen Neugeborenen und Gestorbenen immer weiter. Standen im Jahr 2007 noch etwa 26000 Toten rund 17000 Geburten gegenüber, so erwarten die Forscher im Jahr 2030 etwa 37000 Sterbefälle und nur noch 10000 Neugeborene. So wird im Jahr 2030 jeder dritte Einwohner Brandenburgs über 65 Jahre alt sein, im Jahr 2050 beherbergt das Bundesland nach Schätzungen des „Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen“ schon zu 90 Prozent Rentner. Hochgerechnet auf alle östlichen Bundesländer werden die besonders kostenintensiven über 85-Jährigen dann etwa 25 Prozent der Bevölkerung ausmachen (im Westen „nur“ 15 Prozent).

Da der Hauptteil der Gesundheitskosten in einem Menschenleben in den letzten beiden Lebensjahren anfällt, erwarten Gesundheitspolitiker aller Parteien immense Steigerungen der Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherungen. Liegen diese beiden Sozialversicherungen derzeit zusammengerechnet noch bei rund 17 Prozent vom Bruttogehalt, sind in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ohne Weiteres Steigerungen auf 25 oder gar 30 Prozent denkbar. So forderte der Autor der Studie Fritz Beske, dass sich „jede weitere Reform des Gesundheitswesen an der demographischen Entwicklung orientieren“ müsse. Jedem solle der medizinische Fortschritt zukommen, das Alter dürfe kein „Ausschlussprinzip“ sein.

Genau das aber ist zu erwarten. Ähnlich wie in England, wo bestimmte Operationen ab einem bestimmten Alter nicht mehr von der öffentlichen Gesundheitsversorgung übernommen werden, könnte es auch hierzulande bald eine strenge Rationierung von Leistungen geben. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Köhler, meinte, es brauche weitere Anstrengungen, um den „immens steigenden Bedarf an medizinischer Versorgung“ zu begegnen. Das Jahr 2050 scheine noch weit entfernt, aber man müsse jetzt gegensteuern. Ähnlich äußerte sich der Forscher Fritz Beske, der davor warnte, die Problematik der Gesundheitsversorgung in der fernen Zukunft zu wähnen. „In gut zehn Jahren erreichen die geburtenstarken Jahrgänge das Rentenalter.“ Alarmierend sei vor allen Dingen, dass die Zahl der über 80-Jährigen um 156 Prozent wachsen werde. Bei begrenzten Mitteln müsse ein unbegrenzter Leistungskatalog ausgeschlossen werden und man müsse überlegen, welche „Leistungen dem Individuum übertragen werden können“, fordert der Autor. Also doch: Keine neue Hüfte mehr auf Kosten der Krankenkasse ab 65, wie es einst Philipp Mißfelder, Chef der Jungen Union und Bundestagsabgeordneter, vor ein paar Jahren forderte und damit einen Sturm der Entrüstung auf sich zog?

Lösungen sind derzeit nicht in Sicht. Kein Gesundheitspolitiker wagt sich in Wahlkampfzeiten an dieses „heiße Eisen“ heran. Der Dienstwagen der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sorgt für mehr Schlagzeilen als diese alarmierenden Prognosen. Dabei dürfte allen klar sein, dass die Sozialabgaben und Steuern, die in Deutschland im weltweiten Vergleich bereits an der Spitze liegen, kaum weiter steigerbar sind.

Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung forderten derweil den systematischen Ausbau von Pflegeheimen und ambulanten Versorgungsstationen. Sie sprechen davon, dass die „Gesundheitsbranche boomen werde“; man solle die Gesundheitspolitik nicht länger nur unter dem Aspekt der Kostensenkung betrachten, sondern müsse attraktive „Jobs“ im Gesundheitswesen schaffen, denn schon jetzt fehle es überall an Personal. Diese Forderung ist verständlich, sie bestätigt aber nur, dass unser Gesundheitssystem eigentlich schon jetzt unterfinanziert ist.      H. E. Bues

Foto: Donnerstag Duschtag? Schon jetzt klagen die Pflegekräfte in Altenheimen über zu wenig Zeit, um sich den Menschen individuell zu widmen und die Sozialkassen ächzen unter den steigenden Kosten.  Bild: pa


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