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05.09.09 / Doppeltes Spiel auf Zeit / Ministerpräsident Netanjahu in London und Berlin – Israel und die Araber meinen, die Zeit arbeite für sie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-09 vom 05. September 2009

Doppeltes Spiel auf Zeit
Ministerpräsident Netanjahu in London und Berlin – Israel und die Araber meinen, die Zeit arbeite für sie

Israel will die Zwei-Staaten-Lösung in Nahost − aber nur zu seinen Bedingungen. Während EU und USA auf ein Ende des Siedlungsbaus drängen, will Benjamin Netanjahu gar nicht darauf angesprochen werden.

In der Pressekonferenz legte die Kanzlerin Wert darauf, dass sie Netanjahu aufgefordert habe, den Siedlungsbau zu stoppen, obwohl Netanjahu sie gebeten hatte, dieses Thema nicht anzusprechen. Dieser erklärte seine Bereitschaft zu einer Zwei-Staaten Lösung, wenn die israelischen Bedingungen – Anerkennung des jüdischen Staates durch die arabische Welt und Sicherheitsgarantien des Westens – erfüllt würden. Damit brachten die Gespräche weder Überraschungen noch Fortschritte, was auch nicht zu erwarten war.

Die Lage im Nahen Osten ist zu kompliziert, um in wenigen Stunden Fortschritte zu erzielen. Netanjahu kam es bei seiner Europatour darauf an, im Gespräch mit den Europäern zu bleiben, die nicht die erste Adresse israelischer außenpolitischer Aktivitäten sind. Die einzelnen europäischen Staaten sowie die EU gelten in Israel nicht als verlässliche Partner. Die umfangreichen Hilfen einzelner europäischer Staaten und der EU an die Palästinenser werden mit Misstrauen betrachtet, da es keine ausreichende Kontrolle ihrer Verwendung gibt. In israelischen Augen werden sie auch zur militärischen Aufrüstung missbraucht.

Die Zwei-Staaten-Lösung wird nur kommen, wenn beide Seiten zu Kompromissen bereit sind. Allerdings stellt sich die Frage, ob der palästinensische Präsident Mahmud Abbas die Autorität hat, auch für den Gazastreifen zu sprechen. Da Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde nicht die einzigen „Stakeholder“ sind, bleibt die Lage kompliziert.

Die arabische Welt hat die Gründung des Staates Israel auf „ihrem“ Territorium von Beginn an abgelehnt und bekämpft. Es ist wenig bekannt, dass die UN-Resolution 181 im November 1947 eine Zwei-Staaten-Lösung vorgesehen hat, die aber von der arabischen Seite abgelehnt wurde.

Die arabischen Staaten haben den Konflikt mit Israel innen- und außenpolitisch für ihre Zwecke instrumentalisiert. Das gilt besonders für die 700000 Flüchtlinge und Vertriebenen des Krieges von 1948/49. Sie wurden zu politischen Geiseln. Die reichen arabischen Nachbarn haben nur wenig getan, um das Los dieser Flüchtlinge und ihrer Millionen Nachkommen zu erleichtern. Mit dem „Feindbild Israel“ konnten die autoritären Regime des Nahen Ostens repressive Maßnahmen gegenüber der eigenen Bevölkerung begründen – zum Beispiel in Syrien. Heute ist in den Augen Israels der schiitische Iran der gefährlichste Akteur in der Region.

Der iranische Ministerpräsident Mahmud Ahmadinedschad hat mehrfach sein Ziel verkündet, Israel „von der Landkarte zu wischen“. Der Iran unterstützt seit Jahren als Stellvertreter die Terrororganisationen Hisbollah, Fatah und Hamas im Kampf gegen Israel. Sie nehmen Israel von Norden und Süden „in die Zange“.

Dieser Kampf gewinnt durch das Streben Irans nach Nuklearwaffen eine neue Dimension. Nach israelischer Einschätzung hat der Iran die Fähigkeit, bereits in den nächsten Monaten erste Nuklearwaffen zu bauen. Die Einsatzmittel – weitreichende Raketen – hat er mehrfach getestet. Damit befindet sich Israel erneut im Kampf ums Überleben. Es hat mehrfach verkündet, dass es eine Nuklearbewaffnung des Iran nicht zulassen würde. Netanjahu wird mit Befriedigung gehört haben, dass sich Bundeskanzlerin Merkel für schärfere Sanktionen einsetzt. Der Iran hat nun bis September Zeit, seine Absichten zu klären.

Was geschieht, wenn China und Russland nicht bereit sind, schärfere Sanktionen des UN-Sicherheitsrates mitzutragen? Auf diese Situation, die alle anderen Fragen in den Hintergrund stellen würde, bereitet sich Israel vor. Ein großes Manöver der israelischen Luftstreitkräfte und die Zerstörung einer Nuklearanlage in Syrien im letzten Jahr sollten den Iran warnen. Zurzeit sind allerdings keine Signale erkennbar, die auf ein Einlenken Teherans hindeuten.

Israels Augen richten sich auch in dieser Frage primär auf die USA. Wäre Präsident Barack Oba-ma bereit, sich an einem begrenzten militärischen Schlag gegen den Iran zu beteiligen? Für Obama, der mehr Distanz zu Israel zeigt als seine Vorgänger, ist das eine schwierige Entscheidung. Minimale Unterstützung bestünde in der Gewährung von Überflugrechten für die israelischen Luftstreitkräfte über den Irak, die nächste Stufe wäre die Unterstützung Israels durch Luftbetankung, die oberste Stufe wäre eine Beteiligung US-amerikanischer Luftstreitkräfte aus dem Irak oder vom Persischen Golf. Für Obama, der mit seiner Rede in Kairo auf die muslimische und arabische Welt zugegangen ist, ein Dilemma. Eine Verweigerung jeglicher Unterstützung würde Israel und die rund sechs Millionen Juden in den USA schwer enttäuschen.

Wird es einen Alleingang Israels geben? Er ist nicht auszuschließen – mit dramatischen Folgen für die gesamte Welt. Selbst wenn der Iran seine Nuklearwaffen nicht gegen Israel einsetzt, weil es die eigene Zerstörung durch israelische Nuklearwaffen zur Folge hätte, würde er zu einer „virtuellen“ Nuklearmacht. Unter diesem Schirm könnten die Terrororganisationen Hisbollah, Fatah und Hamas offensiver gegen Israel vorgehen.

Vor diesem Hintergrund verblassen die bekannten, heftig umstrittenen Streitpunkte, die eine Zwei-Staaten-Lösung erschweren: Siedlungen, Grenzziehung, Behandlung der Flüchtlinge, die Frage der Wasserversorgung sowie der Status von Jerusalem.

Israel fühlt sich nicht unter Zeitdruck. Die arabische Welt auch nicht. Aus ihrer Sicht spielt die Zeit für sie. Sie zieht eine Ein-Staaten-Lösung vor – ohne einen jüdischen Staat Israel. Dennoch – die Zwei-Staaten-Lösung bleibt ein wichtiger und richtiger Ansatz, um die Lage im Nahen Osten zu entschärfen. Es gibt Hinweise auf eine Geheimdiplomatie zwischen den USA und Israel, die Lösungsansätze bringen soll.            Dieter Farwick

Foto: Erst London, dann Berlin: Netanjahu verlässt Haus Downing Street 10.


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