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05.09.09 / Wahlüberraschung 1949 / Vor 60 Jahren trat der Deutsche Bundestag erstmals zusammen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-09 vom 05. September 2009

Wahlüberraschung 1949
Vor 60 Jahren trat der Deutsche Bundestag erstmals zusammen

Die Sensation kündigte sich schon um Mitternacht des Wahltages am 14. August 1949 an. Am nächsten Morgen zeigte das amtliche Endergebnis:  Entgegen der allgemeinen Erwartung lagen nicht etwa die Sozialdemokraten, die Partei mit der großen Tradition und den vielen Opfern während der nationalsozialistischen Diktatur, sondern die beiden Unionsparteien mit gut 31 Prozent der Wählerstimmen vorne. Sie würden die stärkste Fraktion und damit voraussichtlich auch den Bundeskanzler stellen. Dabei hatte sich dieser Zusammenschluss von Katholiken und Protestanten erst kurz nach Kriegsende gegründet.

In einer Zeit, wo es weder Hochrechnungen noch seriöse Umfragen gab, waren die 24,5 Millionen Wähler im Wahlkampf 1949 in den drei Westzonen allein auf die Vorhersagen, besonders der französischen, englischen und skandinavischen Presse, angewiesen. Die beiden Hauptkontrahenten Dr. Kurt Schumacher (1895−1952, SPD) und Dr. Konrad Adenauer (1876−1967, CDU) versprachen einander zwar Respekt vor dem politisch Andersdenkenden, dennoch blieben Polemik und persönliche Angriffe nicht aus. Den vermeintlich sicheren Sieg vor Augen griff vor allen Dingen Schumacher, ein Meister scharfer Formulierungen gegen Adenauer („Lügenauer“) und gegen die Unionsparteien („zusammengelaufener Haufen, Kriegsgewinnler, klerikal, kapitalistisch, konservativ“), zum Mittel der Verbalinjurie. Adenauer dagegen, der Polemik an sich ebenfalls durchaus nicht abgeneigt, blieb gelassen, kehrte seinen rheinischen Humor hervor und bewahrte eine staatsmännische Pose. Das trug ihm viele Sympathien ein, die schließlich zum unerwarteten Wahlerfolg führten.

Im Mittelpunkt des Wahlkampfes ‘49 stand die Frage des Wiederaufbaus. Da das erst am 23. Mai 1949 verkündete Grundgesetz die Wirtschafts- und Sozialordnung der jungen Republik nicht endgültig festgelegt hatte, ging es um eine echte Richtungswahl. Die SPD und die Gewerkschaften favorisierten die sozialistische Planwirtschaft und die Verstaatlichung der Großindustrien, Kredit- und Versicherungsinstitute letztlich nach dem Vorbild der sowjetisch besetzten Zone. Die CDU/CSU sah das Land am „Scheideweg der Wirtschaft“, wie auf Wahlplakaten zu lesen war und hielt mit dem Konzept der von Professor Ludwig Erhard (1897−1977) vertretenen „Sozialen Marktwirtschaft“ dagegen. Darin sah SPD-Chef Schumacher „einen kapitalistischen Unternehmerballon, angefüllt mit stinkenden Abgasen eines verwesenden Liberalismus“. Die Gewerkschaften prophezeiten sechs Millionen Arbeitslose und eine Verelendung des Ruhrgebietes würde man den Ideen des „Spinnerprofessors“ Erhard folgen.

Als am 7. September 1949 das erste seit 1933 frei gewählte Parlament im Bonner Bundeshaus zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentrat, umrahmten Beethovenklänge die feierliche Sitzung; alle 402 Abgeordneten trugen dunkle Anzüge oder festliche Kleider. Die CDU/CSU bildete mit 139 Abgeordneten die stärkste Fraktion vor der SPD mit 131 Mandaten. Acht weitere Parteien und drei unabhängige Abgeordnete teilten sich die weiteren 132 Mandate, was die Regierungsbildung nicht einfach machte. Zum ersten Parlamentspräsidenten wählten die Abgeordneten Dr. Erich Köhler (CDU), zu dessen Stellvertreter Prof. Dr. Carlo Schmid (SPD). Vor den Abgeordneten lag der Wiederaufbau des Landes; das „deutsche Wirtschaftswunder“ konnte beginnen.    Hinrich E. Bues


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