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05.09.09 / Verlorene Ideale / Fort Stein wechselt erneut den Besitzer − Ein Jungunternehmerpaar steht vor den Trümmern seiner Existenz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-09 vom 05. September 2009

Verlorene Ideale
Fort Stein wechselt erneut den Besitzer − Ein Jungunternehmerpaar steht vor den Trümmern seiner Existenz

In Königsberg ist es das „Sahnestück“ unter den noch erhaltenen Festungsanlagen aus preußischer Zeit. Fort I, das den Namen „Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom und zum Stein“ erhielt, gehört nicht zum offiziellen Besichtigungsprogramm der Stadt wie etwa die historisierten Stadttore oder das zu einem Museum für Fortifikationskunst und Kriegstechnik umgestaltete Fort V „Friedrich Wilhelm III“, um das 1945 bei der Besetzung Königsbergs am längsten gekämpft wurde.

Fort „Stein“ liegt östlich von Königsberg zwischen dem Lauther Mühlenflies und den sumpfigen Flussauen des Pregels unweit der Chaussee nach Tapiau. Während der Kämpfe um Königsberg erlitt das Fort keine wesentlichen Beschädigungen. Erst nach dem Krieg wurde das Wappen des Freiherrn vom Stein über dem Hauptportal durch Vandalismus zerstört. Bis 1947 war das Fort unbewohnt. Später wurde es vom Militär genutzt und bis zum Zerfall der Sowjet-union als Lagerhalle für Gemüse.

1991 entstand im Zuge der Perestroika die Kooperative „Die Alte Stadt“. Stanislaw und Swetlana Lauruschonis, beide damals etwa 26 Jahre alt, pachteten als Mitglieder dieser Kooperative das Fort „Stein“. In dieser Epoche des „Wind of Change“ entstand die erste „pro Königsberger Bürgerinitiative“ und einige  junge Menschen in der Region hofften auf eine „neue“ Zeit und auf finanzielle Unabhängigkeit, indem sie verwahrloste Baudenkmäler zu neuem Leben erweckten. Doch diese Jungunternehmer blieben in vielen Fällen auf der Strecke, denn sie waren durch ihren Idealismus und ihre Prinzipientreue den nun geltenden „Spielregeln“ des wilden postsowjetischen Kapitalismus nicht gewachsen.

Auch die 1990 ins Leben gerufene Denkmalbehörde der Stadt, die der Kulturabteilung angegliedert wurde, konnte aufgrund fehlender Mittel und dem geringen Interesse auf offizieller russischer Seite so gut wie nichts zum Erhalt der Bausubstanz der Anlage tun.

Stanislaw Lauroschonis verlor seine neu erworbenen Immobilien einschließlich seiner eigenen Wohnstätte. Ihm blieb nur das Fort „Stein“, das 1992 auf die Liste der zu erhaltenden Denkmäler gesetzt wurde. 1994 schloss das Ehepaar Lauroschonis mit dem von staatlicher Seite neu geschaffenen „Zentrum für Denkmalpflege“ (NPZ) einen Pachtvertrag für 49 Jahre. Aus eigener Kraft und unter großen finanziellen Anstrengungen verwandelten sie in den folgenden 15 Jahren das total verwahrloste Bauwerk zu einem Kulturdenkmal preußischer Verteidigungsarchitektur. Mit Hilfe der Familie  räumten sie Berge von Müll und Schutt aus den Räumen des Forts (4820 m²) und dem umliegenden Festungsgelände, rekonstruierten die Drainage und legten den 300 Meter langen Kanal neu an, bauten falsche Wände zurück und neue Fenster ein, richteten die Heizung und die Ventilation wieder her und auch drei Räume für eine eigene Wohnung.

Seinen immer noch anhaltenden Idealen folgend, wollte Stanislaw Lauruschonis das Fort in ein „wahres Zentrum der Geschichte und Kultur dieses Landes“ verwandeln. So suchte er historische Materialien in Archiven, befragte die zu Besuch kommenden früheren Bewohner der Umgebung und richtete nach und nach in mehreren Räumen ein Museum ein, wo er die beim Aufräumen gefundenen und in mühevoller Kleinarbeit gesammelten Exponate ausstellte. Das nunmehr gepflegte Fort und die Gastfreundschaft der Lauruschonis zogen viele Besucher an. Hier wurden Filme gedreht und Kunstauktionen veranstaltet. Der innere große Hof diente als offene Szene für Konzerte und kreative Treffen der Liebhaber des Minnegesangs,  militär-historischer Vereine und Biker. Es gab keine Unterstützung für diese Veranstaltungen, die Familie bestritt ihre Kosten aus kleinen Spenden und freiwilligen Hilfeleistungen. In dieser Zeit versuchte Stanislaw Lauroschonis das Fort in eine öffentliche Wohlfahrtstiftung einzugliedern, jedoch ohne Erfolg, denn die für eine derartige Aktion nötigen Dokumente wurden von den Behörden ständig als fehlerhaft abgewiesen.

Inzwischen gehören alle diese Projekte der Vergangenheit an.  Bei einer Versteigerungsaktion im Jahre 2007 mit einem Starteinsatz von zirka 390000 Euro Pachtgebühr pro Jahr für das Fort „Stein“ erhielt die Firma „Westtourservice“ aus der Heimatstadt Lenins Uljanowsk an der Wolga den Zuschlag. Diese Firma stellte ein Investitionsprogramm für sieben Millionen Euro vor, um im Fort ein „kulturell-geschäftliches Zentrum“ zu eröffnen. In Hinblick auf diese neue Geschäftsidee hatten die Bemühungen der Lauroschonis, die juristischen Beziehungen zwischen ihrer öffentlichen Stiftung und den neuen Pächtern vertraglich zu regeln, keinen Erfolg. Im Juni 2009 stellte der neue Pächter am Eingangstor des Forts Wachposten auf, die nur noch der Familie Lauruschonis den Zutritt gewähren. Alle anderen Aktivitäten sind zum Erliegen gekommen. Die Reisegruppe der Journalistin Janne Neuman aus Sankt Augustin, die am 13. Juli das Fort „Stein“ besichtigen durfte, war die letzte offizielle Besuchergruppe.

Stanislaw Lauruschonis erhielt inzwischen von den neuen Pächtern die Mitteilung, dass er und seine Familie sich im Fort nicht mehr lange aufhalten können.

Was aus Fort „Stein“ wird, ist völlig ungewiss. Es bleibt zu hoffen, dass sich das Schicksal der in Privatbesitz befindlichen Forts Nr. 2 und Nr. 4, die heute verwahrlost und ausgeraubt sind, nicht wiederholt. Janne Neuman

Foto: Steinerner Zeuge besserer Tage: Die Zukunft des Fort ist ungewiss. Bild: J. N.


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