29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.09.09 / Hochkonjunktur für Abschleppdienste / Königsberg kämpft mit einer rigiden Politik des Abschleppens gegen das Falschparken − und zahlt drauf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-09 vom 05. September 2009

Hochkonjunktur für Abschleppdienste
Königsberg kämpft mit einer rigiden Politik des Abschleppens gegen das Falschparken − und zahlt drauf

Folgende Szene trug sich kürzlich vor dem Einkaufszentrum „Europa“ in Königsberg zu: Eine Limousine der gehobenen Klasse fährt heran und hält im absoluten Halteverbot. Mehrere junge Frauen im Alter von etwa 25 Jahren steigen aus, das Handy am Ohr, stecken sie sich Zigaretten an. Das Parkverbot und der Abschlepphinweis scheinen sie nicht zu interessieren. Fröhlich ziehen sie ihrer Wege in die nächste Boutique. Nur kurze Zeit später taucht ein Abschleppwagen auf. Ein Polizist fotografiert das falschparkende Auto, anschließend wird es per Krahn auf die Fläche gehievt. Es dauert nur wenige Minuten, bis das Auto entfernt und zu einem „Autoknast“ am Stadtrand verbracht ist.

Noch bevor die Fahrerin  zurückgekehrt ist, steht ein anderes Fahrzeug an derselben Stelle. Das Ignorieren der Verkehrsschilder kostet die Parksünder Zeit und Nerven, denn sie müssen sich nach ihrer Rückkehr oft auf die Suche nach ihrem Auto begeben. Wenn Diebstahl – keine Seltenheit – ausgeschlossen werden kann, heißt es, herauszufinden, welches Unternehmen das Fahrzeug wohin abgeschleppt hat. Die Parksünder müssen für jede angefangene Stunde, die ihr Auto im „Autoknast“ verbringt, bezahlen. Wer in Königsberg lebt, weiß, was in solchen Fällen zu tun ist. Unangenehmer wird es für Autofahrer aus anderen Orten oder für falschparkende Touristen. Denn es gibt keinerlei Information darüber, an wen man sich wenden kann. Doch allen Erziehungsmaßnahmen zum Trotz missachten viele Autofahrer weiterhin die Verkehrsregeln.

Die Überlastung der Straßen ist in Königsberg zu einem der Hauptprobleme geworden. Traten Staus früher nur im Berufsverkehr auf, gibt es sie heute zu allen Tageszeiten. Die Parkmöglichkeiten im Zentrum reichen nicht aus. Durch den Bau neuer Einkaufs- und Vergnügungszentren hat sich die Situation noch verschärft. Deshalb parken so viele Autofahrer im Parkverbot, auf Bürgersteigen oder Grünstreifen.

Doch das konsequente Abschleppen hat sich auch zu einem lukrativen Geschäft für Abschleppdienste und korrupte Verkehrspolizisten entwickelt. Um Missbrauch auszuschließen oder zumindest zu verringern, wurden im Juli 2007 die Bestimmungen für die Verwahrung abgeschleppter Fahrzeuge erlassen. Demnach dürfen für ein auf einem speziellen Parkgelände abgestellten Fahrzeug in den ersten 24 Stunden keine Extragebühren erhoben werden. Diese Änderung trat aber erst am 1. Juli 2008 in Kraft. Sie führte dazu, dass zunächst überhaupt nicht mehr abgeschleppt wurde, weil kein Gewinn mehr winkte. Doch schnell fand sich eine Lücke im Gesetz. Aus juristischer Sicht sind die Entfernung und der Transport nämlich zwei verschiedene Dinge. Folglich darf für das Abschleppen als solches weiterhin Geld bezahlt und auch angenommen werden.

Heute kostet das Abschleppen eines Autos 1865 Rubel (41 Euro). Wenn der Halter es nicht schaffen sollte, seinen Wagen am nächsten Tag abzuholen (die 24-Stunden-Vorschrift gilt natürlich!), kommen pro Stunde weitere 20 Cent hinzu.

Es geht jedoch nicht nur um diese Strafen. Immer wieder beklagen sich Autofahrer darüber, dass sowohl Polizisten als auch die Betreiber von „Autogefängnissen“ willkürlich handeln.

Es stellt sich die grundsätzliche Frage, welchen Nutzen das Abschleppen überhaupt hat, wenn ein Fahrer nach dem anderen sich nicht an das Parkverbot hält. Denn die Abschleppdienste sind einfach nicht in der Lage, die Stadt von Falschparkern zu befreien. Auch für die Stadt bringt das Abschleppen keinen Gewinn, für sie wäre es lohnender, möglichst alle Falschparker mit „Knöllchen“ zur Kasse zu bitten. Absurderweise zahlt der Steuerzahler bei der Politik des Abschleppens noch drauf. Allein 2009 wurden bisher sechs Millionen Rubel (rund 132000 Euro) dafür ausgegeben.

Andererseits entschied die Gebietsduma vor kurzem, das Haushaltsdefizit zu verringern und beschloss, die Pensionen für Lehrer, Ärzte, Künstler und weitere Berufsgruppen um 433 Rubel (9,50 Euro) zu kürzen. Im gesamten Gebiet sind 1300 Menschen davon betroffen. Die Einsparungen belaufen sich insgesamt auf 7 Millionen Rubel (rund 154000 Euro). Würde man, wie in Deutschland üblich, Falschparker zunächst mit Strafzetteln belegen, hätte man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Stadtkasse würde sich füllen und man müssten nicht den Rentnern ins Portemonnaie greifen.   Jurij Tschernyschew


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren