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12.09.09 / Zwischen Prinzipien und Machtstreben / Grüne im Saarland im Gewissenskonflikt − Thüringens CDU-Frauen kommen der SPD entgegen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-09 vom 12. September 2009

Zwischen Prinzipien und Machtstreben
Grüne im Saarland im Gewissenskonflikt − Thüringens CDU-Frauen kommen der SPD entgegen

Für die Bundestagswahl am 27. September geben die drei Landtagswahlen vom 30. August und die darauffolgenden Koalitionsgespräche keine eindeutigen Vorzeichen ab. Während in Sachsen die Reise in Richtung Schwarz-Gelb geht, befinden sich in Thüringen die SPD und im Saarland die Grünen in der Position des Züngleins an der Waage.

Am spektakulärsten entwickeln sich die Dinge in Thüringen. Dort trat der offensichtlich mental doch noch nicht so ganz wiedergenesene Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) „mit sofortiger Wirkung“ von allen Ämtern zurück. Kurz darauf fiel ihm die Landesverfassung ein, der zufolge der Ministerpräsident so lange amtiert, bis sein Nachfolger vereidigt ist, und Althaus kehrte in die Staatskanzlei zurück, um eine Kabinettssitzung zu leiten. Kopfschütteln allerorten, während die Frauen in der zweiten Reihe, Sozialministerin Christine Lieberknecht und Vize-Ministerpräsidentin Birgit Diezel, die Nachfolge unter sich ausmachen: Demnach könnte Diezel, die auch die Koalitions-Sondierungen mit der SPD führt, die Führung der Thüringer CDU übernehmen, Lieberknecht das Amt des Ministerpräsidenten – falls die CDU überhaupt dieses Amt zu vergeben hat.

Die Thüringer SPD unter ihrem Vorsitzenden Christoph Matschie, die es auf lediglich 18,5 Prozent und damit auf den dritten Rang hinter CDU und Linkspartei gebracht hat, lässt nämlich vorläufig offen, mit welcher der beiden größeren Parteien sie koalieren will. Vor der Bundestagswahl will Matschie offenbar weder den Anti-CDU-Wahlkampf der Bundes-SPD torpedieren noch den bürgerlichen Parteien Munition für eine Rote-Socken-Kampagne liefern. Ohnehin ist die SPD bereits in Erklärungsnot, wie sie es mit der Linkspartei halten will. Die Thüringer SPD jedenfalls will nicht Juniorpartner der unberechenbaren Linkspartei sein. Doch selbst wenn die Linke in den sauren Apfel beißt und Matschie zum Ministerpräsidenten wählt, sähe der sich permanent einer Kabinettsmehrheit der Linken gegenüber. Eine vernünftige Politik zum Wohle Thüringens könnte Matschie dann kaum für sich reklamieren.

Mit einer Christine Lieberknecht und einer Birgit Diezel an der Spitze kommt die CDU der SPD jedenfalls schon personell weit entgegen. Einen Dieter Althaus als Regierungschef hätten die Sozialdemokraten wohl ebensowenig akzeptiert wie einen Bodo Ramelow.

Im Saarland indes können die Sechs-Prozent-Grünen zeigen, welchem Lager sie sich zugehörig fühlen: dem bürgerlichen, was ihrer Wählerstruktur entspräche, oder dem Linksaußen-Lager, was wohl der Mehrheit ihrer Funktionäre entspräche. So kommt ihrer Entscheidung – entweder für Jamaika oder Rot-Rot-Grün – große Bedeutung für die Zukunft des kleinsten Bundeslandes zu, aber auch für die künftigen Farbenspiele im Bund. Zahlreiche Ost-Grüne – so Katrin Göring-Eckardt, Werner Schulz und Antje Hermenau – erinnern daran, dass die Partei immer noch den Namen der DDR-Oppositionsbewegung „Bündnis 90“ trägt, und lehnen Bündnisse mit den Nachfolgern der Menschenschinderpartei SED ab. Dabei stoßen diese antikommunistischen Grünen ins selbe Horn wie die SPD-Politiker Markus Meckel, der letzte DDR-Außenminister, Klaus von Dohnanyi, der frühere Hamburger Bürgermeister und die DDR-Oppositionelle Freya Klier.

Parteichef Cem Özdemir und Bundestags-Fraktionschefin Renate Künast gaben ihren Saar-Freunden hingegen bereits den Wink, sie sollten sich bitteschön in Richtung Rot-Rot-Grün orientieren. Das offenbart die auch bei Hessens Grünen-Chef Tarik Al-Wazir erkennbare Ignoranz gegenüber politischer Hygiene und Moral bei vielen West-Grünen, sobald es um konkrete Machtfragen geht: Eine Partei, die die Menschenrechte so hoch hält wie die Grünen, dürfte an sich keinesfalls gemeinsame Sache machen mit der Ex-SED, wenn schon die SPD keine politischen Warninstinkte in dieser Richtung mehr hat. Eine Koalition mit FDP und CDU ausschließen, sich aber gern mit den Ex-Kommunisten ins Lotterbett legen: Signale in Richtung Zukunft, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die sich die Grünen sonst ja groß aufs Panier schreiben, sehen anders aus.

In jedem Fall scheint die Person Peter Müller im Gegensatz zum Thüringer Althaus kein Ausschlusskriterium für die Grünen zu sein. Er hat offenbar trotz Alleinregierung im eigenen Land nie so stark polarisiert wie sein Kollege aus dem Eichsfeld.

Während also in Thüringen und dem Saarland reichlich krampfhaft sondiert, aber noch nicht entschieden wird, sendet Sachsen die klarsten Signale an den Bund – zumindest dürften diese Signale der Bundeskanzlerin am besten gefallen: Der Sorbe Stanislaw Tillich, der alle Zweifel an seiner Blockflöten-Vergangenheit weglächelt und vielen Sachsen wohl gerade deshalb als authentischer Repräsentant einer Ost-CDU mit vollständiger DDR-Biographie gilt, hat den ungeliebten Koalitionspartner SPD, der bei zehn Prozent stagnierte, elegant entsorgt und steuert auf Schwarz-Gelb zu. Die Koalitionsverhandlungen verlaufen offenbar so reibungslos, dass kaum Meldungen nach außen dringen – eine Parallelität zu Bayern übrigens, wo der Krach jedoch später umso heftiger kam. Tillich zufolge will man bis zur Bundestagswahl die schwarz-gelbe Sachsen-Koalition in trockenen Tüchern haben. Anton Heinrich

Foto:  Bekommt das Saarland demnächst Deutschlands erste rot-rot-grüne Koalition? Zumindest auf Demonstrationen treffen sich die Anhänger der drei Parteien bereits.        Bild: laif


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