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12.09.09 / Familie in akuter Gefahr

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-09 vom 12. September 2009

Gastbeitrag:
Familie in akuter Gefahr
von Jürgen Henkel

Wenig bemerkt von der breiten Öffentlichkeit hat in den letzten Jahren, vor allem seit der Regierungsübernahme durch Bundeskanzler Gerhard Schröder 1998, still und leise eine schleichende Entwertung der Familie stattgefunden. Heute gilt in Deutschland praktisch die Fristenregelung. Selbst nur minimal behinderte Kinder können bis kurz vor der Geburt abgetrieben werden. Schwule und Lesben dürfen standesamtlich heiraten und werden in manchen evangelischen Landeskirchen schon in einer Hochzeitszeremonie kirchlich „getraut“. Jetzt sollen homosexuelle Paare Kinder adoptieren dürfen. Wir erleben eine relativistische Umkehrung aller Werte.

Zwei bayerische Universitätsinstitute wollen nun nachgewiesen haben, dass ein Aufwachsen von Kindern bei einem homosexuellen Paar als „Eltern“ dem Kindeswohl nicht abträglich sei. Hier siegt endgültig die Ideologie über das Kindeswohl. Wie soll denn ein Kind, das bei einem gleichgeschlechtlichen Paar aufwächst, das natürliche und von der Schöpfungsordnung Gottes so vorgesehene Zusammenleben von Mann und Frau kennenlernen und erleben und existenzielle Erfahrungen sammeln im Aufbau von Beziehungen mit Menschen und Bezugspersonen unterschiedlichen Geschlechts?

Nachdem ohne großes Aufheben die CSU-FDP-Koalition in Bayern im Frühjahr schon auf Druck der FDP die Homoehe auch in Bayern eingeführt hat, wo sie bisher nur als beim Notar eingetragene Partnerschaft möglich war, folgte nun der zweite schwere Schlag für Wertkonservative in der Union, als die bayerische Staatsregierung unter Verweis auf diese Studien ihren Widerstand gegen das Adoptionsrecht für Homopaare zurückzog. Die wertkonservativen Anhänger der CSU sind entsetzt.

Die Liberalen triumphieren und brüsten sich noch damit, sie hätten die CSU binnen weniger Monate aus dem Mittelalter ins 21. Jahrhundert geführt. Es ist zu befürchten, dass sich nach dem nationalkonservativen nun auch noch der christlich-wertkonservative Flügel der Union in Luft auflöst.

Der politische Koordinatenwechsel in der Union, der sich auch an Personen wie Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen festmachen lässt, ist deutlich spürbar. Das Wertkonservative droht, sich in folkloristischen Auftritten der Parteiprominenz und pathetischen Worthülsen von Heimat und Verantwortung zu erschöpfen und ist nicht mehr mit konkreten Inhalten verbunden. So bewegt sich die Union in einem fortgesetzten Populismus im Windschatten der linken SPD-Familienpolitik und nährt sich noch inhaltlich von deren Abgasen.

Wer in der CDU lässt sich denn dem wertkonservativen Flügel auf Bundes- oder Landesebene überhaupt noch zuordnen? Annette Schavan, Ole von Beust, Ronald Pofalla oder auch die Kanzlerin sicher nicht. Von der privaten „Familienpolitik“ wichtiger Ministerpräsidenten ganz zu schweigen, wiewohl die Anzahl der aktuellen und abgelösten Ehefrauen insgesamt noch nicht das Ausmaß von Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine und Josef Fischer erreicht. Die CDU will den Anschluss an den vermeintlichen „Mainstream“ in der Gesellschaft nicht verlieren. Und die CSU ist ihrem Koalitionspartner FDP ausgeliefert, auch wenn sie vom einflussreichen Chef der Hanns-Seidel-Stiftung und ehemaligen Kultusminister Hans Zehetmair bis zu dem jungen wertkonservativen Europaabgeordneten Martin Kastler aus Franken noch das personelle Potential für andere Schwerpunkte hätte.

Auffällig ist, dass jüngst immer öfter der bayerische Ministerpräsident und CSU-Parteivorsitzende Horst Seehofer wertkonservative Positionen einnimmt. Offenbar gibt es eine Arbeitsteilung zwischen Merkel und ihm: Die Kanzlerin präsentiert sich präsidial-liberal für breite Schichten, der kernige und charismatische Bayer hingegen kümmert sich um die arg vernachlässigten Stammwähler.

Diese ganze Entwicklung kommt freilich nicht von ungefähr. Linke SPD-Politiker und grüne 68er-Ideologen haben auf ihrem Weg in die hedonistischen Spaßgesellschaft ihren Marsch durch die Institutionen in Politik, Medien und Justiz auf diesem Politikfeld so gut wie zu Ende gebracht und eine tiefgreifende Veränderung der Gesellschaft erreicht.

Und es herrscht Korpsgeist unter den Genossen zwischen den Institutionen, wenn es darum geht, die Gesellschaft im Sinne progressiver Ideologien und Spontikultur zu verändern. Da sind die linken Reihen immer fest geschlossen, wenn es gegen Kirche und Papst, Familie und Werte, Bundeswehr und Vergangenheitsbewältigung linker Diktaturen geht.

Ein Ausgangspunkt der familien- und gesellschaftspolitischen Umerziehung der Menschen in Deutschland durch die Medien war der politisch stets korrekte ARD-Serienlangweiler „Lindenstraße“ in den 80er Jahren. Nicht nur, dass dort Konservative stets als böse Spießer wie Hausmeisterin Else Kling und die Spontis als lebensfrohe Persönlichkeiten dargestellt wurden, sondern diese Serie hat erstmals breitenwirksam an einem schwulen Paar die Normalität homosexuellen Zusammenlebens gezeigt. Die (teilweise unfreiwilligen) Homo-Outings von Alfred Biolek bis Hape Kerkeling und von Wowereit bis Westerwelle sind da nur eine logische Konsequenz.

Im politischen Bereich trägt dieser erfolgreiche Marsch der Linken durch die Institutionen in gesellschaftsverändernder Absicht einen Namen: Brigitte Zypries. Seit 2002 gestaltet diese SPD-Linke als Bundesjustizministerin die deutsche Gesellschaft „erfolgreich“ im Sinne linker Ideologien um. Auf ihr Konto gehen Gesetze und Initiativen zur rechtlichen Gleichstellung homosexueller Beziehungen. Auf der Homepage ihres Ministeriums wirbt sie für die „Regenbogenfamilie“, wie das euphemistisch propagiert wird, unter dem Motto: „Familie ist, wo Kinder sind.“ Dabei bekommt sie Unterstützung von unerwarteter Seite, ein evangelischer Landesbischof äußerte sich nun ähnlich.

Die linken feministischen Ideologien nehmen familienpolitisch viele Formen an, so etwa die Forderung nach möglichst unmittelbar ab der Entbindung einsetzender staatlicher Krippenbetreuung für die Kinder. Trotz Komasaufen und Amokläufen von Schülern, Abnahme der Sozialkompetenz und zunehmender geistiger und sittlicher Verwahrlosung der Jugend, die nur durch verstärkte Erziehung im Elternhaus und in der Familie nachhaltig bekämpft werden kann, werden Mütter, die ihre Kinder bis zum dritten Lebensjahr bewusst selbst zu Hause erziehen wollen, mittlerweile von der linken Emanzen-, Polit-, Karriere- und Kulturschickeria belächelt und nicht erwerbstätige Hausfrauen, die sich Haushalt und Kindererziehung widmen, fast schon als geistig zurückgebliebene Sozialschmarotzerinnen diffamiert.

Die Liebe besonders der Karrieregenossinnen zum Kind spiegelt sich im Wahlkampfteam von Kanzlerkandidat Steinmeier: Zehn ambitionierte Frauen im Durchschnittsalter von 52 Jahren bringen es zusammen auf fünf Kinder. Zufall?

Die rot-grüne Bundesregierung hat wirtschafts- und bündnispolitisch viele Probleme hinterlassen. Doch die gravierendsten Schäden mit Spätfolgen haben Schröder & Co. in der Gesellschaftspolitik angerichtet. Die Union setzt diese Politik fort und wundert sich, dass sie bundesweit nicht mehr die 40-Prozent-Hürde überspringt.

Wenn Wowereit und Andrea Nahles die Führung der SPD nach der wohl verlorenen Bundestagwahl übernehmen, werden sie die Partei auch inhaltlich schärfer profilieren, wahrscheinlich aus der dafür komfortableren Position der Opposition heraus. Die Union muss sich dafür auch  von ihrem Ideen-, Prinzipien- und Werteangebot her neu aufstellen und rüsten, besonders für ihre Stammwähler.

Dr. theol. Jürgen Henkel, Jahrgang 1970, ist Pfarrer der Evangangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Journalist und Publizist. Er promovierte 2001 über den orthodoxen Theologen Dumitru Staniloae und leitete von 2003 bis 2008 die Evangelische Akademie Siebenbürgen (EAS) in Hermannstadt.


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