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12.09.09 / Der erste preußische Bundespräsident / Vor 50 Jahren trat Heinrich Lübke das höchste Staatsamt an – Einst Abgeordneter für das Zentrum im Preußischen Landtag

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-09 vom 12. September 2009

Der erste preußische Bundespräsident
Vor 50 Jahren trat Heinrich Lübke das höchste Staatsamt an – Einst Abgeordneter für das Zentrum im Preußischen Landtag

Am 15. September 1959 trat der CDU-Politiker Heinrich Lübke sein Amt als zweiter Präsident der Bundesrepublik Deutschland an. Bis heute gilt er in der öffentlichen Wahrnehmung als eher schwach – ein schiefes Bild, das der Korrektur bedarf.

Sauerland ist überall – so titelte im März des geschichtsträchtigen Jahres ’68 der „Spiegel“, und so verhöhnen in dessen Gefolge selbsternannte „kritische Geister“ bis heute den Bundespräsidenten Heinrich Lübke, der von 1959 bis 1969 unser Land repräsentierte. Sauerland stand und steht hier als Synonym für Provinzialität, Sturheit, „hinterm Mond“.

In der Tat war Heinrich Lübke „typisch Sauerland“, jedoch in einem anderen, viel weiter gefassten Sinne: bodenständig, heimatverbunden, prinzipientreu, zuverlässig, pflichtbewusst, ehrlich, glaubwürdig. Tugenden also, die man gemeinhin als „preußisch“ bezeichnet. So hatte die junge Teilrepublik nach dem schwäbischen Schöngeist „Papa“ Theodor Heuss ihr erstes preußisches Staatsoberhaupt.

Seine Vita ist schnell erzählt: Am 14. Oktober 1894 im westfälischen Enkhausen (Kreis Arnsberg) geboren, Kriegsdienst unter anderem in Ostpreußen, danach Studium der Landwirtschaft und Volkswirtschaft, Examen als Vermessungsingenieur, leitende Positionen bei der Deutschen Bauernschaft und der Siedlungsgesellschaft Bauernland. 1932 wurde Lübke für die Zentrumspartei in den Preußischen Landtag gewählt, im Zuge der Auflösung der demokratischen Parteien im Februar 1934 verhaftet und im Oktober 1935 aus dem Gefängnis entlassen. Das NS-Regime, das sich rühmte, die Massenarbeitslosigkeit wirkungsvoll bekämpft zu haben, sorgte dafür, dass Lübke für die nächsten zwei Jahre arbeitslos blieb; dann durfte er wieder arbeiten, wurde zu Wehrübungen einberufen und kurz nach Beginn des Zweiten Weltkrieges als Vermessungsingenieur und Bauleiter in der „Baugruppe Schlempp“ dienstverpflichtet, die dem späteren Rüstungsminister Albert Speer unterstand.

Nach Kriegsende schloss sich Lübke der CDU an, kam 1946 in den NRW-Landtag und vor genau 60 Jahren in den Bundestag. 1953 berief Konrad Adenauer ihn zum Bundeslandwirtschaftsminister, am 1. Juli 1959 wählte die Bundesversammlung ihn zum Präsidenten.

Der Wahl waren quälende Querelen vorangegangen. Erst wollte Adenauer nach zehn Jahren Kanzlerschaft vom Palais Schaumburg in die benachbarte Villa Hammerschmidt umziehen. Dann überlegte der „Alte“ es sich anders, zog dem Repräsentieren das weitere Regieren vor.

Den Ersatzkandidaten verhöhnte der „Spiegel“ als „Lübkenbüßer“. Auch weniger kämpferische Blätter gaben sich reserviert, lobten zwar seine „moralische Anständigkeit“, verwiesen aber auch auf seine spröde Wesensart und seinen „sauerländischen Dickschädel“. Kritisch angemerkt wurde schon damals, dass Lübke nicht gerade als Meister der freien Rede bekannt war.

Doch gelang es Lübke schnell, sich hohes Ansehen in weiten Teilen der Bevölkerung zu erwerben. Die Menschen schätzten es, nach dem intellektuell-professoralen, über allem und allen schwebenden Heuß nunmehr einen eher schlichten, bodenständigen Präsidenten zu erleben, der so sprach, dass jeder ihn verstehen konnte.

Von Anfang an wollte Heinrich Lübke ein „politischer“ Präsident sein, nicht nur eine Art „Staatsnotar“. Er hatte klare, von preußischem Denken geprägte Wert- und Zielvorstellungen und scheute sich nicht, diese auch offensiv und öffentlich zu vertreten.

Politische Wirkung von unschätzbarem Wert für unser Vaterland entfaltete Lübke vor allem auf seinen zahlreichen Auslandreisen – obwohl (oder weil?) er auch vor Tabubrüchen nicht zurückschreckte. So mahnte er in der Schweiz 1961, also gerade einmal 16 Jahre nach Kriegsende, man dürfe nicht „das ganze deutsche Volk für die Untaten der Hitlerzeit verantwortlich machen“.

Auf massive Kritik stießen solche mutigen Aussagen nicht etwa im Ausland, sondern im „publizistischen ,Spiegel‘-Deutschland jener intellektuellen Minderheit, vor der unsere sogenannten Eliten Angst haben“ (so der Gründer des konservativen „DeutschlandMagazin“, Kurt Ziesel).

Mut bewies der Präsident auch auf seinen Reisen in die Dritte Welt. Als er zum Staatsbesuch der einst deutschen Kolonie Togo einschwebte, vermied er trickreich den Händedruck mit dem Militäroberbefehlshaber Gnassingbé Eyadéma. Der habe seinen Freund, den Ex-Präsidenten Sylvanus Olympio, ermorden lassen, und er schüttele keine Hände, an denen Blut klebe.

Dass der reisefreudige Heinrich Lübke in aller Welt das Ansehen Deutschlands in so hohem Maße mehren konnte, ist auch das Verdienst seiner Ehefrau Wilhelmine. Mit ihren phänomenalen Fremdsprachenkenntnissen wie mit ihrer offenen Herzlichkeit glich sie seine spröde Zurückhaltung aus. Wenn sie Zeitgenossen als „heimliche Präsidentin“ galt, konnte man das auch als Kompliment verstehen. Im „Spiegel“-Deutsch wurde daraus freilich ein „wilhelminisches Zeitalter“ mit einem „First Sir“ namens Heinrich.

Diese und schlimmere Verspottungen hinderten Lübke nicht, sich immer wieder in die aktuelle Politik einzumischen. Es entsprach seinem Amtsverständnis, nicht einfach nur Gesetze abzuhaken und Ernennungsurkunden zu verteilen, sondern mitzureden und mitzuentscheiden. Neben Misserfolgen (1965 schaffte er es nicht, ein schwarz-gelbes Kabinett unter Ludwig Erhard zu verhindern) standen Erfolge – die Große Koalition von 1966, zeitlich befristet und im Gegensatz zu heute erfolgreich, war auch sein Werk.

Indirekt war damit aber auch der Niedergang besiegelt. Die Große Koalition begünstigte das Erstarken der Außerparlamentarischen Opposition und der ’68er. Deren publizistische Hilfstruppen, an der Spitze Henri Nannen und Rudolf Augstein, eröffneten eine von Hohn und Hass bestimmte Hetzjagd. Beispiele für von „Spiegel“ und „Stern“ verbreitete Lügen und Fantastereien: In Liberia habe Lübke die Gastgeber mit „Liebe Neger“ begrüßt, die Queen habe er mit „Equal goes it loose“ verwirrt – alles frei erfunden.

Politischer und moralischer Tiefpunkt: die Kampagne gegen den angeblichen „KZ-Baumeister Lübke“, gestützt auf aus Ost-Berlin lancierte Dokumente. Nicht nur die linken Medien, auch viele sogenannte Parteifreunde fielen auf den simplen Trick herein: Lübkes Unterschriften waren echt, der Rest der „Dokumente“ gefälscht. Die seelische Belastung solcher Kränkungen dürfte auch zum Fortschritt seiner Erkrankung an Zerebralsklerose beigetragen haben. Drei Monate vor Ablauf der Amtszeit trat er am 30. Juni 1969 verbittert zurück. Er verstarb am 6. April 1972. Es ist an der Zeit, ihn als das zu würdigen, was er wirklich war: nicht Deutschlands „Bundesheini“, sondern unter unseren Bundespräsidenten einer der bedeutendsten. Hans-Jürgen Mahlitz

Foto: Empfang in Nepal im März 1967: Entwicklungshilfe war dem Staatspräsidenten ein Herzensanliegen.     Bild: Interfolt


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