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19.09.09 / Odyssee eines Harmoniums

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-09 vom 19. September 2009

Odyssee eines Harmoniums

Die Kirche von Scharfenrade wurde 1656 von den Tataren in Brand gesteckt. Bereits im Jahre 1667 entstand ein neues Gotteshaus, das heute noch steht. Der Sakralbau erhielt im Jahre 1799 eine Orgel. Während der von der Kreisgemeinschaft organisierten Fahrten in die Heimat wird jedes Mal die Holzkirche in Scharfenrade aufgesucht. Bei der diesjährigen Reise erzählte Rechtsanwalt Bernd Wormland aus Velbert in der Kirche folgende Geschichte:

„Als die Orgel um die Jahrhundertwende (1900) einmal defekt war, gelangte ein Harmonium in die Kirche. Vorübergehend (bis die Orgel repariert war) wurde es von dem Lehrer und Organisten Jan Heinrich, geboren 1875 in Dreimühlen, Kreis Lyck und verstorben 1966 in Hagen in Westfalen, gespielt. Jan Heinrich hatte einen Sohn namens Richard, der schon vor dem Zweiten Weltkrieg in Bochum als Techniker arbeitete und ebenfalls musikalisch begabt war. Bei einem seiner Besuche in der alten Heimat entdeckte der junge Mann im Stall seines Vaters, halb unter Stroh verborgen, ein altes von seinem Vater ausrangiertes Harmonium. Er nahm es mit nach Bochum und restaurierte es in langer Arbeit selbst. Als er viele Jahre später mit seiner Familie nach Hagen zog, um dort Betriebsleiter zu werden, blieb das Harmonium selbstverständlich der treue Begleiter, auf dem viel musiziert wurde. Nach dem Tode seiner ersten Frau traf Richard Heinrich zufällig auf einem Lycker Treffen in Hagen in der zweiten Hälfte der 50er Jahre Frau Rosemarie Lyll verwitwete Fuchs, deren Mann 1943 am Ilmensee gefallen war. Die Familien kannten sich noch aus Masuren. Im Jahre 1959 heiratete Richard Heinrich in zweiter Ehe die Rosemarie. 1968 erlitt Richard Heinrich traurigerweise einen Schlaganfall, der ihn teilweise lähmte. Er konnte das Harmonium nicht mehr spielen und schenkte es der Tochter Sigrid Fuchs aus der ersten Ehe seiner Frau. Sigrid Fuchs ist mit Bernd Wormland verheiratet und wohnt in Velbert. Das Harmonium hat die Familie Wormland bei verschiedenen Umzügen begleitet. Seit vier Jahren (2005) hat die Familie Wormland es nicht mehr bespielt. Es gibt zwar noch Töne von sich, muss aber überholt werden. Der Korpus besteht aus massiver Eiche. Richard Heinrich hat ihn dem Zeitgeschmack entsprechend dunkel gebeizt. Familie Wormland hat die Beizung vor zirka 40 Jahren – leider laienhaft – weiß überstrichen. Aus heutiger Sicht empfiehlt es sich, Farbe und Beizung zu entfernen und das helle Eichenholz wieder zur Geltung kommen zu lassen.“

Sigrid und Bernd Wormland schenkten das Harmonium der Deutschen Minderheit in Lyck. Anlässlich des Besuches der Minderheit beim Lycker Kreistreffen Ende August 2009 wurde es nach Lyck mitgenommen. Damit kam es dort hin, wo seine Odyssee begann.         PAZ


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