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19.09.09 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-09 vom 19. September 2009

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

in der Todesanzeige stand, dass er in der Heimat seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Dass er in der Erde liegt, in der auch seine Vorfahren ruhen. Was kaum glaubhaft erscheint, denn bei dem einstigen Familienbesitz handelt es sich um die Domäne Schulzenwalde im Kreis Gumbinnen im Königsberger Gebiet. Wilfried Stahl verstarb nicht auf einem Heimatbesuch, sondern als Einwohner von Schulzenwalde, das die Russen „Buylien“ nennen. Dort bewirtschaftete er den Rest der Domäne seines Vaters, Dr. Stahl, so gut es die Gegebenheiten erlaubten. Dort haben ihn auch Landsleute besucht, die auf Heimatreise waren und denen er ein guter Ratgeber war. Wie für Bernd Dauskardt, der oft in seinem ostpreußischen Domizil zu Gast war und den er jetzt im Oktober wieder besuchen wollte. Er hat für uns eine kleine Nachrede auf diesen unbeirrbarem Ostpreußen geschrieben, der nichts anderes wollte, als in der Heimat zu leben, auf dem Boden, der jahrhundertelang seiner Familie gehörte. Der das tatsächlich auch realisierte, wie Herr Dauskardt schreibt:

„Meines Wissens war Wilfried Stahl der einige Deutsche mit ostpreußischen Wurzeln, dem es gelang, sich nach der Wende im Ostblock auf dem Anwesen seiner Ahnen in Nordostpreußen anzusiedeln. Trotz vieler Rückschläge hielt er es beharrlich aus, manch anderen Landsleuten ist das nicht gelungen, sie wurden mit den dort herrschenden Zuständen nicht fertig. ,Ich habe auch Lehrgeld zahlen müssen‘, gestand er. Was hat ihn bewogen, dort auszuharren? ,Mir spuckt hier keiner in die Suppe!‘, sagte er. Der russische Oberst in Gumbinnen hielt über ihn die schützende Hand, das riss ihn aus mancher brenzligen Situation wieder heraus. Er hatte es sich in der alten Schule so schön wie möglich eingerichtet, fühlte sich wohl in dieser stillen Weite. ,Kein Klang der aufgeregten Zeit drang noch in diese Einsamkeit …‘ Die Verse hatten hier ihre Berechtigung. Durch seine Eltern und seine persönlichen Erkundigungen vor Ort wusste er viel zu erzählen. Sein hochbeiniger VW-Bus brachte mich bis in den letzten Winkel der Landschaft südlich von Gumbinnen. Genau vor einem Jahr fuhr er mit mir in die Kettenberge zum ehemaligen Bismarck-Turm, der nicht mehr steht. Auf dieser Fahrt nach Bismarckhöh/Kallnen erfuhr ich von seiner schweren Krankheit, die Lunge machte nicht mehr mit. Noch im Mai hatten Angehörige der Kreisgemeinschaft Gumbinnen mit ihm seinen 70. Geburtstag gefeiert. Nun konnte er sich nur noch mit einem Sauerstoff-Gerät aufrecht halten. Ein Kran­ken­hausaufenthalt in Kö­nigs­berg/Ka­liningrad, brachte keine Besserung. Dort ist er am 1. August verstorben. Wilfried Stahl ruht nun auf dem Friedhof von Marienhöhe unweit von Schulzenwalde neben seinem Großvater. Schulzenwalde wurde auch zum Schicksal seines Vaters. Dort auf heimischem Boden wurde Dr. Stahl am 16. Januar 1945 schwer verwundet. Sein Sohn zeigte mir die Stelle, an der damals der Regimentsgefechtstand von Oberstleutnant Gerhard Schirner, Fallschirmpanzergrenadier-Regiment 3 HG, stand.“

Nun hat nicht nur Bernd Dauskardt einen guten Führer vor Ort verloren. Wenn er mit Oktober wieder nach Nordostpreußen fährt, wird die Lücke spürbar sein.

Im mehrmals in unserer Ostpreußischen Familie behandelten Fall „Ullendorf“ ist man schon ein schönes Stück weiter gekommen – aber nun tauchen neue Fragen auf. Die ersten waren auf Tilsit ausgerichtet, wo Willy Ullendorf, der Vater von Frau Hannemarie Bremser, mit seiner ersten Frau Gertrud und Tochter Elly bis 1939 gewohnt hat. Wir hatten von der jungen Familie Fotos gebracht, es haben sich aber leider keine ehemaligen Nachbarn oder Bekannten gemeldet. Gertrud Ullendorf ist, wie vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) mitgeteilt, mit hoher Wahrscheinlichkeit in russischer Gefangenschaft verstorben. Ihre Tochter Elly bekam diesen Bescheid bereits im Januar 1978. Elly ist nicht, wie Frau Bremser glaubte, ihre Halbschwester gewesen, sie wurde von ihrer Mutter Gertrud mit in die Ehe gebracht. Sie war 15 Jahre alt, als die Mutter verstarb, ist dann irgendwie in den Westen gekommen. Elly Lawrenz geborene Schopp verstarb 1985 in einem Blindenwohnheim in Düren. Das Schicksal dieser beiden Frauen ist also geklärt, was für Frau Bremser bleibt, ist die Suche nach der Familie ihres Vaters. Bisher war ihr ja nur Tilsit als Wohnort bekannt. Nun hat sich ergeben, dass die väterliche Familie in Laguna, Kreis Heilsberg, ansässig war. Willy Ullendorfs Eltern waren Paul Ullendorf und Emma Olga geborene Thiel, die aus Preußisch Stargart stammte. Die Ehe wurde 1902 in Berlin geschlossen. Kannte jemand aus Launa die Familie Ullendorf? Immerhin handelt es sich um einen größeren Ort mit 850 Einwohnern, in dem es eine Fabrik und ein Sägewerk gab, da könnten sich ehemalige Nachbarn oder Arbeitskollegen melden, zumal der Name nicht gerade häufig ist. So gehen wir also erneut auf Suche und hoffen, dass aus dieser unendlichen Geschichte eine endliche wird. (Hannemarie Bremser, Karl-Lang-Straße 2 in 65307 Bad Schwalbach, Telefon 06124 / 3572, E-Mail: mamahilfslos@aol.com)

Frau Bremser hat noch eine kleine Laudatio auf unsere Zeitung angefügt „Die eifrigen Leser in Bad Schwalbach sind voller Lob über die Gestaltung und Offenheit der Beiträge“ – dafür herzlichen Dank, Anerkennung tut immer gut, zumal Frau Bemser mir dazu „eine schöne Zeit und zauberhafte Momente“ wünscht. Zumindest heitere Momente hatte ich, als ich den Brief von unserm Leser Ditmar Hinz aus Berlin las. Ihn befiel nämlich „ein kleines Glücksgefühl“, als er in unserer Kolumne den Namen des ostpreußischen Gerichts Bäbb fand. „Meine Königsberger Eltern kannten dies. Das heißt, meine Mutter machte diesen Blechkuchen aus Kartoffelflinsenteig und Speckstreifen darauf nur, wenn mein Vater nicht zu Mittag aß, er lehnte diesen ,Fraß‘ ab. Mutters Vater kam aus dem nördlichen Ostpreußen, er soll in seine Reden gerne litauische Wörter eingeflochten haben. Niemand in meiner ostpreußischen Verwandtschaft kennt ,Bäbb‘. Nun erfahre ich sogar die orthographische Schreibweise. Meine kleine Freude auch deshalb, weil alle Großeltern die Vertreibung nicht überlebten und wir ohne Dokumente über Geburt und Tod sind. Vielleicht findet sich mit dem ,Bäbb‘ auch eine Spur von meinem lustigen Opa Karl Borrmann.“ Wird schwer sein, denn alles, was der Enkel über seinen Großvater weiß, ist dies: Karl Borrmann wohnte bis zu seinem Tod kurz vor Kriegsende in der Stägemannstraße in Königsberg und war bei einem Wachdienst tätig. (Ditmar Hinz, Charlottenburger Straße 18 in 14193 Berlin, Telefon/Fax 030 / 8259326.)

Von einer Heimatreise kam jetzt Herr Klaus Schützler aus Malente zurück. Zusammen mit seinen Geschwistern Hans-Walter und Ingrid war er in seiner Geburtsstadt Memel gewesen. Dort hat die Familie des Kreisveterinärdirektors Dr. W. Schützler bis kurz vor der Flucht in der Altenburgstraße gewohnt. Die Geschwister haben nicht nur die „Trachtentage“ und Baltic Race genossen, sie sind auch auf erneute Spurensuche durch das Memelland gegangen, der Heimat ihrer Vorfahren. Haben an Familiengräbern in Kairinn, Pokallna und Prökuls gestanden und sind auf geschichtlichen Fährten ihrer Salzburger Vorfahren gewandert. Und haben – wohl durch unsere Veröffentlichungen aufmerksam geworden – den historischen Gedenkstein an die Konvention von Tauroggen aufgesucht. Eine taufrische Aufnahme liegt uns nun von diesem Stein vor, der sichtlich gesäubert und mit gut lesbarer Inschrift – wenn auch für deutsche Besucher nicht entzifferbar, da in litauisch und russisch gehalten – einen guten Eindruck macht. Dafür vielen Dank, lieber Herr Schützler.

Ein ganz besonderes Anliegen hat Hans-Dieter Meyer aus Ha-gen, und ich glaube schon, dass einige Leserinnen und Leser es erfüllen können. Es geht um Theater- und Konzertprogramme aus Königsberg und anderen für ihr Kulturleben bekannten Orten Ostpreußens wie Tilsit oder Allenstein, die sich noch im Privatbesitz befinden. Natürlich haben die meisten von uns auf der Flucht nur das Nötigste retten können, aber es sind manchmal auch sehr persönliche Erinnerungen an bestimmte Ereignisse dabei, und das können auch solche Programme sein. Vielleicht hat man selber im Chor gesungen. oder man hörte gerne eine verehrte Sängerin, einen berühmten Pianisten, sah einen beliebten Schauspieler in seiner Glanzrolle und hat deshalb das Programmheft bewahrt. Nun ist es erfreulich, dass sich in den Archivbeständen des Königsberg-Museums in Duisburg und des Westfälischen Musikarchivs Hagen eine größere Zahl von Theater- und Konzertprogrammen aus Ostpreußen befindet. Diese sollen in der nächsten Zeit systematisch erfasst und ausgewertet werden. Dazu wird eine Datenbank erstellt, alle Programme werden gescannt, um dann über das Internet frei zugänglich gemacht zu werden. Kulturelle und wissenschaftliche Institutionen, wie die Goethe-Universität Frankfurt, wollen Einzelstücke aus ihren Sammlungen beisteuern. Nun kommen wir zu dem an uns gerichteten Anliegen von Herrn Hans-Dieter Meyer. Wer noch im Besitz von Programmheften oder Einzelblättern mit Programmhinweisen ist, wird gebeten, diese zur Auswertung zur Verfügung zu stellen. Wenn diese Relikte nicht gestiftet werden sollen, werden sie innerhalb weniger Monate an den Leihgeber zurückgesandt. Herr Meyer bittet, dieses Vorhaben zu unterstützen, und wir schließen uns an, denn alles, was zur Erhaltung und Präsentation ostpreußischer Kulturgeschichte beiträgt, ist auch unser Anliegen. (Hans-Dieter Meyer, In der Welle 58 in 58091 Hagen, Telefon 02331 / 79872 , E-Mail: h-d.meyer@web.de)

Eure Ruth Geede


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