24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
26.09.09 / Schacher in den Ländern / Tauziehen um die Macht in Erfurt und Saarbrücken – Unübersichtliche Lage vor allem in Thüringen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-09 vom 26. September 2009

Schacher in den Ländern
Tauziehen um die Macht in Erfurt und Saarbrücken – Unübersichtliche Lage vor allem in Thüringen

Die Regierungsbildungen in Thüringen und im Saarland sind kompliziert. Trotz an sich deprimierender Ergebnisse ist die SPD in beiden Ländern in der Rolle des Königsmachers. Doch vor der Bundestagswahl will sie Festlegungen vermieden.

Die Frage wer mit wem in Thüringen, dem Saarland und Brandenburg regieren kann und will, bestimmt als letzte Pokerpartie die Zeit vor der Bundestagswahl. Politiker aller Parteien müssen Farbe bekennen: Wie ernst meinen sie es mit dem Auftrag der Wähler. Werden die Kleinsten die Größten, sprich „Königsmacher“ sein, gar Koalitionen der Wahl-Verlierer geschmiedet? Die FDP erklärt jetzt, nur mit der CDU zu wollen. Die Grünen sagen, sie glaubten das nicht und legen sich selbst einseitig auf die SPD fest. Die Linkspartei wiederum sagt in Gestalt von Oskar Lafontaine nein zu Rot-Rot-Grün im Bund. Gespannt schauen die Bürger daher auf die Länder, welche Weichenstellungen dort Rückschlüsse auf den Bund erlauben.

Für die Parteien geht es dabei um die Glaubwürdigkeit in der zentralen Frage der Wahl des Regierungspartners und damit auch um die Chance, wenigstens einen Teil der vor der Wahl verkündeten Ziele verwirklichen zu können. Während in Sachsen Schwarz-Gelb per Koalitionsvertrag besiegelt wurde, ist die Lage an der Saar und in Thüringen festgefahren. „Rasender Stillstand“ herrscht derzeit in Erfurt wie Saarbrücken. Die SPD, trotz Verlusten in der Rolle des Königsmachers, liegt weiter in Verhandlungen sowohl mit der vom Wähler abgestraften CDU als auch dem relativen Gewinner, der Linken.

In Thüringen hat Christoph Matschie nun die Wahl zwischen Feuer und Pfanne: Entweder er geht mit der von Bodo Ramelow geführten Linkspartei und den Grünen unter Katrin Göring-Eckardt eine voraussichtlich höchst experimentelle und somit absehbar nicht auf Dauer ausgelegte Doppel-Ehe ein, oder er entscheidet sich doch für die Einehe aus Vernunft mit der Nach-Althaus-CDU unter Christine Lieberknecht. Ramelows jüngster Flirt-Vorstoß, der Verzicht auf den Ministerpräsidentenposten, hat die Linke-Führung in Berlin als vorzeitiges Zugeständnis verärgert. Dieser Werbungsversuch der rot­haarigen Braut wird das Herz von Matschie kaum erwärmen, er gerät vielmehr unter Druck. Die Avancen zeigen auch, wie sehr der Linken an einer schnellen Regierungsbeteiligung gelegen ist, um die SPD im Bund „in den Hafen der Ehe“ zu zwingen, sich verantwortungswillig zu geben. Die Glaubwürdigkeitsfalle steht bereit. Für Matschie ist die überraschende Hingabe seiner Braut also wenig angenehm. Ihm sitzt der SPD-Linksflügel im Nacken, vor dem er sich verantworten muss, sollte er Rot-Rot-Grün allzu leichtfertig scheitern lassen. Mit „wir hätten ja gewollt“, könnte sich die verschmähte Linke dann aus der Affäre ziehen. Hinter den Kulissen der Koalitionsgespräche strebt Ramelow die Kontrolle über das Land mittels eines auf ihn zugeschnittenen Superministerposten an. In die Erfurter Pokerpartie eingeweihte Kreise glauben daher an ein Spiel Matschies auf Zeit. Für eine wieder erstarkende CDU den Juniorpartner geben will die SPD jedenfalls nicht, mit der Linken die Verantwortung teilen kann die SPD vor Ende der Bundestagswahl nicht.

Die Glaubwürdigkeit der Partei wäre gewiss enorm strapaziert, wenn Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier „Rot-Rot“ als bundespolitisch untragbar geißeln, während zur selben Zeit auf Landesebene eben solche Bündnisse neu geschlossen werden. Diese Zwangslage macht die SPD bereits erpressbar. Opferverbände prangern zudem an, gerade die Thüringer Linke sei „von der Stasi durchsetzt“. Bodo Ramelow erhöht daher den Druck auf Matschie, indem er den Machthunger der Grünen weckt. Auch „eine starke, kluge Frau“ könne er sich an der Landesspitze vorstellen – das ist eine Steilvorlage für die ehrgeizige Katrin Göring-Eckardt, die als Grüne Spitzenkandidatin allerdings klug genug war, dieses Werben als „absolutes Gerücht“ zumindest ein bisschen zu dementieren. Die SPD will mit Gesine Schwan diese Frau jetzt auch gefunden haben, also sozusagen eine landesfremde „Kupplerin“ für Rot-Rot-Grün, die gar nicht zur Wahl stand – ein bemerkenswerter Hinweis auf das Demokratieverständnis, aber auch die Personalnot der Partei. Dass in Thüringen im rot-rot-grünen Poker um die Macht alles offen ist, aber auch die Große Koalition noch eine Option bleibt, liegt auch an fachlichen Gründen: Nur eine handvoll Kandidaten aus Ramelows Mannschaft verfügt über konkrete Politik- oder Verwaltungserfahrung. Auch das erklärt Ramelows plötzliche Flexibilität. Für linke Bündnisse stellt sich neben der Glaubwürdigkeitsfrage damit auch die nach der technischen Machbarkeit.

Im Saarland stören im linken Lager ähnliche Misstöne. Hier hat die Linke in der Wahl die SPD geschickt mit dem Lafontaine-Bonus ausmanövriert. Die Freude der SPD, als Zünglein an der Waage über die künftigen Geschicke des Landes zu entscheiden, vermag auch an der Saar den Abstieg der Sozialdemokratie von der Volkspartei zum geschrumpften und somit auf Koalitionen angewiesenen Partner kaum zu überstrahlen. Als solcher konkurriert sie jetzt mit FDP und Grünen statt mit der CDU. Obwohl die mit Peter Müller regierungsgewohnte Saar-CDU inhaltlich näher an der SPD ist als manch anderer Landesverband, setzt die SPD offenbar ganz auf Rot-Rot-Grün. Nach  ersten Sondierungen mit Grünen und Linkspartei war jeweils von „großen Übereinstimmungen“ die Rede. Vermutlich soll eine definitive Koalitionsaussage aber erst nach der Bundestagswahl erfolgen, um Union und FDP keine Wahlkampfmunition zu liefern. Sverre Gutschmidt

Foto: Als Bundestagsvizepräsidentin und EKD-Präses hat Katrin Göring-Eckardt innerhalb der Grünen eine Sonderstellung. Als versierte Machtpolitikerin hat sie kaum dementiert, wie sie nun als Kompromisskandidatin an der Spitze einer rot-rot-grünen Landesregierung in Erfurt ins Spiel gebracht wurde.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren