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26.09.09 / Polemik gegen eine sinnvolle Reform / Barack Obama will verhindern, dass Millionen US-Bürgern im Krankheitsfall die Verelendung droht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-09 vom 26. September 2009

Polemik gegen eine sinnvolle Reform
Barack Obama will verhindern, dass Millionen US-Bürgern im Krankheitsfall die Verelendung droht

Das überaus lückenhafte Krankenversicherungssystem gehört zu den größsten sozialen Problemen der USA. Präsident Obama will es endlich lösen, muss sich dabei aber gegen heftige Widerstände durchsetzen. Nun haben seine Kritiker den Bogen überspannt, die seit vielen Jahren erfolglos versuchte Mammut-Reform scheint durchsetzbar.

Über 30 Millionen US.-Amerikaner sind nicht krankenversichert, der Rest zum Teil nur ungenügend. Doch die Debatte um eines der dringendsten Probleme der USA, die Reform des Gesundheitswesens, gleicht keinem konstruktiven Meinungsaustausch mehr. Der Streit, der seit Monaten die Schlagzeilen und die Talkshows beherrscht, ist zu einer Schlammschlacht ausgeartet, die nahezu die Grenzen der Demokratie überschreitet. Sogenannte Town-Hall-Meetings, Versammlungen in Stadthallen, wo Präsident Obama und führende Demokraten den Bürgern den sorgfältig erarbeiteten Plan für eine Reform zu erklären versuchten, wurden oftmals von Erzkonservativen Reformngegnern  unterwandert und zu unsäglichen Attacken auf den Präsidenten genutzt. Ihre Anschuldigungen dabei sind bizarr: So sei Obama ein Rassist, der getrennte Staaten plane, weil er die Weißen hasse. Auch wolle er in einem geheimen Coup den Sozialismus einführen und wie Hitler mit einer Art Euthanasie in seiner Gesundheitsreform die Alten umbringen. Durch komplette Lügen und Verdrehungen aufgehetzte Bürger gingen so weit, Waffen und Schilder mit der Aufschrift „Tod für Obama“ auf solche Veranstaltungen mitzubringen. Der Pastor einer großen Gemeinde nutzte die Sonntagspredigt, Gott inständig zu bitten, Obama „zu sich zu nehmen“. Auf die Frage eines Reporters, welchen Tod er denn dem Präsidenten zugedacht hätte, antwortete er zögernd, doch offenbar auf höhere Gerechtigkeit vertrauend: „Einen natürlichen.“ Wenn es nur schnell ginge.

Diese „historische Paranoia in der amerikanischen Politik“, wie der Historiker Richard Hoefstaetter es einmal genannt hat, eskalierte bei einer riesigen Demonstration von Konservativen vor dem Kapitol in Washington, organisiert über Medien und Internet von dem ehemaligen republikanischen Sprecher des Repräsentanten-Hauses Dick Armey, der Obama so hasst, dass man an Klu-Klux-Zeiten erinnert wird. Trommler in historischen Kostümen führten durch die Pennsylvania-Avenue Tausende an, die auf Schildern „Freiheit für Amerika“ forderten, „Ist dies Russland?“ fragten und gegen alles opponierten, was sie mit Obama in Zusammenhang bringen konnten: Pro-Abtreibung, die Rettung der Auto-Industrie, die Eindämmung der Wirtschaftskrise. Und immer wieder den Gesundheitsreform-Plan. „Wenn wir ihn nicht stoppen, werden wir bald sozialistische Verhältnisse haben wie in Europa“, wurde einer zitiert. Zum Helden des Treffens wurde der South-Carolina-Abgeordnete Harry Wilson, der den Präsidenten bei dessen historischer Rede vor dem Kongress zur Gesundheitsreform einen Lügner genannt hatte, weil er heimlich plane, auch illegale Einwanderer zu versichern.

Wären die Protestler nun nur verirrte Bürger und Prediger, von denen das Land ohnehin voll ist, könnte man das alles noch als Hirngespinste abtun. Doch das Umfeld für diese verhetzten Gedankengänge wird bereitet von einer beträchtlichen Zahl erzkonservativer Politiker und ihrer Handlanger, prominenter Funk- und Fernseh-Kommentatoren, die in der Lage sind, schnell große Zahlen von Anhängern zu mobilisieren. „Das kann sein Waterloo werden“, hoffen sie mit Blick auf Obama. Und damit das Waterloo der Demokraten. Denn die Absicht, eine starke konservative Basis bis zur nächsten Wahl aufzubauen, steht hinter all den Absurditäten unter dem Deckmäntelchen des Patriotismus

Doch einige vernünftige Republikaner haben die Sorge, dass die Kampagne gegen Obama zu ihrem eigenen Waterloo werden könnte. Sie stehen Obamas Gesundheitsplänen grundsätzlich gar nicht so ablehnend gegenüber. Sie haben nur die Sorge, dass die Reform zu viel kostet und das Land in eine noch tiefere Finanzkrise stürzen könnte. Dies bestreiten Obamas Experten, die mit einer Straffung der verschwenderischen Bürokratie im Gesundheitswesen und Aufgabe unwirksamer Programme die erforderlichen Milliarden einsparen wollen.

Ein weiterer Streitpunkt ist die sogenannte „Public Option“, eine Art gesetzliche Versicherung für Arme, in der die Republikaner erstens eine Konkurrenz für die allmächtigen privaten Versicherungen sehen und zweitens eine Übernahme des Gesundheitswesens durch die Regierung, was in ihren Augen schon eine Form des Sozialismus darstellt.

Präsident Obama selber tat vor dem Kongress das Parteiengezänk souverän als „großen Zirkus“ ab und fordert, dieses Problem endlich zum Wohl der Bürger gemeinsam zu lösen. Er hat nicht die Absicht, die privaten Versicherungen auszuschalten, will aber sehr wohl deren willkürliches Verhalten gegenüber den Versicherten ändern, da die Unternehmen notwendige, aber teure Behandlungen oft ablehnten und Menschen mit kritischen Gesundheitszustand erst nicht aufnehmen oder herauswerfen. Die besten Experten aus beiden Parteien haben Obama beraten. Danach können auch die privaten Versicherer mehr Geld durch gute Leistungen und mehr Versicherte erwarten. Und soeben hat sich die allmächtige Ärzte-Union, die 60 Jahre lang vehement eine Gesundheitsreform ablehnte und auch die von Präsident Clinton geplante zu Fall brachte, für Obamas Plan entschieden. Weil danach auch die Ärzte für bessere Leistungen und mehr Koordination mehr Geld erwarten können. Ein großer Sieg für den Präsidenten, der auf seinen Versammlungen plötzlich wieder umjubelt wird.      Liselotte Millauer

Foto: Kein Sozialstaat: In dieser Sportarena versorgen US-amerikanische Ärzte unentgeltlich arme Kranke ohne Versicherung.


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