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26.09.09 / Frauen eine Plattform gegeben / Elisabet Boehm gründete den Vorgänger des Landfrauenverbandes – Vor 150 Jahren geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-09 vom 26. September 2009

Frauen eine Plattform gegeben
Elisabet Boehm gründete den Vorgänger des Landfrauenverbandes – Vor 150 Jahren geboren

Anfang September trafen sich die Spitzen der Landfrauenverbände aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und Südtirol zum zweiten Vierländertreffen in diesem Jahr. Die Idee, Frauen auf dem Land eine Plattform zu geben, stammte von der Ostpreußin Elisabet Boehm.

„Wir müssen am Europa der Landfrauen weiter bauen und uns noch besser vernetzen“, betonte die Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbandes (dlv), Brigitte Scherb, anlässlich des Treffens in Singen am Bodensee. Zu den traditionellen Vierländertreffen will man in Zukunft auch EU-Parlamentarierinnen einladen. Die Arbeitstreffen im Rahmen des LandFrauenausschusses von COPA, dem europäischen Bauernverband, sollen durch politische Gespräche auf europäischer Ebene mit Vertreterinnen des EU-Parlaments und europäischen Frauenorganisationen flankiert werden.

Die Angelegenheiten der Frauen in Europa müssen über die berufsständische Vertretung der Bäuerinnen hinaus vorangebracht werden, forderten die Vertreterinnen aller vier Länder. Gerade in den neuen EU-Beitrittsstaaten gebe es Nachholbedarf bei der rechtlichen Gleichstellung und sozialen Sicherung von Frauen in und außerhalb der Landwirtschaft.

Was heute nahezu selbstverständlich ist, dass nämlich Frauen in der Politik ein Wörtchen mitzureden haben, war vor gut 150 Jahren noch unmöglich. Und so hatte Elisabet Boehm einen schweren Stand, wenn sie ihre Meinung sagen wollte. Ihre durch Gespräche mit dem Vater gewonnene Selbstverständlichkeit, sich auch in politische Gespräche der Männer zu mischen, trugen ihr bald den Ruf einer „Emanzipierten“ ein. „Meine Versuche, ernste Unterhaltung – auch mit den Frauen – zu führen, stempelten mich als Blaustrumpf, der wohl von Wirtschaft nichts verstünde“, schrieb sie 1941 in ihren Lebenserinnerungen. „Nein, die Frauen hatten sich um Küche und Kinder zu kümmern, über Dienstboten hatten sie zu reden, aber nicht über Politik.“

Die vor 150 Jahren, am 27. September 1859, als Elisabet Steppuhn auf der Domäne Rastenburg geborene Ostpreußin war eine streitbare Frau. Besonders empörte sie die Tatsache, dass die Stimme der Frauen nicht berücksichtigt wurde, als 1893 der „Bund der Landwirte“ gegründet wurde. Als eines Abends im Freundeskreis das Wort fiel, der Mann ernähre die Frau, gab es eine intensive Diskussion. Am Schluss stand die Erkenntnis im Raum, dass Hausfrauen keinen Beruf hätten. In ihren Erinnerungen stellt sie die selbst für das Jahr 1941 noch provokante Frage: „Wir waren ein Luxusgegenstand unserer Männer?“

„Drei schwerwiegende Gedanken“, erkannte sie schließlich, „waren als Samenkörner in mich gesenkt. Sie wuchsen und nahmen Gestalt an: Zuerst also nachdenken, niemals etwas gedankenlos nachsprechen, und die Dinge so sehen, wie sie sind und nicht, wie sie gesehen wurden von anderen. Und wenn du sie als verbesserungsfähig erkennst, dann greife mutig zu und sei an deiner Stelle ein ,Reformator‘. Das wurde mir zur inneren Pflicht.“

Elisabet Boehm war nicht allein mit ihren Gedanken. Zusammen mit anderen Frauen ihres Kreises gründete sie am 2. Februar 1898 in Rastenburg den landwirtschaftlichen Hausfrauenverein, die Wurzel der Deutschen Landfrauenbewegung, die heute als Deutscher LandFrauenverband bekannt ist und zu einer weltumspannenden Bewegung wurde.

Die Ziele des ersten landwirtschaftlichen Hausfrauenvereins waren: die Kenntnisse der Frauen durch gegenseitige Belehrung zu mehren, Vorträge und Lehrgänge auf allen Gebieten, die Hausfrauen angehen, anzubieten, die Töchter und Hilfskräfte auszubilden, die Erzeugung in Gartenbau und bei der Geflügelzucht bis zur Ausfuhrmöglichkeit zu heben und den Absatz zu erleichtern. Weiter wollte man die Gegensätze zwischen Stadt und Land überbrücken. Vor allem aber strebte man die Anerkennung aller hauswirtschaftlichen Arbeit als Berufsarbeit an.

Mit ihrer Forderung nach einer Berufsausbildung für die Landfrauen war Elisabet Boehm ihrer Zeit voraus. 1912 gründete sie nach dem Vorbild der wirtschaftlichen Frauenschulen von Ida von Kortzfleisch die erste Landwirtschaftliche Frauenschule Metgethen bei Königsberg. Durch die Einrichtung von Verkaufsstellen der Bäuerin (heute als Hofläden eine beliebte Alternative zum Supermarkt) wurde ein wirtschaftliches Standbein geschaffen.

So selbstverständlich sich die Forderungen heute anhören, so „revolutionär“ waren sie vor gut 100 Jahren. Unzählige Hindernisse – auch in den eigenen Reihen – mussten beseitigt werden, bis das Zeichen der Biene, das Logo der Landfrauen, ein Zeichen für Qualität war und anerkannt wurde.

Elisabet Boehm starb am 30. Mai 1943 in Halle, wohin sie 1925 gezogen war. Am alten Gutshaus in Lamgarben, Kreis Rastenburg, wurde 1998 eine zweisprachige Gedenktafel enthüllt, gestiftet vom Niedersächsischen Landfrauenverband. Sie erinnert an Elisabet Boehm, die dort von 1880 bis 1911 lebte und wirkte. Ihr Gedanke wird auch in Ostpreußen lebendig gehalten durch die Arbeit des Ermländisch-Masurischen Verbandes deutschstämmiger Landfrauen, die unter anderem Urlaub auf dem Bauernhof anbieten.

Der Deutsche LandFrauenverband mit etwa 550000 Mitgliedern in mehr als 12000 Ortsvereinen, darunter nicht nur Bäuerinnen, sondern allgemein Frauen aus dem ländlichen Raum, ist aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken.  Silke Osman

Foto: Vielfältiges Angebot: Im Hofladen, einst von Elisabet Boehm (kleines Bild links) ins Leben gerufen, findet der Verbraucher frische Ware direkt vom Erzeuger.


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