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03.10.09 / Eine neue Weltregierung? / Der G20-Gipfel hat sich selber zum globalen Lenkungsgremium aufgewertet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-09 vom 03. Oktober 2009

Eine neue Weltregierung?
Der G20-Gipfel hat sich selber zum globalen Lenkungsgremium aufgewertet

Ein neues globales Gipfel-Gremium hat sich etabliert: G20. Dahinter steckt offenbar mehr als nur der Versuch, die Finanz- und Wirtschaftskrise zu bewältigen – eine neue Weltregierung?

Die Verschwörungstheoretiker haben es ja schon immer gewußt: Wir alle, in West und Ost, in Nord und Süd, werden in Wahrheit nicht von unseren nationalen Regierungen regiert, sondern von ano­nymen Mächten, die im Hintergrund die Fäden ziehen, die alles steuern und beherrschen. Eine (un)heimliche Weltregierung nach dem Prinzip: Wer zahlt, schafft an – Geld beherrscht die Welt.

An einer Frage freilich scheiden sich die Geister, die oft eher Ungeister sind: In wessen Händen befinden sich Geld und Macht? Mal ist es „das Weltjudentum“, mal „die Hochfinanz der US-Ostküste“, mal „die Queen“ und mal „die kleinen grünen Männchen vom Mars“. Seit einigen Tagen nun ist der Kreis der „üblichen Verdächtigen“ um eine interessante Variante bereichert. Zunächst war es Londons Immer-noch-Premier Gordon Brown, der die Gipfelrunde der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, seit Spätherbst 2008 bekannt als G20, zu einer Art Weltregierung machen wollte, deren Kompetenzen weit über die Bewältigung aktueller Krisen hinausgehen soll. Ihm schwebe, so Brown gegenüber der „Welt“, ein „neuer Weg, die Weltwirtschaft global zu regieren“, vor. Schnell machte die Idee im internationalen Blätterwald die Runde. Als die Staats- und Regierungschefs der führenden Wirtschafts- und Schwellenländer sich am 24. und 25. September im amerikanischen Pittsburgh trafen, stand sie bereits unausgesprochen mit auf der Tagesordnung. Und am Ende zählte zu den bemerkenswertesten Ergebnissen des G20-Gipfels der Beschluss, sich selber als Nachfolger der Gruppe der sieben führenden westlichen Wirtschafts­mächte sowie Ruß­lands (G8) zum globalen wirtschafts- und finanzpolitischen Lenkungsgremium zu machen. Damit war der Begriff „Weltwirtdschaftsregierung“ offziell in die internationale Kommunique- und Verlautbarungssprache eingeführt – von da bis zur „Weltregierung“ ist es nur noch ein kleiner Schritt.

Die Aufwertung der G20 dürfte mittel- und langfristig auch die Position der Vereinten Nationen tangieren. Vor allem der Weltsicherheitsrat kann sich auf eine weitere Abwertung einstellen. Hier rächt sich nach Ansicht vieler Beobachter, dass es der so genannten Weltgemeinschaft nicht gelungen ist, ihre Organisations- und Entscheidungsstrukturen rechtzeitig zu reformieren und den geänderten globalen Machtverhältnissen anzupassen. So gerät der „Papiertiger vom East River“ durch die Stärkung der G20 womöglich in eine Existenzkrise.

Die Mitglieder der G20 – 19 Staaten, darunter aus Europa Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien, sowie die EU – repräsentieren 65 Prozent der Weltbewölkerung, aber 88 Prozent des weltweit erarbeiteten Bruttoinlandprodukts (BIP). Die zunehmende weltwirtschaftliche Bedeutung des ostasiatischen und pazifischen Raums dokumentiert sich in der Teilnahme Chinas, Japans, Indiens, Südkoreas, Indonesiens und Australiens. Brasilien, Argentinien und Mexiko vertreten Lateinamerika, der „Schwarze Kontinent“ ist mit Südafrika eher unterrepräsentiert. USA, Kanada, Saudi-Arabien und die Türkei komplettieren die Runde. In Pittsburgh durften aber auch Spanien, Niederlande sowie die Vertreter elf weiterer internationaler Organisationen (neben Vollmitglied EU) mit am Tisch sitzen. Verstimmung gab es in der Schweiz, die als einer der wichtigsten Finanzplätze einen Sitz in der G20 für angemessen hält, aber im Zuge der Auseinandersetzungen über sogenannte Steueroasen bis auf weiteres ausgeschlossen wurde. Es war dies wohl der letzte „Erfolg“ des nunmehr abgewählten Bundesfinanzministers Peer Steinbrück.       Hans-Jürgen Mahlitz

Foto: Das Treffen der G20: Der Ruf des britischen Premiers Brown, die G20 zu einer „Weltwirtschaftsregierung“ auszubauen, hat alten  Geschichten und Gerüchten um eine omnipräsente „Weltregierung“ neue Nahrung gegeben.

 

Zeitzeugen

Gordon Brown – Der 1951 im schottischen Glasgow geborene Politiker ist seit zwei Jahren Premierminister des Vereinigten Königreichs  und Vorsitzender der Labour Party. Seine Amtszeit stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Seine Partei manövrierte er in ein  Stimmungstief. Dass er die 2010 anstehenden Neuwahlen als Premier überstehen wird, gilt als ausgeschlossen. Doch versteht er es immer wieder, durch internationale Auftritte die Schwäche im eigenen Land vergessen zu machen. Nach Pittsburgh zum G20-Gipfel reiste er – wie „The Telegraph“ spottete – mit dem bescheidenen Arbeitsprogramm an: „Erstens, den Planeten retten, zweitens, die Weltwirtschaft retten.“ So verwundert es nicht, dass ausgerechnet von ihm der Vorschlag kam, die G20 zur „Weltregierung“ aufzuwerten.

 

Barack Obama – Der 1961 in Honolulu/Hawaii geborene Amerikaner wurde Ende 2008 als erster Farbiger zum Präsidenten der USA gewählt. Die globale Finanzkrise, die wenige Monate vor seinem Amtsantritt von den USA ausgegangen war, stellte die erste große Herausforderung für ihn dar. Dabei zeigte sich, dass er sich, was die Priorität amerikanischer Eigeninteressen betrifft, kaum von seinen Vorgängern unterscheidet. So versuchte er schon im Vorfeld des G20-Treffens in Pittsburgh, die vor allem von den Europäern geforderten strengen Reglementierungen des Bankensektors aufzuweichen und stattdessen die für Amerika ungünstigen Ungleichgewichte bei den Handelsbilanzen zu thematisieren. Die Unverbindlichkeit der Beschlüsse von Pittsburgh war auch ein Resultat dieser Politik Obamas.

 

Nicolas Sarkozy – Der 1955 in Paris geborene konservative Politiker ist seit zwei Jahren Präsident der Französischen Republik. Er kann als Verlierer des Gipfels von Pittsburgh gelten. Seine weitreichenden Forderungen zur Begrenzung der Bankerboni hatte er mit der Drohung untermauert, im Falle des Scheitern vorzeitig abzureisen. Geblieben ist er dennoch bis zum Ende – der abschließende Fototermin war ihm wohl doch zu wichtig.

 

Angela Merkel – Die 1954 in Hamburg geborene, in der DDR aufgewachsene CDU-Politikerin, soeben als Bundeskanzlerin für vier weitere Jahre bestätigt, konnte den G20-Gipfel zwar nicht zu konkreteren Beschlüssen bewegen. Immerhin aber gab sie, zwei Tage vor der Wahl, noch einmal eine Kostprobe ihres zweifellos beeindruckenden Auftretens auf internationalem Parkett.


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