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© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-09 vom 03. Oktober 2009
Kommunen in der Klemme In vielen Kommunen schrillen die Alarmglocken: Die Finanzkrise trifft jetzt auch die Städte mit überraschender Wucht – hauptsächlich über die Gewerbesteuer. Die Einnahmen aus dieser wichtigsten kommunalen Einnahmequelle sind fast überall eingebrochen. Auch die Hilfen aus dem Konjunkturpaket können den Absturz kaum abfedern. Im ersten Quartal dieses Jahres waren es für alle Kommunen schon 9,6 Prozent Einbußen bei der Gewerbesteuer, im zweiten sogar 21,9 Prozent. Insgesamt 77 Milliarden Euro Einnahmen standen den auf 81,2 Milliarden Euro gestiegenen Ausgaben gegenüber. Damit fehlen den Kommunen im ersten Halbjahr 4,2 Milliarden Euro – nach einem Überschuss von 2,9 Milliarden Euro im selben Zeitraum 2008. Weil Unternehmen wegen der Krise Rückgänge bei Umsatz und Gewinn verzeichnen, kürzen sie Steuervorauszahlungen für 2009 und stellen Rückforderungen in Millionenhöhe für zu viel gezahlte Steuern 2008. Die Gewerbesteuer wird oft mit Verzögerung gezahlt, darum rechnen viele Städte 2010 mit weiteren Einbrüchen. Auch andere Einnahmen wie der Anteil an der Einkommensteuer gingen zurück, während die Ausgaben für Sozialleistungen sowie die Personalausgaben stiegen. „Katastrophal“ sei die Entwicklung, so Gerd Landsberg, Verbandschef beim Städte- und Gemeindebund. „Alle Ausgaben müssen auf den Prüfstand. Kürzungen werden unvermeidlich sein.“ Und er hofft: Es sei doch mindestens ebenso wichtig, die Kommunen zu retten wie die Banken. Landsberg fordert, die Gewerbesteuerumlage zu Gunsten der Städte zu senken. Der Hauptgeschäftsführer des Städtetages, Stephan Articus, sprach sich zudem für eine Entlastung bei den Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose aus. Laut Städtetag sind die Kassenkredite, mit denen Kommunen laufende Ausgaben finanzieren, auf den Rekordwert von 32,6 Milliarden Euro geklettert. Nach einer Umfrage erwarten die 20 größten Städte bei der Gewerbesteuer 2009 einen Einbruch. Dabei stellt sich die Lage allerdings sehr unterschiedlich dar. Hannover erwartet einen Rückgang um 152 Millionen Euro (-30 Prozent), München um 400 Millionen Euro (-24 Prozent). Der Stadtstaat Bremen sowie Frankfurt rechnen mit einem Minus von 40, Duisburg mit 30, Dresden mit 20, Hamburg mit 13, Köln mit 7 Prozent bei der Gewerbesteuer. Die Großstädte können damit umgehen, schwieriger haben es die kleinen. Allein die baden-württembergischen Städte Sindelfingen und Esslingen müssen zusammen Steuern von rund 60 Millionen Euro zurückzahlen. Mit 59,7 Prozent oder 42 Millionen Euro weniger Gewerbesteuer ist das bayerische Coburg trauriger Spitzenreiter, auch wenn die Stadt durch zwei große Gewerbesteuerzahler in den letzten Jahren Rücklagen von 125 Millionen Euro bilden konnte. Dabei schrillt die Alarmglocke der Kommunen schon zum zweiten Mal in diesem Jahrzehnt: Die rot-grüne Bundesregierung hatte es ganz ohne Weltwirtschaftskrise geschafft, die Gemeindefinanzen zu ruinieren. Durch neue Gesetze, eine vermurkste Steuerreform und die Anhebung der Gewerbesteuerumlage zu Gunsten von Bund und Ländern sanken die Einnahmen. Immer mehr Unternehmen verabschiedeten sich aus dem Kreis der Gewerbesteuerzahler. Besonders die Gewerbesteuereinkünfte fielen allein von 2000 bis 2003 um 4,8 Milliarden Euro. Im schlimmsten Jahr 2001 mussten einige Städte und Gemeinden Verluste von bis zu 60 Prozent hinnehmen. Mit der Rekord-Arbeitslosigkeit unter Kanzler Schröder stiegen zugleich die Sozialhilfeausgaben der Kommunen (2000 bis 2003 von 26,6 auf 29,4 Milliarden Euro) und sank deren Einkommensteueranteil (2000 bis 2003 um fast eine Milliarde Euro). Aus einem Überschuss aller deutschen Kommunen von 1,9 Milliarden Euro im Jahr 2000 entstand 2003 ein Defizit von fast zehn Milliarden Euro. Ihre Schulden beliefen sich auf fast 100 Milliarden Euro, ihre Kassenkredite hatten sich seit 1998 verdreifacht. Die wichtigen kommunalen Investitionen erreichten ein Nachkriegstief. Erst Ende 2003 wurde die Gewerbesteuerumlage auf Drängen von Union und Kommunen wieder gesenkt, wodurch sich die Situation etwas entspannte. Dazu trug auch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe bei. Nach dem Regierungswechsel von 2005 verbesserte sich die Finanzsituation in den Städten deutlich, in den letzten Jahren waren die Einnahmen sogar außergewöhnlich hoch. Auch wenn die Kommunen vermutlich etwas lauter als nötig schreien – erwirtschafteten sie doch in den letzten drei Jahren 18,9 Milliarden Euro Überschüsse – offenbart sich ein grundsätzliches Problem: die Konjunkturabhängigkeit der Gewerbesteuer. Für eine Reform gibt es zwei Lösungen. Die Wirtschaft plädiert für eine Abschaffung und einen Kommunalzuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer, Städte und Gemeinden verlangten eine Ausweitung, um sie insgesamt stabiler und verlässlicher zu machen. Besteuert werden soll danach die objektive Ertragskraft eines Betriebs, nicht der Gewinn. Also müssten auch Firmen, die Verluste machen, die Abgabe zahlen. Andererseits nutzt das Unternehmen die kommunale Infrastruktur auch unabhängig von der finanziellen Situation. Man darf gespannt sein, wie dieser Gordische Knoten durchschlagen wird. Andreas v. Delhaes Foto: Klaffende Löcher: In den Straßen der Gemeinden spiegelt sich die Kassenlage wider. |
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