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03.10.09 / Zwischen Himmel und Hölle / Kostbare Kunst des Spätmittelalters wird in Hamburg präsentiert – Existenzielle Fragen thematisiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-09 vom 03. Oktober 2009

Zwischen Himmel und Hölle
Kostbare Kunst des Spätmittelalters wird in Hamburg präsentiert – Existenzielle Fragen thematisiert

Mit den letzten Fragen des menschlichen Daseins beschäftigt sich eine Ausstellung im Bucerius Kunst Forum. Ausgewählte Exponate aus dem Freiburger Augustiner Museum sind zu Gast in der Hansestadt und zeigen die hohe Kunst des Spätmittelalters.

Der Mensch zwischen Himmel und Hölle, zwischen Erlösung und Verdammnis, Sünde und Vergebung, ewiger Todesqual und ewigem Leben – das sind eigentlich die zentralen Themen der Kirche und auch des Menschen. Denn wer wollte nicht wissen, wo die Reise des Lebens hingeht? Doch warum hört der aufmerksame und regelmäßige Gottesdienstbesucher heutzutage wenig bis gar nichts davon in den Kirchen? 

Offenbar war das in der Blütezeit der Kirche im hohen Mittelalter anders. Die Bilder der Ausstellung „Zwischen Himmel und Hölle“ im Hamburger Bucerius Kunst Forum thematisieren genau diese so genannten „letzten Fragen“ des menschlichen Daseins. Da das Freiburger Augustiner Museum derzeit umgebaut wird, nutzte man die Gelegenheit, 90 der kostbaren Schätze nach Hamburg auszuleihen. Die Kunstwerke präsentieren sich, zum Teil frisch restauriert, in prächtigem Zustand; darunter beispielsweise alte Kirchenfenster, die so schön leuchten wie wohl am ersten Tag ihres Einbaus in das Freiburger Münster – vor über 600 Jahren. Bewusst ist dabei den Ausstellungsmachern rund um den Kurator Michael Philipp, dass diese Ausstellung in der protestantisch beziehungsweise säkular geprägten Hansestadt ein Risiko ist. Die Verehrung der Gottesmutter Maria, der in der Ausstellung ein eigener Raum gewidmet ist, gilt in Hamburg seit der Reformationszeit als wenig christlich. Eingängiger dürften dagegen die Darstellungen der Stationen der Passion Jesu, von Kreuzigung und Auferstehung des Gottessohnes sein.

Der Betrachter dieser christlichen Bilder, Skulpturen, Kirchenfenster oder Wandteppiche fragt sich unwillkürlich: Steht die mittelalterliche Sicht des Menschen tatsächlich im Kontrast zur heutigen Erfahrungswelt des säkularen Menschen, wie der Kurator Michael Philipp einleitend erläuterte? Hat der Säkularismus des 21. Jahrhunderts die Menschen so fest im Griff, dass die biblischen Bilder und Themen nur noch psychologisierend oder kunsthistorisch verstanden werden können? Das ist bei dem Thema „Gut und Böse“ kaum vorstellbar. Vor allen Dingen der spätmittelalterliche Maler Hans Baldung (genannt Grien, 1484/85–1545) hat diese Thematik gezeichnet und gemalt. Eingängig und drastisch versteht er die Themen von Gewalt, Unkeuschheit, Diebstahl, Lüge oder Missachtung des Sonntags mit wenigen Federstrichen darzustellen. Warum Jesus für die Sünden der Menschheit leiden musste, versteht man bei diesen Bildern sofort. Genau dies versucht eine Chris-tusskulptur aus dem 12. Jahrhundert oder noch mehr das Bild des so genannten Schmerzensmannes aus dem 16. Jahrhundert zu vermitteln – zwar nicht direkt, aber doch bei der Person hinter der Skulptur könnte der Betrachter Hilfe finden, bei dem „Urbild vom Bild“, wie der vorzügliche Ausstellungskatalog vermerkt.

Als prägende Figur der oberrheinischen Malerei seiner Zeit wirkte Baldung Grien überwiegend in Straßburg, war aber auch in Freiburg tätig. Seine wirklichkeitsnahe Gestaltung erfasst menschliche Charaktere, auch in ihren dunklen Seiten; sie drückt leidenschaftliche Emotionen aus. Dabei entwickelte er selbst bei traditionellen Themen kühne Bildfindungen, effektsteigernde Verzerrungen und eine expressive Farbigkeit wie in seinem Gemälde vom Schmerzensmann, der von Maria und Engeln beweint wird. 

Dem eigentlichen Thema der Ausstellung – Zwischen Himmel und Hölle – kommt der Besucher erst im Obergeschoss richtig auf die Spur. Auf einer Altarrückwand ist Christus beim Jüngsten Gericht zu sehen, zu seiner Rechten die Apostel, die Gottesmutter Maria, Engel und die Geretteten, zu seiner Linken der Teufel, Dämonen und die Verdammten, die mit ihren Sünden weiter gequält werden. So muss ein „Fresser“ ständig einen ganzen Napf voll Würmer essen und eine „Eitle“ die Fratze ihres eigenen Gesichtes anschauen.

Der Kurator bedauerte, dass man für diese Exponate keine „sakralen Räume“ hätte. Vielleicht ist aber genau dies eine Chance für die Besucher. Wenn in Kirchen die Thematik „zwischen Himmel und Hölle“ verschwiegen wird, dann sind heute vielleicht die Kunstforen die besseren Orte für diese existentiellen Fragen.    Hinrich E. Bues

Die Ausstellung im Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 2, Hamburg, ist bis zum 10. Januar 2010 täglich (auch montags) von 11 bis 19 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr zu sehen, Eintritt 8/5 Euro.

Foto: Hans Baldung Grien: Schmerzensmann, von Maria und Engeln beweint (1513, Augustiner Museum Freiburg)


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