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03.10.09 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-09 vom 03. Oktober 2009

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

der Sommer meinte es noch einmal gut, als er zum Abschied ein paar herrliche Sonnentage spendierte. Und damit das Treffen der „Königsberger Kinder“ im Ostheim in Bad Pyrmont vergoldete und so spürbar zu seinem Gelingen beitrug. Wie ich selber feststellen konnte, denn ich hatte mich dazugesellt, um von ihren Problemen zu erfahren. Denn wenn sie auch schon längst die Kinderschuhe ausgetreten haben, sind die Druckstellen auch nach einem halben Jahrhundert spürbar. Wie Rosemarie Mueller, die heute in den USA lebt und nur in Gedanken an diesem Treffen teilnehmen konnte, in ihrem in englischer Sprache erschienenen Buch „Are We Russian Children Now?“ schreibt: „Nach Meinung vieler Erwachsener sind wir Kinder, die den Krieg und seine Nachwirkungen überlebt hatten, gut mit den Entbehrungen und Gräueltaten des Krieges fertig geworden. Wirklich? Ich leide immer noch unter Angstträumen, und schweißgebadete Nächte sind Teil meines Lebens. Ich behielt viele meiner schmerzlichsten Erinnerungen für mich und blieb eine sehr junge, stumme Augenzeugin.“ Sie war bei Kriegsende erst sechs Jahre alt gewesen, wie manche der rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an diesem zwanglosen Treffen, das von allen gemeinsam gestaltet wurde, weil es dem Gespräch und dem gegenseitigen Austausch der Erfahrungen und Empfindungen dienen sollte. Den Stein ins Rollen hatten Frau Hannelore Neumann, Karben, und Frau Helga van de Loo, Bonn, gebracht, die für ihre Initiative und die Realisierung des Vorhabens den herzlichen Dank der Teilnehmenden ernten konnten. Und man konnte es spüren: Einem Menschen, der das Gleiche erlitten hatte wie man selber, öffnet man sich leichter, wenn auch manchmal nur einen Spalt breit. So wie Frau Hannelore Neumann erklärte: „Erst jetzt im Alter sind wir in der Lage, darüber zu sprechen, uns über diese schreck­lichen Ereignisse auszutauschen, den Druck von unseren Seelen zu lösen, zu mindestens aber zu lindern.“ Die Zwanglosigkeit dieses Treffens tat ein Übriges, man merkte es an den immer lockerer werdenden Gesprächen. Erfreulich ist für mich und damit die „Ostpreußische Familie“, dass sich einige Teilnehmerinnen aufgrund der Veröffentlichung in unserer Kolumne gemeldet hatten. Darunter auch zwei Freundinnen, die während des Russeneinfalls getrennt wurden, jede auf ihre Weise Furchtbares erlebte und überlebte, und sich durch unsere Ostpreußische Familie wieder gefunden hatten. Andere wären gerne dabei gewesen, konnten aber aus verschiedenen Gründen nicht kommen, sandten aber Grußworte oder Schilderungen ihres Schicksals. Am Ende der „Königsberger Kindertage“ stand dann die Frage: Was hat mir das Treffen vermittelt, was konnte ich mit nach Hause nehmen? Vielleicht ergeben sich die Antworten aus weiteren Gesprächen. Denn alle Teilnehmer äußerten den Wunsch, in Verbindung zu bleiben und hoffen auf weitere Zusammenkünfte

Wie immer und erst recht bei solch einem Treffen kommen die ungelösten Schicksalsfragen auf den Plan. Ich brachte den in der letzten „Familien“-Folge veröffentlichten Suchwunsch von Herrn Heiko Mende vor, der für seine Mutter, die als Brigitte Henseleit in Königsberg geboren wurde, nach deren – angeblich sieben – Geschwistern und anderen Familienangehörigen sucht. Als etwa Dreijährige war sie in das Waisenhaus Ponarth gekommen, das zu den schlimmsten der Region gehörte. Das bestätigten auch einige Teilnehmerinnen, die ebenfalls in Ponarth gewesen waren. Zu diesem Fall: Ich konnte in Folge 39 nur die E-Mail-Adresse von Herrn Mende angeben, inzwischen habe ich die volle Adresse und auch die Genehmigung, diese zu veröffentlichen: Heiko Mende, Vetschauer Straße 44 in 01237 Dresden, Telefon (0351) 2769028.

In Ponarth enden auch die letzten Lebenszeichen der kleinen Schwester von Ingrid Heisler, geborene Philipp. Die Familie stammte aus Metgethen. Rosemarie Philipp, * 29. Mai 1941, war zuvor im Kinderlager Juditten gewesen. Die Schwestern hatten zum letzten Mal im August 1947 Kontakt, dann riss die Verbindung ab. Seitdem ist nichts über das Schick­sal des damals sechsjährigen blonden Mädchens bekannt. Diese Frage ist telefonisch an Frau Helga van de Loo herangetragen worden wie auch eine weitere, die von Frau Brunhilde Szeles geborene Danneberg gestellt wird. Sie betrifft deren jüngere Schwester Eri­ka Danneberg, * 29. Mai 1941. Im Februar 1945 wurde die Familie auf ihrem in Nedau, Kreis Labiau gelegenen Hof brutal von den Russen überfallen. Dabei wurde Erika von ihren Angehörigen getrennt und wird seitdem vermisst. Vielleicht können ehemalige Nachbarn etwas über das Schicksal des damals vierjährigen blonden Mädchens aussagen?

Etwas genauere Angaben können Erika Köck und Rosemarie Schaefer zu ihrem Suchwunsch machen. Die beiden aus Lindenau im Samland stammenden Schwestern waren im Juli 1945 von Frau Marianne Fürstenau aus Rauschen aufgenommen worden, die aufopferungsvoll für die beiden Mädchen sorgte. In dem furchtbaren Winter 1945/47 fand Frau Fürstenau die 13-jährige Waltraud Blum aus Königsberg, die sich in einer Scheune verkrochen hatte. Das Mädchen wollte Verwandte in Neukuhren aufsuchen, konnte aber wegen seiner erfrorenen Füße nicht mehr laufen. Frau Fürstenberg nahm das Kind mit nach Hause und päppelte es wieder auf. Waltraud wollte der Frau danken, die sie gerettet hatte, indem sie heimlich Wäschestücke von der Leine nahm, die anderen noch dagebliebenen Deutschen gehörten. Sie wollte diese auf dem Markt verkaufen. Dabei wurde sie entdeckt und lief aus Angst vor einer Bestrafung fort. Seitdem wurde sie nicht mehr gesehen. Was wohl aus Waltraud Blum geworden ist? So fragen sich die Schwestern und geben den Suchwunsch an unsere Familie weiter. (Erika Köck / Rosemarie Schäfer, Pfirsichweg 1 in 12524 Berlin, Telefon 030/6731422.)

Immer wieder erregen die ostpreußischen Jostenbänder Aufmerksamkeit durch ihre wunderschönen Muster und leuchtenden Farben. Sie werden nicht nur an der Kleidung getragen, sondern zieren auch Taschen und schmücken Tische. Die ganze Vielfalt dieser gewebten Bänder will Frau Hildegund Hergenhan in einem Buch herausstellen, wie uns Frau Dagmar Adomeit mitteilt, und dafür die Hilfe unserer Ostpreußischen Familie erbitten. In Heimatstuben und in privaten Sammlungen dürften noch Jostenbänder vorhanden sein, aber auch in Familienbesitz könnten sich welche befinden. Frau Bergenhan ist besonders an unbekannten Mustern interessiert, um auch über Herkunft und Verwendung der Bänder umfassend berichten zu können. Über jeden „Fund“ würden sich die Suchenden freuen. (Zuschriften bitte an Hildegund Hergenhan, Starnberger Straße 63 A in 24146 Kiel, Telefon 0431/781429, oder Frau Dagmar Adomeit, Wassertor 6 in 35066 Frankenberg, Telefon 06451/21164.)

Also, langsam wird es mir unheimlich. Da habe ich – nicht zuletzt durch das Buch „Die Heimat nehmen wir mit“ von George Turner ausgelöst, das viele Salzburger Familien auflistet – Spuren zu meinen Vorfahren gefunden, entdecke dazu in nicht wenigen Briefen Namen von Menschen, die irgendwann und irgendwo meinen langen Lebensweg kreuzten, da springt mich aus dem Schreiben von Herrn Assessor jur. Michael Wiesemann aus Hitzacker wieder ein Name an, der in unseren Familienpapieren verzeichnet ist. Allerdings nicht als Verwandter irgendwelchen Grades, sondern als Trauzeuge! Der Kaufmann Carl Wiesemann aus Stallupönen hat nämlich meinen Eltern beigestanden, als sie 1903 die Ehe schlossen. Nun merkt man sich ja gewöhnlich nicht die Trauzeugen der Eltern, aber bei mir prägte sich der Name deshalb ein, weil auch einer meiner Trauzeugen so hieß. Der war allerdings Hamburger und hatte mit der ostpreußischen Familie, die aus dem Salzburgischen stammt, nichts zu tun. Es gibt nämlich allein in der Bundesrepublik über 1700 „Wiesemänner“, wie der Jurist aus Hitzacker festgestellt hat, aber wir können die Gesuchten einkreisen: am und um den Stallupöner Markt! Michael Wiesemann ist nämlich der Enkel des Kaufmanns Carl Wiesemann, dessen Geburts- und Heiratsdaten nicht bekannt sind. Er benötigt diese aber für seine Salzburger Forschung, denn ein Urahn ist wahrscheinlich aus Südtirol von einem der beiden Wiesemannhöfe nach Salzburg eingewandert und von dort nach Preußen gezogen. Für die Forschung in den Salzburger und Innsbrucker Archiven muss er aber die Linie ab 1907 rück­wärts nachweisen können. In den Zentralarchiven in Berlin und Leipzig kommt er nicht weiter, die Aufzeichnungen enden dort im 19. Jahrhundert. Seinen Vater konnte er leider nie fragen, denn der Frauenarzt Dr. med. Hans Wiesemann ist seit Oktober 1944 vermisst, er blieb im Budapester Kessel.

Carl Wiesemann müsste um 1880 geboren sein und hat wohl Anfang des 20. Jahrhunderts geheiratet. Er besaß damals in der Goldaper Straße 25 (später Nr. 4) ein Geschäftsgrundstück und betrieb dort eine Pferdeausspannstation mit zugehörigem Handel. Das Geschäft wurde dann von seinen Söhnen Karl (Geburtsdatum unbekannt) und Fritz, * 1909, übernommen, die es als Fachgeschäft für Tuche und Stoffe weiterführten. Karl Wiesemann verstarb 1954 in Wittenberge/damals DDR. Sein Bruder Fritz war mit Maria Adelheit Jednat verheiratet, deren Familie das gegenüber gelegene Baugeschäft gehörte. Anlieger des atriumartig, in einem großen Innenhof gebauten Wiesemann-Hauses waren die Familien Schweighöfer und Lösment. Herr Michael Wiesemann würde sich freuen, wenn er über Ratschläge zur Familienforschung hinaus auch alte Fotos oder Postkarten von der Goldaper Straße, auf denen das großväterliche Geschäft zu sehen ist, bekäme. Erschwerend kommt allerdings hinzu, dass es noch einen weiteren Kaufmann Wiesemann in Stallupönen gab, der am Markt einen Stahl- und Baustoffhandel hatte. Verwandtschaft soll nicht unmittelbar bestanden haben. Leider hat Michael Wiesemann zu dieser Familie keinen Kontakt, weiß auch nichts über deren Verbleib. (Assessor jur. Michael Wiesemann, Schulweg 8 in 29456 Hitzacker)

Eure Ruth Geede

Foto: Gruppenbild mit Ruth Geede: Die Teilnehmenden des Treffens der „Königsberger Kinder“ im Garten des Ostheims in Bad Pyrmont


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