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03.10.09 / Zeichen der Unmenschlichkeit / Der Bau der Mauer und warum niemand etwas dagegen unternahm

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-09 vom 03. Oktober 2009

Zeichen der Unmenschlichkeit
Der Bau der Mauer und warum niemand etwas dagegen unternahm

„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“, ließ der damalige Staatsratsvorsitzende der DDR, Walter Ulbricht, noch am 16. Juni 1961 auf einer Pressekonferenz verlauten. Keine zwei Monate später begannen die Streitkräfte der DDR, die Grenze zwischen Ost- und West-Berlin abzuriegeln und Sperranlagen zu errichten. Fast 30 Jahre spaltete der „antifaschistische Schutzwall“ ein Land, zerriss Familien und kostete hunderte Menschen das Leben beim Versuch, ihn zu überwinden.

Pünktlich zum 20. Jahrestag des Mauerfalls erscheint Frederick Taylors „Die Mauer“ in deutscher Übersetzung. Darin nimmt der britische Publizist und Historiker die Geschichte dieses Bauwerks unter die Lupe, das nicht nur Symbol für die Spaltung Deutschlands nach dem verlorenen Krieg, sondern auch ein Zeichen der Unmenschlichkeit war.

Taylor beschreibt aus der Sicht der Alliierten die Interessenlage aus Kaltem Krieg und realpolitischem Kalkül. Keine Besatzungsmacht wollte einen Krieg anzetteln, um die administrative Teilung Berlins aufzuheben. Die Franzosen hatten sich in Algerien verkalkuliert. Die Briten kämpften mit einer schweren Wirtschaftskrise und bangten um ihr Commonwealth. Die US-Amerikaner wollten sich mit ihren Truppen aus Deutschland bereits zurückziehen und die Sowjets waren damit beschäftigt, den zuweilen weisungsresistenten Ulbricht in seine Schranken zu weisen. Präsident John F. Kennedy verriet einem Mitarbeiter wenige Wochen vor dem Mauerbau, er werde nichts unternehmen, um „Ost-Berlin offenzuhalten“.

Die Grenze half politisch dem Osten wie dem Westen. Die gegensätzliche wirtschaftliche, ideologische und politische Entwicklung der Alliierten hatte die Fronten verhärtet. Während sich in der Bundesrepublik aufgrund des Marshallplans die materielle Lebenssituation für viele verbesserte, litten die Menschen in der DDR unter der Last der Reparationen an die Sowjetunion. Die Teilung Deutschlands sollte ein Ausbluten des Arbeiter- und Bauernstaates durch den wachsenden Flüchtlingsstrom qualifizierter Kräfte verhindern und die gegenseitige Einmischung in die Zonenverwaltung beenden. Schon 1948 hatten die Sowjets West-Berlin blockiert, um den Rückzug der Westalliierten zu erzwingen und ihren Anspruch auf die gesamte Stadt zu demonstrieren. Zehn Jahre später forderte Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow die drei Westmächte erneut vergeblich auf, ihre Truppen abzuziehen und die Hoheitsrechte für alle Zugangswege abzugeben.

Der Autor kritisiert, wie sich westdeutsche Politiker – etwa Willy Brandt mit seiner Devise „Wandel durch Annäherung“ – mit der Spaltung arrangierten und Dissidenten in der DDR kaum offen unterstützten. Nur US-Präsident Ronald Reagan sei eine Ausnahme gewesen: Er forderte im Sinne des Nato-Doppelbeschlusses bei ergebnislosen Verhandlungen mit der Sowjetunion die Nachrüstung. „Herr Gorbatschow, reißen sie diese Mauer nieder!“, rief er 1987 vor dem Brandenburger Tor. Zwei Jahre später war es soweit.

Zwar sind viele Sachen nicht neu – gerade für die Endphase sind die Akten noch unter Verschluss – und die historische Vorgeschichte des Mauerbaus kommt aufgrund Taylors Hang zum Anekdotischen und Biografischen etwas kurz. Dennoch vermittelt das Buch präzise, anschaulich und fesselnd ein wichtiges Stück deutsch-deutscher Geschichte.         Sophia E. Gerber

Taylor, Frederick: „Die Mauer – 13. August 1961 bis 9. November 1989“, Siedler-Verlag, Berlin 2009, geb., 576 Seiten, 29,95 Euro


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