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10.10.09 / Zur Macht nur im Spagat / Zwischen Arbeiterpartei und Gesamtverantwortung: Der schwierige Weg der SPD

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-09 vom 10. Oktober 2009

Zur Macht nur im Spagat
Zwischen Arbeiterpartei und Gesamtverantwortung: Der schwierige Weg der SPD

Revisionismusstreit um 1900, Godesberger Programm 1959, Rot-Rot-Debatte heute: Warum nur die Absage an Linksaußen der SPD eine Machtperspektive eröffnet.

Nur gut eine Woche nach der desaströsen Bundestagswahl ließ der designierte neue SPD-Chef die Katze endgültig aus dem Sack: Möglichen Bündnissen mit der Linkspartei steht Sigmar Gabriel „angstfrei“ und „offen“ gegenüber. Für die Zeit ab 2013 hält er eine Zusammenarbeit auch auf Bundesebene für denkbar. Gegenteilige Schwüre, nach denen eine Zusammenarbeit mit den Linken auf Bundesebene bis auf Weiteres ausgeschlossen bliebe, sind damit als Notlüge im Wahlkampf entlarvt.

Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier steht zwar noch für die Abgrenzung, doch er wird den Geruch nicht los, ein Mann von gestern, ein Vertreter der in weiten Teilen der SPD geradezu dämonisierten Schröder-Zeit zu sein. Mit Andrea Nahles rückt eine bekennende Linke an die Spitze und Sigmar Gabriel ist bekannt dafür, im Grunde jede Richtung propagandistisch vertreten zu können. Eine eigene Linie ist kaum zu erkennen, weshalb sich der designierte SPD-Chef wohl jeder Richtung zur Verfügung stellen dürfte, die sich durchsetzt.

Und das scheinen derzeit eindeutig die Parteilinken zu sein. Ihr Argument: In der Mitte sei kein Platz mehr, und die Niederlage im Bund sei darauf zurückzuführen, dass zu viele SPD-Anhänger aus Frust über die Agenda-Politik zu Hause geblieben seien oder für die Linke gestimmt hätten. Damit scheint völlig klar, wo die verflossenen Stimmen einzusammeln sind: links.

Ziel ist natürlich, die SPD wieder zu der dominierenden Partei neben der Union zu machen, zur potentiellen Kanzlerpartei also. Daran gemessen aber drohen die linksschwenkenden Sozialdemokraten in eine strategische Falle zu tappen: Noch nie haben die Deutschen einen ausdrücklich linken Kandidaten zum Kanzler gewählt. Der immer wieder angeführte Willy Brandt geht nur vordergründig als Gegenbeweis durch. Immerhin hatte er als Vizekanzler der Großen Koalition die links verhassten Notstandsgesetze mit auf den Weg gebracht, als Kanzler setzte er den bei Dunkelroten nicht minder verfemten Radikalenerlass durch. Zum Wirtschaftsminister machte er den Marktwirtschaftler Karl Schiller, sein erster Finanzminister Alex Möller war ebenfalls alles andere als ein Linksausleger. Zudem saßen mit Brandt die Liberalen am Kabinettstisch. Brandt setzte also alles darauf, zumindest so wenig links wie möglich zu wirken.

Er wusste, warum: Der Durchbruch der SPD in den Bereich der Regierungsfähigkeit gelang historisch gleich zweimal nur dadurch, dass sie sich von ausdrücklich linken, sozialistischen Dogmen löste.

Das erste Mal geschah dies um 1900, als sich die vormals revolutionäre SPD mit dem Gedanken versöhnte, das Land im Rahmen der bestehenden Ordnung per Reformen zu verbessern. Erst diese Wende ermöglichte es ihr später, ab 1918 zur bestimmenden Regierungspartei der Weimarer Zeit zu werden. Die zweite Wende zur Regierungsfähigkeit vollzogen die Sozialdemokraten mit der Verabschiedung des Godesberger Programms 1959, als sie sich mehrere Jahre nach Beginn des Wirtschaftswunders endlich mit der Marktwirtschaft versöhnten.

Die Rolle der SPD ist kompliziert: Eigentlich Klientelpartei der „kleinen Leute“, stellte sie sich in ihren erfolgreichen Phasen trotzdem der Gesamtverantwortung  und machte sich dafür auch unbeliebt bei der Stammwählerschaft. Dieser Spagat war nie einfach. Doch vor dem Hintergrund der Geschichte scheint es, dass sie nur auf diesem Wege eine Machtperspektive hat.

Geht sie den einfachen Weg des Linkspopulismus, dann dürfte sie für lange Zeit von der Kanzlerschaft ausgeschlossen bleiben. Hans Heckel

Foto: Partei mit langer und wechselvoller Geschichte: Nun muss sich entscheiden, wieviel Zukunft die SPD noch hat.

 

 Zeitzeugen

Friedrich Ebert – Noch heute erinnern die Namen zahlreicher Plätze, Straßen, Schulen und Krankenhäuser an den 1871 geborenen Sozialdemokraten und ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik. Der gelernte Sattler sah den Ersten Weltkrieg als „Vaterlandsverteidigung“ und kämpfte nach dem Krieg massiv gegen linksradikale Kräfte, die die junge Demokratie gefährdeten.

 

Willy Brandt – Auf den 1913 als Herbert Frahm geborenen Friedensnobelpreisträger ist die SPD stolz. Doch in der Rückschau sieht sein Lebenswerk weniger glänzend aus: In den fünf Jahren seiner Kanzlerschaft eskalierte die Staatsverschuldung, die Geburtenrate brach um fast die Hälfte ein. Bis heute rechnet die SPD Brandt hoch an, dass er die Oder-Neiße-Gebiete mitten im Frieden an Polen abtrat. Brandts Privatleben war etwas ungeordnet.

 

Oskar Lafontaine – Mitte der 90er Jahre war er noch einer der einflussreichsten Sozialdemokraten, doch inzwischen ist er als Parteichef der Linken zu ihrem größten Feind geworden. Die mehrfach umgemodelte SED ist in einigen Ost-Ländern sogar stärker als die SPD, was dem ehemaligen Weggefährten von Alt-Kanzler Gerhard Schröder, unter dem er kurze Zeit Finanzminister war, ein innerer Triumph sein dürfte.

 

Andrea Nahles – Mit 67 Prozent hat der SPD-Vorstand die 39-Jährige Parteilinke als neue Generalsekretärin nominiert. Nahles steht für eine Öffnung ihrer Partei zur Linkspartei, eine rot-rote Zusammenarbeit ist für sie auch auf Bundesebene eine Option. Nahles gilt als begnadete Intrigantin, schon mit Anfang 30 war sie maßgeblich am Sturz von drei SPD-Bundesvorsitzenden beteiligt.

 

Sigmar Gabriel – Wie der 50-jährige designierte SPD-Chef seine Partei aus einer ihrer größten Krisen führen will, vermag kaum einer zu sagen. In seiner Funktion als Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat er gezeigt, dass er auf sich aufmerksam machen kann, doch Kritiker fragten nach der inhaltlichen Substanz. In Niedersachsen erbte er Ende 1999 das Amt das Ministerpräsidenten, das er nach nur gut drei Jahren durch eine Wahlniederlage wieder verlor.


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