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10.10.09 / Unbewältigtes in Böhmen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-09 vom 10. Oktober 2009

Unbewältigtes in Böhmen
von Konrad Badenheuer

Man muss den Vertrag von Lissabon nicht gut finden, um dennoch seine Ratifizierung zu wünschen. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Juli wurden Pflöcke zur Sicherung der deutschen Souveränität und Staatlichkeit eingerammt, vor allem aber: Sollte „Lissabon“ endgültig scheitern, dann fiele die EU auf den Vertrag von Nizza zurück. Der aber bevorzugt Polen massiv und würde zu EU-Institutionen führen, die noch unübersichtlicher und zudem weniger entscheidungsfähig wären. Die Nachteile für Deutschland wären massiv.

Nachdem die Iren mit großer Mehrheit für den Vertrag gestimmt haben, hat auch Polens Präsident Kaczynski (dem „Nizza“ natürlich lieber wäre) Zustimmung geäußert. Nun hängt das Inkrafttreten des Vertrages vom Verhalten des tschechischen Präsidenten Václav Klaus ab, der mit den britischen Konservativen ein ungutes Doppelpass-Spiel begonnen hat.

Nur auf den allerersten Blick entspricht die Grundsatzkritik von Václav Klaus an der EU den Einwänden konservativer Deutscher: Nicht nur die lebhafte Zustimmung, die Klaus bei britischen und polnischen Nationalisten genießt, sollte hier keinerlei Missverständnisse aufkommen lassen, sondern beispielsweise auch Klaus’ unsägliche Parallele zwischen der EU und dem Münchner Abkommen von 1938: Vor knapp einem Jahr erklärte er den EU-Ratsvorsitz seines eigenen Landes für „bedeutungslos“, weil die EU ja doch von den vier großen Staaten Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Italien geführt werde. Und diese − so Klaus weiter − hätten bereits 1938 die Zerschlagung der Tschechoslowakei besiegelt! Mit anderen Worten: Während konservative Deutsche die EU kritisieren, weil darin Deutschland viel zu wenig Einfluss hat, sehen tschechische Politiker bereits viel zu viel davon.

Es muss für Deutschland durchaus kein Nachteil sein, dass ein solcher Politiker nun auf dem besten Wege ist, sich zum Buhmann Europas zu machen. In Brüssel wird bereits ganz offen dis-kutiert, dass im Falle der Fortgeltung von „Nizza“ nicht mehr jeder EU-Mitgliedsstaat einen Kommissar behalten könne. Der erste aber, der dann zu verzichten hätte − so sagen selbst linksstehende Politiker − müsste dann die Tschechische Republik sein.

Dieser Vorschlag erscheint nachvollziehbar und vernünftig. Noch besser aber täte die EU daran, auf zwei Resolutionen des Europä-ischen Parlaments der Jahre 1999 und 2000 zurückzukommen. Damals forderten die Straßburger Abgeordneten Prag mit klarer Mehrheit dazu auf, die noch geltenden Benesch-Dekerete aufzuheben, soweit sie sich auf die Vertreibung ganzer Volksgruppen beziehen. Dass das Land vier Jahre später auch ohne diesen Schritt der EU beitreten konnte, ist einer unsäglichen Intervention der deutschen Regierung Schröder/Fischer zuzuschreiben. Das Ergebnis war ein Triumph für tschechische Nationalisten, die Folgen sehen wir jetzt. Mit oder ohne Lissabon: Straßburg sollte auf sein völlig berechtigtes Anliegen zurückkommen.

Foto: Schwarze Doppelspitze: Karl-Theodor zu Guttenberg ist für die CSU genauso wichtig geworden wie Parteichef und Ministerpräsident Horst Seehofer.


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