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17.10.09 / Mutige Männer, tapfere Frauen / Die Bekennende Kirche in Ostpreußen – Ende 1937 schon 150 verhaftete Pfarrer – Teil 2: Die Jahre 1933 bis 1937

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-09 vom 17. Oktober 2009

Mutige Männer, tapfere Frauen
Die Bekennende Kirche in Ostpreußen – Ende 1937 schon 150 verhaftete Pfarrer – Teil 2: Die Jahre 1933 bis 1937

Eins kann man den Begründern der Bekennenden Kirche in Ostpreußen wahrlich nicht vorwerfen: Dass sie ihr Fähnlein nach dem Winde ausgerichtet hätten oder populistisch oder ängstlich gewesen seien. Mut, Tatkraft, Glaubensstärke und Leidensbereitschaft gehörten zum Alltag derer, die zwischen 1933 und 1936 die Grundlagen für evangelischen Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime legten.

Dem Geist ihrer Zeit zu widerstehen, dem die große Mehrheit des Volkes und der evangelischen Kirche zu Beginn der Hitler-Diktatur anhing, fiel den Begründern der Bekennenden Kirche nicht leicht. Die Opposition war schon 1933/34 ein schwieriges und gefährliches Geschäft. Zu schnell hatte der wie ein Messias auftretende Adolf Hitler für Ordnung gesorgt, die bürgerkriegsähnlichen Zustände beseitigt und die Arbeitslosen nach der Wirtschaftskrise von 1929 von der Straße gebracht. Bald grüßten viele einander nicht mehr mit einem freundlichen „Guten Morgen“ sondern mit „Heil Hitler“.

Wer diese messiasgleiche Gestalt kritisieren wollte, sah sich der Drohung von Gefängnis oder Konzentrationslager ausgesetzt. Viele Sozialdemokraten und Kommunisten waren bereits inhaftiert. So fiel es den kirchlichen Kritikern des Regimes zunächst schwer, die Lehre der Nationalsozialisten vom „Positiven Christentum“ zu enttarnen. „Gemeinnutz vor Eigennutz“ klang so ähnlich wie Nächstenliebe, und den christlichen Kirchen schien zunächst ein wichtiger Part bei der „geistlichen Erneuerung“ des Volkes zugestanden zu werden. Doch einige Theologen in beiden großen Konfessionen ließen sich davon nicht täuschen. Sie erkannten schnell, dass sich hinter der Lehre vom Positiven Christentum  nichts anderes als eine sektiererische Ideologie verbarg. Zu offenkundig war für sie der Widerspruch zwischen dem „Heilsanspruch“ Adolf Hitlers und dem von Jesus Christus. Zudem hätte der Arierparagraph, der sinngemäß in der Kirche eingeführt werden sollte, zum Ausschluss vieler Kirchenglieder geführt. Und drittens planten die „Deutschen Christen“, die Bibel von allen jüdischen Einflüssen zu reinigen. Damit stand etwa 90 Prozent der Bibel auf der Streichliste.

Dieses Streichkonzert an der Bibel, das bis heute klassischerweise eine christliche Sekte definiert, rief im östlichen Teil Deutschlands später berühmt gewordene Theologen und Pfarrer wie Martin Niemöller, Hans-Joachim Iwand, Julius Schniewind, Karl Barth oder Dietrich Bonhoeffer auf den Plan. Sie fühlten sich Anfang der 30er Jahre allerdings noch wie einsame Rufer in der Wüste. Der seit 1929 in Königsberg lehrende Professor für das Neue Testament Schniewind beklagte, dass die „eigentlichen geistlichen Anliegen des Dienstes am Wort uns weithin fremd geworden, ja fremd geblieben sind“. Dieses Fremdsein „beruhe auf Säkularismus, der grundsätzlich unser Leben beherrscht.“ Damit waren Grundlinien gelegt, die in den 20er Jahren schon Karl Barth durch seine Vorträge in Königsberg und Danzig angesprochen hatte. Die streng an der Bibel orientierte Theologie dieser Männer schärfte ihren Blick für die Verweltlichung, den Säkularismus, der in den zurückliegenden Jahrzehnten tief in Leben und Lehre der 28 Landeskirchen der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK) eingedrungen war.

So protestierten sie gegen den unter Reichsbischof Müller gestarteten Versuch, 1933/34 auch die evangelischen Landeskirchen „gleichzuschalten“ und eine „Deutsche  Reichskirche“ zu grün-den. Im „Pfarrernotbund“ unter  der Leitung Martin Niemöllers organisierten sich bis zu einem Drittel der evangelischen Pfarrer und lehnten eine Anpassung der christlichen Verkündigung und Kirchenordnung an die Programmatik der „Deutschen Christen“ (DC) ab. Auf Initiative von Kirchengemeinden und Pfarrern versammelten sich – unter den Augen von Denunzianten und der Gestapo – Kirchenglieder und Pfarrer in Ostpreußen zu „Freien Bekenntnissynoden“. Diese Synoden sahen sich angesichts ihrer schon „zerstörten Kirchen“ für die noch „intakten Kirchen“ in Bayern und Württemberg, Hannover und Baden in einer Vorreiterrolle. Diese fünf Landeskirchen schlossen sich am 22. April 1934 zur „Bekenntnisgemeinschaft der DEK“ in Ulm zusammen und erklärten sich zur „rechtmäßigen ev. Kirche in Deutschland“. Schon gut einen Monat später, auf der Bekenntnissynode der DEK in Wuppertal-Barmen vom 29. bis 31 Mai 1934, konstituierte sich die Bekennende Kirche. Als ihre geistliche Grundlage nahmen sie die von Karl Barth formulierte „Barmer Theologische Erklärung“ an. Jesus Christus wurde hier als das für die kirchliche Verkündigung allein verbindliche „Wort“ festgelegt, neben das nicht „noch andere Ereignisse und Mächte“, nicht „andere Herren“ treten dürften. Die Synodalen erklärten, dass es keine Rassenunterschiede in der „Gemeinschaft von Brüdern“ und keine von „einem Führer“ beherrschte Kirche geben dürfe.

Damit hatten sich die bekenntnistreuen Kirchenvertreter unter Berufung auf ein „Notrecht“ von der offiziellen Kirche getrennt. Als Leitungsorgan fungierte ein „Reichsbruderrat der Bekenntnis-synode“. Für den Pfarrernach-wuchs gründete man kirchliche Hochschulen und getarnte Predigerseminare (siehe Bild), da staatlich Einrichtungen hinfort versperrt waren. Damit war in zweifacher Hinsicht ein außerordentlich konfliktreicher Weg beschritten. Innerkirchliche Konflikte auf der einen Seite und die Verfolgung durch die Nationalsozialisten auf der anderen Seite ließen nicht lange auf sich warten. Innerkirchliche Konflikte zeigten sich  durch die Konfessionsunterschiede zwischen Lutheranern, Unierten und Reformierten und durch die verschiedenen Traditionen der Landstriche besonders in Ostpreußen als „eigenständiger und eigengeprägter Kirchenprovinz“, wie Pfarrer Hugo Linck bemerkte.  So wurde die Barmer Theologische Erklärung und der Führungsanspruch Martin Niemöllers nicht in gleichem Maße akzeptiert wie in anderen Teilen Deutschlands. Die  bekenntnistreuen Kräfte sammelten sich in der „Kirchlichen Arbeitsgemeinschaft“, die schon am 9. Februar 1934 an die Stelle des ostpreußischen Pfarrernotbundes getreten war. Am 21. Oktober desselben Jahres konstituierte sich in Königsberg die Freie Evangelische Bekenntnis-Synode mit einem eigenen Bruderrat. 25 ostpreußische Theologen und 10 Laien unterzeichneten das Dokument, das auf die alleinige Grundlage Bibel und Bekenntnis für das christliche Leben hinwies und sich einreihte in „die Front bekennender Gemeinden und des kämpfenden Luthertums“.

Als Höhepunkt dieser ersten Phase des Kampfes der Bekennenden Kirche in Ostpreußen gilt die II. Ostpreußiche Bekenntnissynode vom 2. bis 7. November 1936. Zu Ihrer Eröffnung hielt Martin Niemöller im Königsberger Dom eine sehr eindrucksvolle Predigt, wie sich Zeitgenossen erinnerten. Diese Synode setzte zehn von Franz Hildebrandt ausgearbeitete Hauptartikel christlicher Lehre fest, lehnte die staatlich kontrollierten Kirchenausschüsse ab und gab sich eine eigene Verfassung.

Kein halbes Jahr später wurde Hans-Joachim Iwand wegen „staatsfeindlichen Verhaltens“ aus Königsberg ausgewiesen, Martin Niemöller verhaftet und ins Konzentrationslager gebracht. Die III. Ostpreußische Bekenntnissynode vom 18. bis 19. August 1937 mit 130 Synodalen fand dann schon unter wesentlich verschärften Verhältnissen statt. Die Synode verlangte die Freilassung der verhafteten Pfarrer, deren Zahl auf 70 angewachsen war. Im Oktober und November ließ die Staatspolizei den gesamten Ostpreußischen Bruderrat und 73 weitere ostpreußische Pfarrer inhaftieren. Hinrich E. Bues

Fortsetzung (Schluss) folgt.

Foto: Mitglieder eines getarnten Seminars der Bekennenden Kirche im Winter 1937/38. Zweiter von links: Dietrich Bonhoeffer        Bild: BpK


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