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24.10.09 / Mit Geld gegen Hunger? / Die Zahl der Unterernährten ist im letzten Jahr um zehn Prozent auf über eine Milliarde gestiegen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-09 vom 24. Oktober 2009

Mit Geld gegen Hunger?
Die Zahl der Unterernährten ist im letzten Jahr um zehn Prozent auf über eine Milliarde gestiegen

In den 90er Jahren schien der Hunger als globales Problem fast schon überwunden zu sein, jetzt ist er zurückgekehrt: Jeder sechste Erdenbürger ist unterernährt. 83 Milliarden Dollar pro Jahr zusätzlich würden den Hunger beenden, erklärt die UN. Doch mit Geld allein ist diese Not nicht zu überwinden.

30 Euro für eine Ziege, 125 Euro für ein Farmer-Starter-Paket oder gleich 1600 Euro für eine Getreidebank für 100 Familien so wirbt die Hilfsorganisation CARE um Spenden. Und auch bei Brot für die Welt kann der Hilfswillige sofort zehn Euro für Saatgut für eine sechsköpfige Familie in Papua-Neuginea geben. Doch angesichts von wieder über einer Milliarde unterernährter Menschen weltweit, wie die Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen (FAO) anlässlich des Welternährungstages bekanntgab, sind solche Spenden nur wie Tropfen auf den heißen Stein.

„Wenn Sie in die Länder fahren, dann sehen Sie kein Ende“, räumt Thomas Schwarz, Pressesprecher von CARE, ein. Dennoch habe die Arbeit der internationalen Entwick-lungshelfer in den letzten Jahrzehnten Erfolge gehabt. „In absoluten Zahlen ist der Anstieg der hungernden Menschen dramatisch, allerdings gibt es auch viel mehr Menschen. Der Anteil der Hungernden ist durchaus zurückgegangen.“ Während in den 70er Jahren noch jeder dritte Mensch hungerte, ist es jetzt „nur noch“ jeder sechste. Doch die UN und zahlreiche Nicht-Regierungs-Organisationen rufen bereits nach mehr Geld, da die Zahl der Bedürftigen von 2008 auf 2009 um zehn Prozent gestiegen ist. Hauptgrund sind die gestiegenen Nahrungsmittelpreise.

Das Bundesentwicklungsministerium reagierte sofort. Die scheidende Ministerin Heidemarie Wiezorek-Zeul (SPD) verwies darauf, dass Deutschland auf die Nahrungsmittelkrise reagiert habe und dem Welternährungsprogramm der UN eine Rekordzusage von 112 Millionen US-Dollar gemacht habe.

Doch was passiert mit diesem Geld? Erfahrungen mit Lebensmittelspenden haben gezeigt, dass sie den Hunger mittel- und langfristig sogar noch verschlimmern, da billige oder gar kostenlose Lebensmittelimporte die regionale Produktion schädigen.

Zahlreiche Hilfsorganisationen geben dem Westen die Schuld an der Not der Menschen in Entwick-lungsländern. Exportsubventionen der eigenen Landwirtschaft, hohe Schutzzölle und die von ihnen dominierten Weltmarktpreise würden Afrika, Asien und Lateinamerika ins Elend stürzen. Zwar würden noch genügend Lebensmittel produziert, doch würden sie ungerecht verteilt. Die Weltbank forciere zudem die Privatisierung der Landwirtschaft zugunsten von Großinvestoren, so dass Hundertausende vor allem afrikanischer Kleinbauern von ihrem Land verdrängt würden. Auch hätte die vom westlichen Finanzsystem verursachte Weltwirtschaftskrise jetzt auch die Entwicklungsländer getroffen. Ihre Rohstoffe würden weniger nachgefragt, so dass Arbeitslosigkeit die Folge sei. Auch hätte der Westen mit seinem erhöhten CO2-Ausstoß eine Klimaveränderung bewirkt, unter der vor allem die ärmsten Länder der Welt in Form von Dürren und Naturkatastrophen leiden würden.

Doch auch wenn an vielen Argumenten etwas dran ist, so erklären sie nicht allein, warum beispielsweise in der Republik Kongo drei Viertel der Bevölkerung hungern. 

Die Lebensmittelpreise sind von 2007 auf 2008 zum Teil um über 100 Prozent gestiegen, doch das lag keineswegs an der Spekulationsfreude des Westens. Die gestiegenen Preise für Lebensmittel, die inzwischen wieder das Niveau von 2007 erreicht haben, wurden auch durch gestiegene Kosten für Energie und Dünger verursacht. Hinzu kamen Missernten in einigen Teilen der Welt, so dass das Angebot geringer wurde. Die Produktion von Bio-Sprit verknappte das Lebensmittelangebot. Auch die veränderten Essgewohnheiten der Schwellenländer, speziell der erhöhte Fleischkonsum, sorgten dafür, dass Getreide an die Tiere verfüttert wurde, anstatt die Märkte der Entwicklungsländer zu erreichen. Denn auch Afrikas Lebensmittelproduzenten verkaufen an jene, von denen sie den besten Preis erzielen, auch wenn ihre Nachbarn hungern.

Ein weiteres Problem ist die stagnierende Produktivität der Landwirtschaft gerade in jenen Ländern, die ihren eigenen Bedarf nicht decken, so dass bei wachsender Bevölkerung der Druck zu Lebensmittelimporten auch bei steigenden Weltmarktpreisen immer größer wird. Doch nur wenige Regierende jener Länder haben ein Interesse daran, die Entwicklung des ländlichen Raums voranzutreiben. Die Straßen sind häufig schlecht bis gar nicht ausgebaut und von einer flächendeckenden Versorgung mit Strom und Wasser kann nicht die Rede sein.

75 Prozent der Hungernden leben auf dem Land, da ihnen schlicht die Produktionsmittel, eigenes Land und das nötige Wissen zur Steigerung der Produktivität fehlen. Krankheiten, vor allem Aids, sorgen dafür, dass die Arbeitskräfte wegsterben. Und die Unterdrückung der gebärfreudigen, ungebildeten Frauen in den meisten afrikanischen Ländern, die 70 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte stellen, sorgt mit dafür, dass die Anbaumethoden äußerst rückständig bleiben. Und selbst wenn die Felder bestellt sind, sorgen häufig genug Unruhen oder Dürren dafür, dass die Frucht der Arbeit nie eingeholt werden kann.

Ernährung, Bildung und Gesundheit, an diesen drei Ecken müsse man gleichzeitig arbeiten, denn nur so könnte der Hunger in der Welt dauerhaft besiegt werden, so Thomas Schwarz von CARE. Derzeit fehlen jedoch noch flächendeckende, internationale Strategien.           Rebecca Bellano

Foto: Flüchtlingslager in Somalia: Warten auf die tägliche Essensration.


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