19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
24.10.09 / Der Widerspenstigen Zähmung / Matthias Platzeck hofft, die Linke durch Regierungsverantwortung zum zahnlosen Tiger zu machen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-09 vom 24. Oktober 2009

Der Widerspenstigen Zähmung
Matthias Platzeck hofft, die Linke durch Regierungsverantwortung zum zahnlosen Tiger zu machen

Der beliebte brandenburgische Ministerpräsident verdrängt aus Machtkalkül die Stasi-Vergangenheit seines neuen Koalitionspartners.

„Hier passiert nichts Unerhörtes. Also, Augen auf und weg mit dem ewigen Schaum vorm Mund!“ Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck ist langsam genervt von all jenen, die ihn ständig auf die DDR-Vergangenheit seines neuen tiefroten Koalitionspartners hinweisen. Auch hat der 54-jährige SPD-Politiker keine Lust, ständig daran erinnert zu werden, dass mindestens vier wichtige brandenburgische Funktionsträger der Partei „Die Linke“ ehemals Innoffizielle Mitarbeiter (IM) beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) waren, allen voran die Fraktionsvorsitzende Kerstin Kaiser. Und so reagierte er erleichtert, als sich der Sprecher der SPD-Linken, Björn Böhning, auf seine Seite schlug. Die SPD habe da „einen Popanz aufgebaut, der weniger auf inhaltlichen Gegensätzen gründete, sondern auf Emotionen und auch kulturellen Unterschieden“, so Böhning.

Vor knapp einem Jahr kanzelte allerdings Platzeck selbst die Linke noch ab. Sie hätten das Land 1989 „vor die Wand gefahren“, hatte er deren Herrschaftsansprüche abgewehrt. Doch etwas hat sich in den letzten Monaten geändert, so dass jegliche Kritik an seiner Entscheidung, nicht erneut eine Große Koalition mit der CDU zu bilden, an Platzeck abprallt.

„Es geht um Brandenburg“ mit diesen Worten hatte Platzeck gleich zu Beginn der Koalitionsverhandlungen einen Brief an die 6700 brandenburgischen Parteimitglieder begonnen. Richtig wäre auch gewesen: „Es geht um die SPD.“ Denn: In Brandenburgs Haushalt klaffen Milliardenlöcher. Soziale Einschnitte sind unumgänglich. 12000 Stellen bei den Landesbediensteten müssen bis 2019 gestrichen werden, dazu wird sich die Linke in ihrem unbedingten Willen zum Regieren bereiterklären müssen. Wäre sie allerdings noch in der Opposition und Platzeck würde jene notwendigen Kürzungen mit der CDU durchsetzen, dann hätte die Partei selbst in jedem hintersten Winkel des Landes die Bürger gegen die Große Koalition aufgehetzt. Jetzt hingegen trifft sie jene unangenehmen Entscheidungen selber mit. Das sorgt dafür, dass der Unmut der Brandenburger sich auch gegen die Linke richtet, die dann nicht mehr die unzufriedenen SPD-Wähler auffangen kann.

Außerdem stehen die Zeichen bei der SPD im Bund seit den personellen Veränderungen im Vorstand nach der Bundestagswahl bereits deutlich auf Ja zu Rot-Rot.

„Hier wird eine Partei, die für Diktatur-Unrecht und einen Staatsbankrott gesorgt hat, 20 Jahre nach der friedlichen Revolution hoffähig gemacht“, klagt Stephan Hilsberg, Mitbegründer der Ost-SPD und DDR-Bürgerrechtler, doch Hilsberg hat nichts mehr zu sagen. Er wurde von seiner Partei bereits  nicht mehr für den Bundestag aufgestellt. Hilsberg ist Geschichte, wie überhaupt diese ganze DDR, so offenbar die Meinung vieler Sozialdemokraten.

Während Hubertus Knabe, Leiter der Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen, noch davor warnt, die „Schamgrenzen“ gegenüber Stasi-Spitzeln weiter abzusenken, veröffentlichte der „Focus“ pikante Details aus der 300-seitigen Stasi-Akte von Kerstin Kaiser. Die Fraktionschefin der Linken wusste offenbar nie, was „Scham“ ist, so das Fazit der Akten-Lektüre.

Bereits als 18-Jährige lieferte die Schülerin übereifrig Informationen an das MfS. Selbst die intimsten, schlüpf-rigsten Details über ihre Mit-Studenten an der Universität waren ihr später nicht zu banal, um sie an die Stasi zu melden, die sich übrigens, so die Deutung des „Focus“, 1984 von ihr trennte. Kaiser selbst behauptet, sie hätte die Zusammenarbeit mit der Stasi gekündigt, weil ihr „Zweifel an Sinn und Berechtigung dieser Tätigkeit“ gekommen seien.

Bevor Platzeck Koalitionsverhandlungen mit der Linken zustimmte, verlangte er, dass Kaiser aufgrund ihrer Vergangenheit auf einen Ministerposten verzichtete. Doch diese Entscheidung dürfte ihr nicht schwer gefallen sein, hat sie doch als Fraktionsvorsitzende mehr Möglichkeiten zur Einflussnahme und Gestaltung, als wenn sie Fachministerin wäre.

Kaiser und der Landesvorsitzende Thomas Nord stimmten bereits am vergangenen Wochenende ihre Basis auf die sich anbahnenden Kompromisse ein. Sie wiesen darauf hin, dass Wahlversprechen nicht eingehalten werden könnten, der Preis aber tragbar wäre, immerhin würde sich die „politische Achse“ in Brandenburg jetzt nach links verschieben.

Laut Platzeck zeigt ein Blick in das benachbarte Land Berlin, dass eine rot-rote Landesregierung durchaus eine vergleichsweise sachbezogene Haushaltspolitik betreiben kann. Außerdem ließen sich mit der Linken als Koalitionspartner leichter gemeinsame Projekte mit dem ebenfalls rot-rot regierten Berlin vereinbaren, als es mit der CDU der Fall war. Bel

Foto: Matthias Platzeck (SPD) beschwichtigt: Inzwischen erscheint ihm eine Koalition mit der Partei „Die Linke“ absolut gangbar.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren