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24.10.09 / Supermacht aus dem Gleichgewicht / Das US-Defizit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-09 vom 24. Oktober 2009

Supermacht aus dem Gleichgewicht
Das US-Defizit von 1,4 Billionen Dollar verändert das weltpolitische Machtgefüge – Kleinere Spielräume

Ein astronomisches Defizit von 1420 Milliarden Dollar verzeichnen die USA im Haushaltsjahr 2008/09, das am 30. September zu Ende gegangen ist. Ohne rasches und wirksames Gegensteuern könnte die militärische und technologische Supermacht ihre Handlungsfähigkeit verlieren.

Man benötigt ein paar Vergleiche, um sich die galoppierende Verschuldung der USA vorstellen zu können. Wenn ein EU-Land mehr als drei Prozent seiner Wirtschaftsleistung an Neuverschuldung aufnimmt, folgt ein „blauer Brief“ aus Brüssel, im Wiederholungsfall drohen Sanktionen. Die USA haben nun aber im laufenden Krisenjahr neue Staatschulden im Volumen von zehn Prozent ihrer Wirtschaftsleistung aufgenommen.

Ein zweiter Vergleich: 1,4 Billionen Dollar, das sind über 4600 Dollar neue Schulden pro US-Bürger vom Säugling bis zum Greis. Ein dritter: Das Haushaltsdefizit der USA hat sich gegenüber dem Vorjahr mehr als verdreifacht.

Wahr ist, dass im Frühjahr ein noch größeres Defizit von bis zu 1,8 Billionen Dollar erwartet worden war, und wahr ist auch, dass es den Vereinigten Staaten nach 1945 gelungen war, eine noch größere Schuldenlast als heute im Laufe einer Generation weitgehend abzutragen.

Und doch beunruhigt Beobachter die massive finanzielle Schieflage der Supermacht, die sich zwar militärisch an allen Ecken und Enden der Welt engagiert, aber eben nicht wie in den 1940er Jahren in einen großen Krieg involviert ist. Dennoch ist das Land trotz kerngesunder Demographie und einer auch technologischen Führungsrolle zum mit Abstand größten Schuldner der Welt geworden.

Die Fragen liegen auf der Hand: Was sind die Ursachen dieser Entwicklung? Haben die USA die Kraft zu einer echten Kehrtwende? Oder bleibt nur die düstere Alternative von schleichendem Niedergang und/oder einem „Abschütteln“ der aus dem Ruder gelaufenen Schulden durch eine Politik des Gelddruckens, die − wie jede Inflationspolitik − auf eine teilweise Enteignung der Gläubiger hinausliefe?

Dass die USA an den Finanzmärkten auch jetzt durchaus noch Kredit haben, das belegen die niedrigen Zinsen, zu denen US-Finanzminister Timothy Geithner immer noch seine Staatspapiere platzieren kann. Obwohl bei den Hauptgläubigern China und auch Japan Sorgen unüberhörbar sind, sind diese Länder ebenso wie die großen Staatsfonds des Nahen Ostens oder auch die großen privaten „Kapitalsammelstellen“, etwa Pensions- und Eigenkapitalfonds, offenbar auch jetzt noch weit davon entfernt, eine „Flucht aus dem Dollar“ anzutreten. Und doch sind Zeichen einer Absetzbewegung erkennbar: Obwohl die Weltkonjunktur noch nicht wirklich wieder in Fahrt gekommen ist, haben die weitaus meisten Sachwerte wieder ihre Preise von vor der Krise erreicht: Dies geht von Aktien vieler Länder (einschließlich der USA selbst) über Öl und Gas, Industriemetalle bis hin zu Lebensmitteln. Die aktuellen Preisrekorde beim Gold und der noch steilere Aufwärtstrend des Silbers, aber auch die Schwäche des Dollars etwa gegenüber dem Euro können durchaus als Hinweise dafür verstanden werden, dass das Vertrauen der Investoren in den Greenback – vorsichtig ausgedrückt – nicht mehr grenzenlos ist.

Was die Ursachen des aktuellen Rekorddefizits angeht, so werden meistens an erster Stelle die milliardenschweren Rettungspakete für die angeschlagenen Banken, die staatliche Übernahme der beiden großen Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac sowie das Paket der Regierung Obama zur Ankurbelung der Wirtschaft mit einem Volumen von 200 Milliarden Dollar genannt. Hinzu kommen freilich riesige Steuerausfälle und die Kriegskosten vor allem im Irak: Die Einnahmen sind im vergangenen Jahr um fast 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr eingebrochen, und allein der Irakkrieg hat seit seinem Beginn vor sechseinhalb Jahren bis April 2009 612 Milliarden Dollar an direkten Ausgaben verursacht. Die kompletten volkswirtschaftlichen Kosten werden von Experten wie dem Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz sogar auf bis zu drei Billionen Dollar geschätzt.

Der vor kurzem erklärte Verzicht der USA auf ein Raketenabwehrsystem mit Stützpunkten in Böhmen und Pommern ist gewiss auch der drückenden Haushaltslage geschuldet. Auch sonst steht die Regierung Obama, die natürlich nicht zu Unrecht von einer „Erblast“ der Bush-Jahre spricht, nun erheblich unter Druck. Dies gilt vor allem für ihr großes Projekt, die Gesundheitsreform, die in den kommenden zehn Jahren weitere 900 Milliarden Dollar kosten würde.

Gravierender sind aus europäischer Sicht die außenpolitischen Folgen dieser Schieflage: Wie lange können die USA Engagements wie im Irak und in Afghanistan überhaupt noch finanzieren? Und wie viele Zugeständnisse müssen die USA ihrem Hauptgläubiger Peking in Zukunft machen? Zwar hängt auch China von einer Erholung seines großen Schuldners ab, doch momentan demonstrieren die Verantwortlichen in Peking Selbstbewusstsein und Eigenständigkeit, etwa mit den neuen Handelsverträgen mit Russland.

Die Spielräume der USA werden mit Sicherheit kleiner, und die Versuchung einer Inflationspolitik im Dollar könnte zunehmen, zumal die US-Notenbank FED als halbprivate Institution ganz anders strukturiert ist als die auf größtmögliche Unabhängigkeit hin angelegte Europäische Notenbank EZB.      K. Badenheuer

Foto: Der größte Gläubiger sitzt in Peking: Die chinesische Nationalbank hortet gut eine Billion US-Dollar.


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