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24.10.09 / Beglückender »Wahnsinn« / Etliche Ausstellungen erinnern an den Fall der Mauer vor 20 Jahren − Ganz verschiedene Perspektiven

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-09 vom 24. Oktober 2009

Beglückender »Wahnsinn«
Etliche Ausstellungen erinnern an den Fall der Mauer vor 20 Jahren − Ganz verschiedene Perspektiven

Zwei Jahrzehnte Mauerfall – viele junge Deutsche haben keine eigene Erinnerung mehr an dieses historische Ereignis. Grund genug für zahlreiche Ausstellungen, auf unterschiedlichste Weise die Geschehnisse auf beiden Seiten der ehemaligen Grenze zu zeigen. Hier eine Auswahl.

Jene Tage im November vor 20 Jahren haben sich denen, die sie erlebten, ins Gedächtnis eingebrannt. Andere, meist Nachgeborene, können oft nicht nachvollziehen, was damals geschah. Eine Grenze, die viele für unverrückbar hielten, brach in sich zusammen. Das Wort, das damals die Runde durch alle Bevölkerungsschichten machte, war: „Wahnsinn“. Doch schon die heute 25-Jährigen verbinden mit dem Ereignis des Mauerfalls keine persönliche Erinnerung mehr. Die Mauer gibt es heute nicht mehr. Schneller als sie errichtet wurde, begann man sie wegzuräumen. Bemalte Teilstücke wurden bis in amerikanische Museen verkauft. Den authentischen Ort findet man heute kaum noch. Umso wichtiger ist es, gerade an Gedenktagen die Erinnerung aufzufrischen.

Landauf, landab sind dieser Tage Ausstellungen zu sehen, die auf unterschiedliche Weise an den 9. November 1989 erinnern. Im Herzen Berlins ist noch bis zum 14. November eine Freiluftausstellung zu sehen, die von der friedlichen Revolution und ihren Akteuren erzählt. Die zweisprachige Ausstellung (deutsch und englisch) ist täglich 24 Stunden zugänglich und befindet sich neben der Weltzeituhr, der Eintritt ist frei. Im Max-Liebermann-Haus zeigt die Stiftung Brandenburger Tor bis 6. Dezember (montags bis freitags außer dienstags von 10 bis 18 Uhr, am Wochenende von 11 bis 18 Uhr) eine Fotoausstellung unter dem Titel „Szenen und Spuren eines Falls − Die Berliner Mauer im Fokus der Photographen“ mit Arbeiten von 21 renommierten Fotografen wie etwa Barbara Klemm und Sibylle Bergemann. Die Bilder zeigen, wie sich Menschen aus Ost und West an der geöffneten Berliner Mauer in die Arme fielen, sie richten den Blick auf überforderte Grenzbeamte und Zöllner, sie halten fest, wie Künstler den Palast der Republik und aufgebrachte Bürger die Stasizentralen besetzen. Auch die Mauer selbst, mit ihrer Bemalung im Westteil und ihrem tristen Grau im Ostteil der Stadt, steht immer wieder im Fokus des fotografischen Interesses. Zur Ausstellung ist ein Buch erschienen (Nicolaische Verlagsbuchhandlung, 14,95 Euro), in dem man die Fotografien noch eingehender betrachten kann.

Aus drei verschiedenen Perspektiven ging man in der „Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen“ an der Potsdamer Straße an das Thema heran. Die Ausstellung „Wir waren so frei… Momentaufnahmen 1989/1990“ führt private Fotos, Fernsehbilder und Dokumentarfilme zusammen. Der Besucher erfährt so ganz persönliche Geschichten von Betroffenen, sieht, wie internationale Beobachter die Situation für ihre Heimatsender schildern, und kann anhand von Dokumentarfilmen die Chronologie der Ereignisse nachvollziehen (bis 9. November, dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr).

Auch in Leipzig, wo vor 20 Jahren mit den Montagsdemonstrationen die friedliche Revolution ihren Ausgang nahm, wird in Ausstellungen des Mauerfalls gedacht. Rund 100 Fotografien des Ost-Berliner Fotografen Harald Hauswald zeigt das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig in der Ausstellung „Leben vor dem Mauerfall“ (bis 20. November, dienstags bis freitags von 9 bis 18 Uhr, am Wochenende von 10 bis 18 Uhr). Die Präsentation basiert auf dem im Frühjahr 2005 unter dem Titel „Ost-Berlin − Leben vor dem Mauerfall“ neu aufgelegten und viel beachteten Foto- und Textband von Harald Hauswald und Lutz Rathenow (Jaron-Verlag, Berlin, 12 Euro). Als der Bildband 1987 unter dem Titel „Ostberlin − Die andere Seite einer Stadt in Texten und Bildern“ in München erschien, empfand ihn die SED-Regierung als blanke Provokation; sie ließ das Buch auf der Leipziger Buchmesse beschlagnahmen. Die technisch brillanten Fotografien, welche die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit im „real existierenden Sozialismus“ aufdeckten, waren für Staatssicherheit und Kulturfunktionäre schwer zu ertragen. Aus heutiger Sicht betrachtet, ist lediglich der Alltag in Ost-Berlin und der DDR zu sehen – Propagandaparolen vor bröckelnden Fassaden, Menschenschlangen vor den Läden, Tristesse in Neubaugebieten und auf Hinterhöfen. Und vor allem Gesichter: müde, lachende, weinende Gesichter, alte, auch einsame Menschen, Kinder mit Kriegsspielzeug, Skins und Punks – Motive, die nicht in das offizielle Propagandabild passen wollten. Entstanden ist ein unschätzbares Zeugnis vom „Leben vor dem Mauerfall“ in der DDR.

Als die Hamburger Fotografin Gesche-M. Cordes am 7. Oktober 1989 nach Wismar reiste, wollte sie lediglich ein paar Aufnahmen von den Feierlichkeiten zum 40. Geburtstag des Staates machen. Sechs Wochen später waren dann Bürger dieses Staates ihrerseits in Hamburg, um dort die „Freiheiten“ des Westens zu genießen. Sonderpreise für eingelegte Gurken oder Lebkuchenherzen – nur gegen Vorlage des Personalausweises, Schlangen vor dem Hauptpostamt, um das Begrüßungsgeld in Empfang zu nehmen – fast vergessene Bilder aus der jüngsten deutschen Geschichte. Wiederzuentdecken sind diese „Augenblicke der Wendezeit“ in der noblen Hamburger Einkaufspassage Levantehaus (bis 31. Oktober, montags bis freitags von 10 bis 19 Uhr, sonnabends bis 18 Uhr).

In Schloss Babelsberg sind noch bis zum 31. Oktober Fotografien von Peter Rohn zu sehen (täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr). Im November 1989, während des Öffnungsprozesses und unmittelbar danach, hat der Potsdamer Fotograf umfassend und mit künstlerischem Anspruch den plötzlichen Fall der Mauer und die allmählichen Veränderungen in den Potsdamer Abschnitten Neuer Garten, Park Babelsberg und Glienicke fotografisch festgehalten.

Neben Fotografien, Filmen oder Reportagen sind Karikaturen wichtige, oft unterschätzte Zeugnisse des Vergangenen. Und so hat die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung in Potsdam, Heinrich-Mann-Allee 107, eine Ausstellung zusammengestellt, die kritisch und dennoch heiter die Geschehnisse vor und nach dem Fall der Mauer aus Sicht der Karikaturisten aufs Korn nimmt (bis 5. November, montags bis mittwochs von 9 bis 18 Uhr, donnerstags und freitags bis 15 Uhr).            Silke Osman

Foto: Bewegend: Ein Trabbi durchbricht die Mauer, gemalt von Birgit Kinder


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