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24.10.09 / Doppeltes Spiel / Muslimischer Wissenschaftler zeigt Wege zur Reform des Islam auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-09 vom 24. Oktober 2009

Doppeltes Spiel
Muslimischer Wissenschaftler zeigt Wege zur Reform des Islam auf

Den Denkern und Führern von islamischen Organisationen ist er zu westlich, dem Westen ist er zu islamisch: Tariq Ramadan, Enkel des Mitbegründers der ägyptischen Muslimbruderschaft, hat es nicht leicht, seine Ideen über den Koran und dessen Auslegung zu verbreiten. Erst im August verlor er seine Anstellung bei der Erasmus-Universität Rotterdam, da er unangemeldet im staatlichen iranischen Fernsehen als Moderator aufgetreten ist. Doch der in der Schweiz aufgewachsene Ramadan versucht mit seinen Schriften, den Koran in einem neuen Licht erscheinen zu lassen.

„Radikale Reform – Die Botschaft des Islam für die moderne Gesellschaft“ heißt sein neuestes Buch, in dem er zu Beginn die Geschichte der Koraninterpretationen schildert. Er beschreibt den Unterschied zwischen Text- und Kontextgelehrten und geht auf unveränderliche und veränderliche Bereiche im islamischen Glauben ein.

Er belegt, warum auch der Koran es zulässt, auf veränderte Modalitäten zu reagieren. So hätte eine Moderne ganz andere Ansprüche und Problemen als die Gesellschaft des Propheten Mohammed sie im 6. Jahrhundert nach Christi hatte. Die Idealisierung eines Momentes der Geschichte, dem einstigen Medina, ist in seinen Augen eine minderwertige „Ursprungsnostalgie“.

Manchmal ist allerdings nicht ganz klar, ob der Autor eine Islamisierung der Moderne oder eine Modernisierung des Islams fordert. Vermutlich trifft beides zu.

Nach einem ausführlichen theoretischen Teil geht der Gastdozent des St. Antony’s College in Oxford auf Beispiele aus der Praxis ein. Hier verweist er darauf, dass die Islamgelehrten den Koran nicht auf das Leben anwenden, sondern ihn auf ein Alltagsleben beziehen, wie sie es sich wünschen. Dabei böte das islamische Buch durchaus genügend Spielraum, um Probleme der Gegenwart mit passenden, zeitgemäßen Antworten zu versehen. Doch wer hat die Macht, die Reformen einzuleiten? Zu viele hätten beispielsweise ein Interesse daran, den Bildungsstand der großen Masse niedrig zu halten. Kinder, die in der Schule nur den Koran lernten, würden die islamische Welt nicht gestalten können. Auch hätten zu viele ein Interesse daran, die Frau in der islamischen Welt weiter zu diskriminieren, dabei gebe es genügend Hinweise im Koran, die den Frauen viel mehr Rechte zusprächen, als islamische Gelehrte ihnen gewährten.

Der Autor will auf gar keinen Fall, dass sich die Muslime dieser Welt der aus seiner Sicht gleichförmigen westlichen Einheitskultur anpassten, doch sollten sie in Fragen von Ethik und Moral moderne Antworten finden.     Bel

Tariq Ramadan: „Radikale Reform – Die Botschaft des Islam für die moderne Gesellschaft“, Diederichs, München 2009, gebunden, 426 Seiten, 24,95 Euro


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