28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
31.10.09 / Russki-Deutsch (40): skoro domoj

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-09 vom 31. Oktober 2009

Russki-Deutsch (40):
skoro domoj
von Wolf Oschlies

In den Moskauer und Leningrader Parks war es vor dem Zweiten Weltkrieg Sitte, dass gegen 18 Uhr alte Parkwächter Glocken schwangen und riefen: „Vremja domoj“. Das hieß, „es ist Zeit, nach Hause zu gehen“. Der Weisung folgte man.

Ganz ähnlich klingt „skoro domoj“ – „bald geht es nach Hause“: Trost oder Verheißung für deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion, dass ihre Leidenszeit bald vorüber sein werde. „Nicht alle hatten das Glück, überhaupt wieder nach Hause zurückkehren zu können, bei anderen dauerte es bis zur Repatriierung mehr als zehn Jahre. ,Skoro domoj‘ – ,bald geht’s nach Hause‘ – wurde zum Motto während langer Monate und Jahre der Haft und Gefangenschaft in der Sowjetunion“, schrieb der Historiker Andreas Hilger in einer Studie über sowjetische Besatzungspolitik in Deutschland und Österreich. Bis Mitte der 1950er Jahre sind 1,9 Millionen deutsche Kriegsgefangene nach Hause gekommen, davon 1,3 Millionen bis Ende 1948, während die restlichen als angebliche „Kriegsverbrecher“ zurück-gehalten wurden. Die letzten 10000 hat Bundeskanzler Adenauer bei seinem Moskaubesuch 1955 in fünf dramatischen Gesprächsrunden freibekommen. Viele der Heimkehrer gingen durch das niedersächsische Grenzdurchgangslager Friedland. Zu dessen 60-jährigem Bestehen und zum 50. Jahrestag der Heimkehr der letzten Kriegsgefangene hielt im Oktober 2005 Bundespräsident Horst Köhler eine Ansprache, die den ganzen emotionalen Hintergrund von „skoro domoj“ nochmals lebendig werden ließ: „Skoro domoj“ – „bald nach Hause“ – darauf haben Millionen sowjetische Soldaten in deutscher Kriegsgefangenschaft gehofft und Millionen Landser in sowjetischen Lagern … Skoro domoj – mit den Jahren wurde das Gefangenendasein ein wenig leichter. Die erste Postkarte nach Hause – nicht mehr als 25 Worte –, die erste Postkarte von zu Hause, dann sogar Pakete, Fotos, die staunend herumgezeigt werden. „So groß sind meine Kinder schon?“ Es gab auch schwere Rückschläge. Zehntausende Kriegsgefangene wurden zu hohen Haftstrafen verurteilt: fast immer willkürlich. Und am Ende dann endlich doch noch: Skoro domoj! Ihr dürft zurück nach Deutschland.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren