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31.10.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-09 vom 31. Oktober 2009

Phrasenkalk und klare Worte / Was der ARD eigentlich einfällt, warum DGB-Sommer lieber nichts einfällt, und was Henryk M. Broder gegen den Koscher-Stempel hat
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Norbert Lammert ist beleidigt. ARD und ZDF haben die Eröffnungssitzung des Bundestages, auf dem er als Parlamentspräsident wiedergewählt wurde, nicht übertragen. Spitz wies der CDU-Politiker die beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten darauf hin, wem sie ihr „üppiges Privileg“ (der Zwangsgebühren) verdankten, dem Parlament nämlich.

Hört sich an, als fühle sich da einer von seinen Komplizen verraten: Die Sender sollen der Politik gefälligst zu Diensten sein für das viele Geld, das sie auf Geheiß des Parlaments den grimmigen Bürgern abknöpfen dürfen. Doch die wollten ihre Zuschauer lieber mit belanglosen Unterhaltungssendungen im Kanal halten, als sie mit der Übertragung einer (traditionell abgekarteten) Wahl und einer vermutlich kreuzöden Eröffnungsrede an RTL und Co. zu verlieren.

Aber warum langweilt uns der Bundestag eigentlich so fürchterlich? Erstens, weil die Politiker ja  in den Talkshows sowieso alles  erzählt haben, was sie zu sagen hatten, zweitens, weil das ohnehin schon ziemlich dürftig war und drittens, weil sie am Ende doch wieder ganz anders handeln als versprochen. Und überhaupt, diese Reden: Auf „Phoenix“ laufen ja manchmal diese alten Bundestagsschlachten aus den 70ern. Du lieber Scholli, ging’s da zur Sache! Unter uns: Würden Sie den Genuß einer giftigen Wehner-Tirade oder wuchtigen Strauß-Attacke wegschalten, nur weil unten auf dem Laufband erscheint, dass auf ARD gerade die Merkel spricht oder der Steinmeier?

Gut, das zählt nicht ganz. Die alten Haudegen sind tot, ihre Themen längst gegessen, tun also nicht mehr weh. Spräche einer heute so wie die beiden, verfiele ein Großteil der Deutschen einem kollektiven Schluck­auf. Und der kann lange dauern. Über Thilo Sarrazin haben wir uns selbst nach Wochen noch nicht wieder eingekriegt. Manche rasten regelrecht aus wie der Kolumnist einer großen bürgerlichen Tageszeitung, der es passend fand, in einem gesprochenen Internet-Kommentar einige Passagen aus dem Sarrazin-Interview mit rollendem Hitler-R vorzutragen. Hörte sich an wie schlechtes linkes Kabarett aus den 50er Jahren.

Wir indes wollen hoffen, dass uns der Sarrazin noch des Öfteren aufmischt, wo wir schon den guten Peer Steinbrück eingebüßt haben, der mit seiner deftigen Indianergeschichte die Schweizer zum Alpenglühen brachte. Es gibt halt nur noch wenige von der Sorte, und die meisten sind schnell wieder weg. Wer länger bleiben will, der bediene sich tunlichst der Methoden, die DGB-Chef Michael Sommer empfehlen würde. Um nichts gefährlich Ungewöhnliches zu sagen, greift der vor jedem Satz in die Schachtel mit den vergilbten Spick­zetteln aus 60 Jahren Partei- und Arbeitskampf.

Jetzt musste er sich bis zum Jahr 1982 runterwühlen und schon staubten die Parolen seines Vorvorvorgängers Ernst Breit empor, mit denen der damals die schwarz-gelbe Kohl-Regierung begrüßt hatte: Das sei jetzt „das Ende der Solidarität“, es werde sozial „bitterkalt“ in Deutschland und krisenhaft, weil nach dem Koalitionsvertrag überall „sozialer Sprengstoff“ herumliege und ... Rhabarber, Rhabarber – dann doch lieber eine Steinmeier-Rede, oder gar eine von der Frau Merkel!

Das heißt, Sommer hat nicht nur Phrasenkalk rieseln lassen, an einer Stelle sprach er eine wirklich wichtige Sache an, es geht um den sozialen Frieden im Land: Den DGB-Vorsitzenden erregt, dass bei der Pflege- und Krankenversicherung die Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern nicht mehr gleich hoch sein sollen, zu Lasten der Arbeitnehmer.

Das ist in der Tat gefährlich: In anderen Ländern gibt es diese Zweiteilung oft gar nicht, da zahlen die Arbeitgeber die Bruttolöhne, von denen auf welchem Weg auch immer die Steuern und Abgaben abgezweigt werden. In Deutschland ist es im Grundsatz nicht anders. Den Arbeitgeber interessiert nur der Gesamtaufwand für den Arbeitnehmer, das sogenannte „Arbeitgeber-Brutto“. Auf welchen Wegen wie viel davon wohin verstreut wird, ist seiner Bilanz völlig wurst.

Warum ist das deutsche Verteilsystem für den sozialen Frieden dann so wichtig? Ganz einfach: So erscheint dem Arbeitnehmer seine Abgabenbelastung viel geringer, als sie in Wirklichkeit ist. Beruhigt stellt er auf dem Lohnzettel fest, dass ja auch sein Arbeitgeber ordentlich berappen musste bei den Abgaben für seine Rente, die Kasse und die Pflege, und vergisst dabei gerne, dass er für diesen Teil genauso arbeiten musste wie für alles andere.

Würde er seine Belastungen am Arbeitgeber-Brutto (also dem echten) messen, könnte der Durchschnittsverdiener erkennen, dass ihm von jedem Euro Lohnerhöhung nicht nur läppische 60, sondern etwa 70 Cent abgezogen werden. Mit der Info im Gepäck hören sich Forderungen linker Politiker und Gewerkschafter, die mal wieder „die sozialen Umverteilungsspielräume ausweiten“ wollen, schon anders an. Daher der energische Widerstand von Sommer und seinen Freunden gegen die kleine Erosion des vermeintlichen „Arbeitgeberbeitrags“ durch Schwarz-Gelb.

Leicht wird sie es ohnehin nicht haben, die neue Regierung. Schon reden die Auguren vom „Ende des Aufschwungs“. Vom Ende des ... was? Wir haben richtig gehört: Die kleine Zwischenerholung, die wir gerade durchschreiten, soll 2010 schon wieder vorbei sein. Mal sehen, was der Regierung nach den Konjunkturpaketen eins und zwei dann noch einfällt. Wir müssen jetzt alle an einem Strang ziehen, schallt es aus Berlin. Hoffentlich haben das alle gehört. Die Pharmaindustrie war jedenfalls ganz Ohr und hat für diesen Herbst ihr eigenes Konjunkturprogramm aufgelegt. Es firmiert unter dem Code-Wort „Schweinegrippe“. Nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dankenswerterweise die Kriterien für eine „Pandemie“ unlängst über Nacht abgesenkt hatte, konnte man die Grippe zu einem richtigen Angstmacher aufblasen. Wir wissen nicht, wie es der Autobranche kommendes Frühjahr gehen wird, die Kollegen Pillendreher jedenfalls dürften recht gut über den Winter kommen.

Impfen oder nicht? Muss jeder selbst wissen. Auf jeden Fall gilt wie immer, dass das körperliche Wohlbefinden wesentlich vom seelischen abhängt, was oft unterschätzt wird. Lachen ist gesund! Man muss dazu natürlich auch einen Grund haben. Der Zentralrat der Juden sucht den vergebens, seit Henryk M. Broder über ihn gekommen ist.

Der Journalist will Charlotte Knobloch als Vorsitzende beerben und nimmt den Zentralrat heftig unter Feuer, bezeichnet ihn gar als „Reue-Entgegennahme-Instanz“, die „Unbedenklichkeitserklärungen“ ausstelle. Statt sich um immer neue Holocaust-Gedenkstätten zu kümmern, sollten sich die Juden lieber um aktuelle Völkermorde sorgen. Überhaupt sei der Islamismus viel gefährlicher als randständige deutsche Rechtsextremisten. Und, Schock: Als Zentralrats-Chef will er dafür eintreten, das Verbot der Holocaust-Leugnung aufzuheben, weil es kontraproduktiv sei.

Auslöser für den Vorstoß war, auch das noch, eine Attacke des Generalsekretärs des Rates Stephan Kramer gegen Thilo Sarrazin, den dieser in die Nähe der Hitlerei brachte. Das habe sein Fass zum Überlaufen gebracht, so Broder.

Ihm geht es tatsächlich ganz ähnlich wie Sarrazin. Die Wut auf Broder kommt daher, dass er  sagt, was keiner hören will, obwohl es insgeheim jeder weiß. Ignatz Bubis seufzte kurz vor seinem Tode, er habe als Zentralrats-Vorsitzender nichts erreicht. Man ahnt, was er meinte: Er hatte eine Brut von Schleimern, Strebern und Denunzianten gepäppelt, die nur auf seinen „Koscher-Stempel“ (Rafael Seligmann) als „guter Deutscher“ scharf waren und die KZ-Toten als billige Munition gegen ihre politischen Gegner missbrauchten. Als ihm das der Schriftsteller Martin Walser 1998 in der Paulskirche ins Gesicht sagte, brach Bubis’ Welt zusammen. Nur Monate darauf starb er.


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