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07.11.09 / Anglikaner in der Krise / Der Church of England droht die Spaltung – Papst freut sich schon auf »Rückkehrer«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-09 vom 07. November 2009

Anglikaner in der Krise
Der Church of England droht die Spaltung – Papst freut sich schon auf »Rückkehrer«

In der anglikanischen Kirche tobt ein Richtungsstreit. Den rund 30 Millionen Anglikanern, die mit dem liberalen Kurs ihrer Kirche nicht einverstanden sind, hat Papst Benedikt XVI. nun ein für katholische Verhältnisse großzügiges Rückkehrangebot gemacht. Ein anglikanischer Bischof meinte schon, dass damit „das anglikanische Experiment vorbei“ sei.

Durch die nun angekündigte „Apostolische Konsitution“ des Vatikans können evangelische Christen leichter „in den Schoß Roms zurückkehren“. Wie bisher müssen sie den katholischen Katechismus und die Einheit der Kirche unter dem Papst anerkennen. Neu ist, dass sie künftig eine eigene rechtliche Struktur bekommen und gewohnte Riten beibehalten können.

Damit wird die englische Reformation gleichsam umgekehrt. Hatte Heinrich VIII. die Kirche seines Landes samt ihren Besitztümern „annektiert und vereinigt mit der imperialen Krone“, wie die Supreamatsakte von 1534 formulierte, so eröffnet der Papst nun gleichsam den umgekehrten Weg: Nicht nur einzelne, sondern ganze Gemeinschaften können nun die vor fast 500 Jahren vollzogene Trennung revidieren.

Der Schritt des Papstes sorgte nicht nur in Deutschland, sondern weltweit für ein lebhaftes Echo, manche Beoabchter sprechen von einem „historischen Schritt“. Konnten bisher nur einzelne Christen oder Amtsträger unter Verlust ihrer gesamten rechtlichen, kirchlichen und sozialen Bezüge in die katholische Kirche wechseln, so wird dies jetzt für große Gruppen unter weitgehender Beibehaltung ihres bisherigen religiösen Lebens ermöglicht.

Schon seit 1980 gibt es eine „Pastoral Provision“ von Papst Johannes Paul II., die es verheirateten Konvertiten erlaubte, die katholische Priesterweihe zu empfangen. Diese Möglichkeit haben in den vergangenen 30 Jahren hunderte von anglikanischen Priestern genutzt. Auch in Deutschland konvertierten schätzungsweise 20 bis 30 evangelische Pastoren aus unterschiedlichsten Gründen und arbeiten heute als katholische Priester. Nur einmal, im Jahr 1975, trat eine gesamte anglikanische Diözese, die von Amritsar im indischen Punjab, geschlossen zur katholischen Kirche über. Diese Möglichkeit der massenhaften Konversion erleichtert nun die neue Konstitution Papst Benedikts ganz entscheidend. Ungeklärt ist bisher noch die Frage der Übernahme der Kirchengebäude, der sonstigen Besitztümer und der anglikanischen Priesterweihe.

Nicht wenige Beobachter erwarten, dass die sich seit Jahren abzeichnende Spaltung der Anglikaner, die zutiefst uneins sind beispielsweise über die Frage offen homosexuell lebender Bischöfe, in der Form vollziehen könnte, dass ein Teil dieser weltweit rund 75 Millionen Gläubige zählenden Gemeinschaft zum Katholizismus zurückkehren könnte. Davor wären aber noch etliche Fragen zu klären, beispielsweise beharren  auch die meisten Papst-freundlichen anglikanischen Bischöfe  auf der Gültigkeit ihrer Weihe, die Rom bisher bestreitet.

Wie heikel die Konstruktion der Church of England als Staatskriche und wie angeschlagen ihre geistliche Verfassung ist, wird daran deutlich, dass das designierte Oberhaupt der Church of England, Prinz Charles, offen und öffentlich mit dem Buddhismus flirtet.

Viele wurden von dem Schritt Benedikts überrascht, so auch das anglikanische Kirchenoberhaupt Rowan Williams. Offenbar sah sich Rom unter Zeitdruck, denn gegenwärtig stehen hunderte von Priestern und Bischöfen, Millionen von Anglikanern vor der Entscheidung: Bleiben oder gehen? In großer Zahl Gebrauch werden von der neuen Möglichkeit voraussichtlich die wachsenden Kirchen der Anglikaner in Afrika, Asien und Amerika machen. Für die anglikanische Weltkirche wäre es ein kaum zu verkraftender Aderlass.             Hinrich E. Bues

Foto: In Bedrängnis: Dem anglikanischen Erzbischof und Primas Rowan Williams entgleitet das Steuer seines Kirchenschiffs.

 

Zeitzeugen

Heinrich VIII. – Der englische König, der auch wegen seiner sechs Ehen in die Geschichtsbücher einging, löste im Jahr 1534 aus höchst egoistischen Motiven eine Kirchenspaltung aus. Da der Papst  die vom König begehrte Scheidung nicht genehmigte, gründete dieser flugs die „Church of England“, die Anglikanische Kirche.

 

Benedikt XVI. – Der Papst beschreitet neue Wege für die Einheit der Kirche. Er setzt weniger auf immer neue Konferenzen und Papiere, sondern sucht die konkrete Einheit mit all jenen, denen es mit der Christusnachfolge ernst ist. Ihnen kommt er weit entgegen, auch wenn die Widerstände groß sind: Anfang dieses Jahres hob er die Exkommunikation der vier Bischöfe der Piusbruderschaft auf, nun erleichtert er Anglikanern den Übertritt.

 

George Bell – Viele Vertriebene kennen den 1883 geborenen anglikanischen Bischof als mutigen Gegner der Flächenbombardements auf deutsche Städte und der Vertreibung – wofür Winston Churchill ihn, vorsichtig gesagt, nicht liebte. Doch Bell war auch ein Vorkämpfer der Ökumene und einer der wichtigsten Verbündeten der „Bekennenden Kirche“ während der NS-Zeit. Er unterschrieb die Barmer Erklärung. Seine Intervention rettete Martin Niemöller das Leben.

 

Rowan Williams – Der Erzbischof von Canterbury und Primas der Anglikaner steht vor einem Scherbenhaufen. Etwa die Hälfte der rund 75 Millionen Anglikaner in 27 Teilkirchen hat sich gegen die Frauenordination und die Weihe von Homosexuellen zu Bischöfen gestellt. Hunderte von Priestern und einige Bischöfe sind bereits zur römisch-katholischen Kirche übergetreten.

 

Gene Robinson – Der homosexuelle Bischof aus New Hampshire (USA) hat die derzeitige Kirchenspaltung ausgelöst. Gegen das klare Votum der Anglikanischen Weltgemeinschaft von 1998 ließ er sich zum Bischof weihen. Robinson scheut sich nicht, bibeltreue Gläubige zu provozieren, etwa mit den Worten, er sei „unverschämt schwul und unverschämt gläubig“. Spaltungen sind ihm egal, wenn er nur die Kirche in seinem Sinne verändern kann.


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