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07.11.09 / Russki-Deutsch (41): Mitschurin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-09 vom 07. November 2009

Russki-Deutsch (41):
Mitschurin
von Wolf Oschlies

Mitschurin hat festgestell / Dass die Butter Gift enthält / Um das Volk nun zu gesunden / Ist die Butter ganz verschwunden“ – lautete eine Version eines Spottliedes, das in den frühen 1950er Jahren in der DDR auf den russischen Pflanzenzüchter Iwan Mitschurin gesungen wurde. In etwa glichen die Lieder über Mitschurins Feststellungen den Songs  über die Erfindungen des Sanitätsgefreiten Neumann – mit dem Unterschied, dass es Mitschurin wirklich gegeben hat. Er lebte von 1855 bis 1935 und entwickelte in diesem Leben durch geschickte Kreuzungen etwa 300 frostresistente Obstsorten, die dem Obstbau im rauen russischen Klima Fortschritte verschafften.

Mitschurin konnte und erreichte nicht mehr als viele deutsche Gärtner, was den Hohn erklärte, mit dem seine „genialen“ Kreuzungen von Deutschen kommentiert wurden: „Mitschurin, der Erfinder des hochstämmigen Bratkartoffelbaums“ – hörte ich damals in Thüringen, dessen fleißige und geschickte Menschen für sowjetische „Errungenschaften“ wenig, wenig übrig hatten. Darum blieben wir Thüringer Schüler wohl auch von den „Mitschurin-Gärten“ verschont, die ab 1951 in der DDR angelegt wurden, aber infolge Desinteresses von Lehrern und Schülern wieder verödeten.

Mitschurin war kein stalinistischer Scharlatan, hielt aber irrtümlich seine Veränderungen an Pflanzen für erblich. Das gefiel Stalin und seinen „wissenschaftlichen Hofnarren um den Biologen Lysenko, brachte aber die „Mitschurinsche Wissenschaft“ in Gegensatz zur klassischen Genetik, wie diese von dem deutschen Mönch Gregor Mendel entwickelt worden war. Das schützte die DDR jedoch nicht davor, den Unsinn der damaligen Sowjet-Biologie mitmachen zu müssen, auf den die chronische Nahrungsmittelkrise des Ostens zurückging:: „Jarowisiertes“ (vorgeheiztes) Getreide verfaulte nach der Saat im Boden, ungezählte Rinder erfroren im Winter in „Offenställen“. In Aleksandr Dowtschenkos Film „Mitschurin – Die Welt soll blühen“ (1948) war davon keine Rede. Heute wird der Streifen nur darum noch erwähnt, da die Filmmusik von dem russischen „Jahrhundertkomponisten“ Schostakowitsch stammte. Mit der Melodie der Mitschurin-Spottlieder war sie nicht identisch.


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