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14.11.09 / Brüssel sucht Mister Farblos / Die Besetzung der beiden neuen Spitzenjobs in der EU verkommt zum Postengeschacher

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-09 vom 14. November 2009

Brüssel sucht Mister Farblos
Die Besetzung der beiden neuen Spitzenjobs in der EU verkommt zum Postengeschacher

Dass es bei der Besetzung von übernationalen Posten nicht um Fähigkeiten geht, ist nicht ungewöhnlich, doch die Motive der 27 EU Regierungen lassen staunen.

„Er changiert zwischen farblos und grau“, lästert das „Handelsblatt“ über den belgischen Premier Herman van Rompuy. Dieser hat sich in seiner bisherigen politischen Laufbahn sehr kompromissbereit gezeigt, und manche sagen, er sei selber ein Komrpomiss. Da sein Vorgänger, der gewählte Premierminister Yves Leterme, die in Belgien so zerstrittenen Flamen und Wallonen der verschiedenen Parteienzugehörigkeit nicht hatte einen können, ernannte König Albert II. van Rompuy zum Premier. Dessen ausgleichendes Wesen, seine Mehrsprachigkeit und die Tatsache, dass er aus einem kleinen Land kommt, sorgen dafür, dass zumindest Londoner Buchmacher darauf wetten, dass der 62-jährige Flame erster Präsident des Europäischen Rates, dem Gremium der Staats- und Regierungschefs der EU, wird.

Dieses Amt ist neu. Vor Jahren einigten sich die 27 EU-Staaten auf die Schaffung dieses Postens. Auch einen „Hohen Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik“ soll es geben. Und da die Tschechische Republik am 3. November als letzter unter den 27 EU-Staaten nach langem Ringen den Lissabon-Vertrag ratifiziert hat, gibt es ab sofort diese beiden neuen Spitzenposten in der EU.

Und so wurde am 9. November, als in Berlin zum zweiten Mal die Mauer fiel − in diesem Jahr bestehend aus über 1000 Dominosteinen aus Styropor −, zwischen den anwesenden Regierungschefs die Besetzung der neuen Posten heiß diskutiert. Vor allem der amtierende schwedische EU-Ratspräsident Fredrik Reinfeldt, aber auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und der britische Premier Gordon Brown machten Vorschläge. Besonders laut fiel dann auch der Name Jan Peter Balkenende, doch ob der niederländische Ministerpräsident mehr Zustimmung erhalten kann als van Rompuy, soll erst auf einem Sondergipfel geklärt werden. Eigentlich war dieser für den 12. November geplant, doch bei Redaktionsschluss dieser Zeitung zeichnete sich ab, dass der Termin verschoben würde.

Am 20. Jahrestag des Mauerfalls gab sich die Berliner Gastgeberin als Zuhörerin, da Merkel nicht direkt ein eigenes Pferd ins Rennen schicken will. Zwar befürwortet sie die Kandidatur des Italieners Massimo d’Alema als „Hoher Vertreter“, doch das liegt weniger an der Qualifikation des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten (1998−2000), als vielmehr an der Tatsache, dass sie Rom jetzt einen EU-Posten zukommen lassen möchte. Merkel hofft, dass die Italiener dann im Gegenzug nicht ihren Zentralbankchef Mario Draghi als Nachfolger des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, ins Spiel bringen. Dies wiederum erleichterte es der deutschen Kanzlerin, ihren eigenen Kandidaten, den deutschen Notenbankchef Axel Weber, auf diesen Posten zu setzen. Denn auch wenn Merkel stets betont, wie wichtig diese beiden neuen Posten in der EU seien, so handelt es sich doch nur um repräsentative und gut dotierte Stellen (Jahresgehalt etwa 250000 Euro) − gestalten kann man an anderer Stelle. Gerade deswegen soll der EU-Präsident auch aus einem kleinen Land kommen, da er sich eher mit der Aufgabe des Sitzungsleiters bei EU-Gipfeln zufrieden geben würde als eine Person, die zuvor in einem großen Land in Würden war. Allein deswegen wäre Tony Blair, der kurzzeitig als neuer EU-Präsident gehandelt wurde, nicht mehrheitsfähig gewesen. Der selbstbewusste ehemalige britische Premier sucht dringend nach einer neuen Aufgabe. Doch der 56-jährige wurde selbst von seinem Land nicht unterstützt. Die britischen Konservativen unter David Cameron hassen Blair noch mehr, als sie die EU verachten, und Blairs Nachfolger Gordon Brown wollte am liebsten seinen Außenminister David Miliband als „Hohen Vertreter“ sehen. Der wiederum ahnte, was Brown beabsichtigte und winkte ab: Er wolle bei seiner am Boden liegenden Partei nicht den Eindruck hinterlassen, er verlasse „wie eine Ratte das sinkende Schiff“. Die bei den Wahlen 2010 vermutlich den Torries unterliegende Regierungspartei Labour sah diese Äußerung als Bewerbung auf die Nachfolge von Parteichef Brown, der nach der zu erwartenden Wahlniederlage seine politische Karriere beendet haben dürfte.

Doch während Miliband lieber die Führung einer stark geschwächten Partei als einen aus Koordinationsaufgaben bestehenden EU-Posten anstrebt, war sich Blair nicht zu schade, in Paris und Berlin anzurufen und um Unterstützung zu bitten. Doch der Bettelanruf brachte nichts, soll doch der Präsidentenposten mit einem Konservativen besetzt werden, was Blair ja nun mal nicht ist. Und als „Hohen Vertreter“, dem Quasi-Außenminister-Posten, der mit einem Sozialdemokraten besetzt werden soll, wollen die eigenen Parteigenossen den Irakkrieger Blair nicht sehen.

Aber auch Merkels Kandidat d’Alema ist umstritten. Vor allem aus Osteuropa kommt Kritik. Dort stößt die kommunistische Vergangenheit des Italieners auf Empfindlichkeiten. EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek fehlt zudem bei der Vergabe der Posten die „geografische Balance“ zwischen Ost und West. Doch das demokratisch gewählte EU-Parlament hat bei der Wahl des jetzt neuen Präsidenten und des „Hohen Vertreters“ nichts zu sagen. Der Präsident wird nämlich vom Europäischen Rat, also den 27 Regierungsvertretern, für eine Amtszeit von zweieinhalb Jahren gewählt und ersetzt den Vorsitzenden des Europäischen Rates, auf dessen Posten zur Zeit der Schwede Reinfeldt ist. Der „Hohe Vertreter“ hingegen wird durch den Rat der EU, bestehend aus den Vertretern jedes Mitgliedstaats auf Ministerebene, ernannt.

Allerdings dürfen Buzek und sein Parlament ihr Veto zu den neuen EU-Kommissaren geben, da diese Posten in den nächsten Wochen ebenfalls neu besetzt werden. Rebecca Bellano

Foto: Immer zu einem Kompromiss bereit: Zumindest für die Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedsstaaten ist EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso die perfekte Besetzung.


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