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14.11.09 / »Ich möchte mit keinem tauschen« / Ein Ehepaar und 34 Kinder – Adoption half ihnen aus misslicher Lage

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-09 vom 14. November 2009

»Ich möchte mit keinem tauschen«
Ein Ehepaar und 34 Kinder – Adoption half ihnen aus misslicher Lage

Wer drei oder mehr Kinder hat, gilt als kinderreich und kann sich als Großfamilie bezeichnen. Was aber sagt man, wenn es über 30 Kinder sind? Gibt’s nicht, dürfte die erste Reaktion sein.

Gibt’s aber doch: Elisabeth und Mike Stenmans aus Euskirchen haben 34 Kinder im Alter zwischen sechs bis 37 Jahren – zwei sind leibliche Kinder von Mutter Elisabeth und 32 sind Adoptivkinder.

Angefangen hatte alles 1962 während einer Kreuzfahrt rund um Afrika, zu der Elisabeth im Alter von zwölf Jahren von den Eltern mitgenommen worden war. Die Tochter wohlhabender Fabrikanten sah bei den Landgängen das Elend der Kinder in den Städten. Kinder mit Augenkrankheiten, Hungerbäuchen, Missbildungen. Da stand für sie fest: Ich will helfen.

Anstatt ihr Taschengeld für sich auszugeben, hat sie es Hilfsorganisationen wie „Misereor“ oder „Brot für die Welt“ gespendet. Bereits damals wusste sie, dass sie einmal notleidende Kinder aufnehmen will, hatte sich allerdings nicht träumen lassen, dass es so viele sein würden. Später engagierte sie sich auf Sozialstationen in Afrika, Asien und Südamerika.

Nach dem Abitur absolvierte Elisabeth ein Studium auf Lehramt sowie parallel dazu in Pädagogik und Psychologie, war aber auch weiterhin ehrenamtlich aktiv. Dann bekam sie den ersten ihrer beiden leiblichen Söhne. Bald erkannte sie, dass die Möglichkeiten der Hilfe vor Ort begrenzt waren, und so nahm sie zwei Mädchen bei sich auf.

Später holte sie weitere 30 Kinder und Jugendliche aus Äthiopien, Brasilien, Rumänien und Sri Lanka nach Deutschland. Fast immer arbeitete sie mit Kirchen und Hilfsorganisationen zusammen, fast immer waren es Kinder, deren Eltern sie aufgegeben hatten, missbraucht, verwahrlost, teilweise geistig und körperlich behindert, die Vermittlung im eigenen Land gescheitert.

„Wir haben Kinder aufgenommen, die sonst überhaupt keine Chance gehabt hätten“, erklärt Elisabeth Stenmans, „ich konnte ihnen am meisten durch eine Adoption helfen.“

Oftmals waren die Kinder schwer traumatisiert, sie zu betreuen erforderte fachliche Kenntnisse; die hatte die Vielfach-Mutter nach dem Studium fortlaufend erworben, so dass sie heute unter anderem Heilpraktikerin, Gesprächs-, Kunst- und Verhaltenstherapeutin sowie approbierte Kinder- und Jugendpsychotherapeutin ist.

Seit 1981 wohnen die Stenmans in Kreuzweingarten, einem Stadtteil von Euskirchen. Die Familie verteilt sich derzeit auf fünf Häuser mit 50 Zimmern. Neben den Zimmern der Kinder gibt es gemeinschaftliche Wohnbereiche sowie verschiedene Spiel- oder Toberäume, die nach dem Bedarf der Kinder eingerichtet sind. 18 der noch im Familienverbund lebenden 26 Kinder sind minderjährig, die meisten besuchen reguläre Kindergärten und Schulen in der Umgebung. Nachmittags kümmern sich die inzwischen erwachsenen Geschwister, die größtenteils als Erzieher, Heil- und Sozialpädagogen ausgebildet sind, gemeinsam mit Mutter Elisabeth um die Kleinen. Unterstützung erfährt die Vielfach-Mutter durch hauswirtschaftliche Kräfte und Ehemann Mike. Jeden Tag wird irgendetwas angeboten, was unter die Rubriken Kreativität, Natur oder Sport einzuordnen ist, und an den Wochenenden werden Ausflüge unternommen. Für derartige Reisen macht sich Elisabeth Stenmans den Service der Deutschen Bahn zunutze: „Ich habe eine Bahncard 25 für die 1. Klasse. Da fahren Kinder unter 15 Jahren kostenlos bequem und entspannt mit“, erzählt sie, so kann der private Fuhrpark, der aus einem Kleinbus und vier Autos besteht, zu Hause bleiben. In den Sommerferien dürfen die Kinder wählen, was sie machen wollen. So waren jetzt beispielsweise einige Kinder in Amsterdam, andere in Berlin, in Hamburg, in Weimar oder auf Kreuzfahrt in Norwegen.

Ungefähr 20000 Euro geben die Stenmans monatlich für ihre Kinder aus, ein Drittel entfällt dabei allein auf Lebensmittel und Hygieneartikel. Hinzu kommen Kosten für die Ausbildung, für Hobbys und Kleidung. Auf Unterstützung vom Staat sind sie dabei nicht angewiesen. „Wir bekommen neben dem Pflegegeld für drei behinderte Kinder nur das Kindergeld, das jeder erhält“, sagt Elisabeth Stenmans. „Das ist auch richtig so, denn ich kann und will meine Kinder selbst unterhalten.“ Um finanziell über die Runden zu kommen, greift Elisabeth Stenmans auf das Familienvermögen zurück und „wirtschaftet besonnen“, wie sie betont.

Die Motivation für ihr Engagement holt sie sich aus ihrem christlichen Glauben. „Alle Menschen sind Kinder Gottes, unabhängig von ihren Stärken und Schwächen. Ich glaube, dass Gott mir diese Kinder zugedacht hat“, sagt die 34-fache Mutter, die mittlerweile auch schon drei Enkel hat, „mein Leben ist sehr ausgefüllt und ich möchte mit keinem anderen Menschen auf der Welt tauschen.“         Corinna Weinert

Foto: Große Familie: Elisabeth Stenmans inmitten ihrer Kinderschar


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