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14.11.09 / Mit dem Stretchtrabant durch Dresden / Bei auswärtigen Gästen sind die Rundfahrten mit Steffen Lachmann, der Historie mit Humor verpackt, sehr beliebt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-09 vom 14. November 2009

Mit dem Stretchtrabant durch Dresden
Bei auswärtigen Gästen sind die Rundfahrten mit Steffen Lachmann, der Historie mit Humor verpackt, sehr beliebt

Nein, Ostalgie ist Steffen Lachmanns Sache nicht. Ganz im Gegenteil. „Wissen Sie“, sagt er, „ich hatte während der DDR-Zeit genug Schwierigkeiten mit der ‚Firma‘ – Sie wissen schon – dem Ministerium für Staatssicherheit.“ Als Busfahrer, der gern mal eine kesse Lippe riskierte, war er denen „da oben“ ziemlich suspekt. Deshalb bekam er auch stets nur so viel Treibstoff für sein Fahrzeug, wie unbedingt notwendig. Die hatten immer Angst, er würde „rübermachen“ wie Tausende seiner Landsleute. Doch Schwamm drüber, lacht der gebürtige Dresdner, nach der Wende sei ja nun alles ganz anders gekommen.  Da hieß es, die Ärmel hochkrempeln und sein Leben selbst in die Hand nehmen. Also – Busfahrerdasein adieu und hinein ins kalte Wasser der Selbständigkeit. Ideal erschien eine Tätigkeit als Fremdenführer durch die Stadt, die er wie seine Westentasche kennt. Und da sind wir schon bei der Nostalgie. Denn für Lachmann ist Dresden der schönste Ort unter dem Himmel. Nachdem die Stadt mit der wiedererstandenen Frauenkirche und den vielen restaurierten Barockbauten in neuem Glanz erstrahlt, sind seine Rundfahrten bei auswärtigen Gästen sehr beliebt. Für diese Exkursionen hat er extra einen Trabi in eine Stretchlimousine umbauen lassen. Eine echte Marktlücke! Wo immer er mit seinem ungewöhnlichen Gefährt auftaucht, begegnet er erstaunten Blicken. Die Fahrten führen kreuz und quer durch Dresden und Umgebung. Eine versenkbare Kühlvorrichtung für Sekt- und Champagnerflaschen ist auch vorhanden. „Vor allem für Hochzeitsgäste“, strahlt Steffen Lachmann, „die gern ein Gläschen trinken, während ich ihnen das Taschenbergpalais und die Altstädter Wache zeige.“ Nach der Mittagsandacht in der lichtdurchfluteten Frauenkirche geht es zu den Elbschlössern auf – drei architektonischen Perlen inmitten blühender Weinberge. Sie wurden im 19. Jahrhundert erbaut. Das vom Schinkel-Schüler Adolph Lohse geplante Schloss Albrechtsburg ist einer römischen Renaissancevilla nachempfunden. Im Römischen Bad und auf der Gartenterrasse, die einen herrlichen Blick auf die Elbe gewährt, finden regelmäßig Konzerte und andere Veranstaltungen statt. „Das ursprünglich für einen Adligen erbaute spätklassizistische Schloss daneben kaufte ‚Odolkönig‘ Karl August Lingner“, erläutert Steffen Lachmann. Der dritte Palast im Bunde, das im neugotischen Stil errichtete Schloss Eckberg, thront gleich einer Ritterburg am Elbhang und wird heute als Hotel genutzt.

Die Dresdner erlebten ihr „Blaues Wunder“ 1893, als die Loschwitzer Brücke zwischen Blasewitz und Loschwitz für den Verkehr freigegeben wurde. „Die neue Bauweise ohne Strompfeiler aus weit über 3000 Tonnen Eisen war eine Sensation!“ Der Fahrer weist auf die 260 Meter lange Hängebrücke, die ihren Spitznamen dem blauen Anstrich verdankt. Dies ist der Zündstoff für ein Thema, das seit Jahren die Gemüter weit über die Landesgrenzen hinaus bewegt und erregt – die „Waldschlösschen- brücke.“

Die Bauarbeiten sind bereits in vollem Gang und haben die Unesco veranlasst, Dresden den begehrten Titel eines Weltkulturerbes abzuerkennen. Steffen Lachmann schüttelt den Kopf, als es an dem ausgehobenen Terrain vorbeigeht, das wie eine offene Wunde in der schönen Elblandschaft klafft. Mit dem vielen Geld, das bereits verbraten wurde, meint er, hätte man die Brücke auch unter die Elbe verlegen können. Befürworter dieser Lösung sagen, die Entscheidung, den „Schandfleck“ zuzulassen, ginge auf den sozialistischen Schlendrian zurück, der noch immer in den Köpfen vieler älterer Bürger spuke. „Da ist nischt mehr zu machen. Aber die Touristen werden mein schönes Dresden deshalb sicherlich nicht meiden.“ 

Am goldenen Reiterstandbild Augusts des Starken nahe der Augustusbrücke, das nach Osten weist, holt ihn dann die böse DDR-Vergangenheit wieder ein. „Da hat einer Anfang der 80er Jahre an den Sockel geschrieben, Erich Honecker möge doch in Richtung Osten reiten und verschwinden.“ Der Mann wurde gefasst und eingesperrt, weil er das ausgesprochen hatte, was ein Großteil der Bevölkerung sich wünschte.

Angenehmer ist folgende Anekdote: Bei der Überquerung der Brücke soll August seinen Kutscher mit den Worten „Un wech – nur die mit droff“ angewiesen haben, die eine oder andere Schöne zu „entführen.“ Im Volksmund heißt die Brücke seither die „Diemitdroffbrücke.“ Ein Seitenhieb auf den DDR-Kult um den bulgarischen Altkommunisten Georgij Dimitroff.

Die Rundfahrt mit den Erklärungen des gutgelaunten Cicerone vergeht wie im Fluge. Der „Fürstenzug“ am Stallhof mit der aus 24000 Porzellanfliesen der Meissener Manufaktur erschaffenen Genealogie des Wettiner Adelsgeschlechts überstand wie durch ein Wunder das Inferno des 13. Februar 1945 völlig unbeschadet. „Wir Dresdner deuteten dies als gutes Omen“, sagt Steffen Lachmann feierlich. Zu Recht. Ihre Stadt ist nicht untergegangen, sondern aus Ruinen strahlend auferstanden wie einst Phönix aus der Asche. Uta Buhr

Rundfahrten mit dem Stretchtrabant sind zu buchen unter (0177) 2929560 oder unter www.stretch-trabi-dresden.de

Foto: Ungewöhnliches Gefährt: PAZ-Autorin Uta Buhr konnte sich von den Vorzügen des Stretchtrabants überzeugen.


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