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14.11.09 / Billiger Provokateuer / Das neue Goldhagen-Buch widerstrebt selbst den Anhängern des Zeitgeistes

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-09 vom 14. November 2009

Billiger Provokateuer
Das neue Goldhagen-Buch widerstrebt selbst den Anhängern des Zeitgeistes

Für Provokationen ist Daniel Jonah Goldhagen immer gut. Hatten vor allem viele Deutsche nach seinem Erstlingserfolg „Hitlers willige Vollstrecker – Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust“ aus dem Jahr 1996 gehofft, nie wieder etwas von diesem als Schmierfink wahrgenommenen Politikwissenschaftler zu hören, so legte er 2002 mit „Die katholische Kirche und der Holocaust – Eine Untersuchung über Schuld und Sühne“ nach. Vor wenigen Wochen folgte nun „Schlimmer als Krieg – Wie Völkermord entsteht und wie er zu verhindern ist“. Selbst die in Sachen Goldhagen zuvor wohlwollende „Zeit“ spricht von einem „Totalausfall“, doch trotzdem konnte sich der 1959 geborene Sohn eines Holocaustüberlebenden über ein großes Medieninteresse freuen. Zwar konnte er nicht genauso viele Einladungen in Talkshows wie 1996 verbuchen, doch mit seinem Vorschlag, die Weltgemeinschaft solle doch ein Kopfgeld auf Massenmörder aussetzen, gelang es ihm, genügend Werbung für sein Buch machen.

Dieses kommt in seiner Gesamtheit zwar seriöser daher, als man es bei seinem Autor vermutet, doch das liegt daran, dass auch Goldhagen nicht 684 Seiten am Stück provozieren kann. Gleich sein erster Satz dürfte in den USA für Erschütterung gesorgt haben: „Harry Truman, der 33. Präsident der Vereinigten Staaten, war ein Massenmörder.“ Wer jetzt als Deutscher jedoch denkt, dass seine Vorfahren dieses Mal besser davonkommen als bei „Hitlers willige Vollstrecker“, nur weil das Buch mit Trumans Schuld am Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki beginnt, irrt. Ziel des Autors war die größtmögliche Provokation und dafür musste er sich eben etwas Neues einfallen lassen.

Trotz aller Emotionen und Widerworte, die der seit seinem ersten Bucherfolg nicht mehr in Harvard Lehrende auslöst, bietet sein Buch so manche Aha-Momente. Das liegt nicht nur an der durchschaubaren Art, wie der Autor, auf den Zeitgeist reagierend, Schlagzeilen zu machen hofft: So manche der von ihm gestellten Fragen im Zusammenhang mit Völkermorden sind durchaus aufschlussreich und in die Tiefe gehend. Das gilt jedoch nicht für seine Antworten.

Warum wird die Vernichtungsmaschinerie in Gang gesetzt? Warum werden manche Gruppen zur Eliminierung vorgesehen und andere, sogar im selben Land, nicht? Warum wird für eine zur Eliminierung vorgeschlagene Gruppe die Vernichtungsvariante gewählt? Warum beginnt der Vernichtungsangriff dann, wenn er es tut? Warum bleiben Menschen angesichts derartiger Gräuel untätig? Dies sind nur einige der durchaus bedeutungsvollen Fragen, die der Autor stellt. Zur Beantwortung zieht der Autor Völkermorde der Vergangenheit heran und geht dabei auf ihre Muster und Ursprünge ein.

Deutsche, Türken, Serben, Indonesier, Kambodschaner, aber auch Chinesen und Russen werden als Täter vorgestellt, die sich aus den verschiedensten Gründen zum Morden hätten verführen lassen. Hier betont Goldhagen jedoch ausdrücklich, dass es für ihn keine Kollektivschuld gebe, bestenfalls würden viele eines Volkes kollektiv schuldig. Doch von seiner bereits 1996 weltweit diskutierten These, dass die Deutschen besonders anfällig für den Massenmord an den Juden gewesen seien, weil sie den Antisemitismus tief verinnerlicht gehabt hätten, lässt er nicht ab.

Plakativ greift er einige Beispiele früherer Völkermorde heraus, um Antworten auf die Fragen zu geben. Effektheischend baut er einige deftige Zeitzeugenberichte ein, um seine zuvor aufgestellten Thesen zu belegen. Gegen Ende gibt er dann sehr eigenwillige Ratschläge, wie die Welt in Zukunft Massenmorde verhindern kann.

Bereits diese Ratschläge zeigen, dass Goldhagen zwar älter, aber nicht weiser geworden ist. Die Kritik an seinen vorherigen Publikationen hat ihn nicht zu einem wissenschaftlicheren Arbeiten bewegen können, so dass auch „Schlimmer als Krieg“ letztendlich auf dem Niveau einer „Bild“-Zeitung hängen bleibt.   R. Bellano

Daniel Jonah Goldhagen: „Schlimmer als Krieg – Wie Völkermord entsteht und wie er zu verhindern ist“, Siedler, München 2009, geb., 684 Seiten, 29,90 Euro


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