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21.11.09 / In den Semesterferien an die Albertina / Der bundesdeutsche Jurastudent Matthias Friehe nahm an der Sommeruniversität in Königsberg teil

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-09 vom 21. November 2008

In den Semesterferien an die Albertina
Der bundesdeutsche Jurastudent Matthias Friehe nahm an der Sommeruniversität in Königsberg teil

Jahr für Jahr können ambitionierte Studenten weltweit an Sommeruniversitäten teilnehmen. Sommeruniversität, das bedeutet während der Semesterferien Vorlesungen zu Spezialthemen, über die man im normalen Studium oft wenig hört, das bedeutet ein Plus im Lebenslauf und meist auch noch Sonne, Urlaub und Spaß.

All das habe ich auch Ende Juli/Anfang August in der dreiwöchigen Sommeruniversität an der Juristischen Fakultät in Königsberg erlebt. Zwar hat die Stadt neben wenigen deutschen Überbleibseln – etwa dem wiedererrichteten Dom – vielfach nur stalinistisches Einheitsgrau zu bieten. Doch die bezaubernde Landschaft rund um die Kurische Nehrung, die hohen Wellen der Ostsee sowie die vielen anregenden Stunden mit den russischen Gastgebern und Kommilitonen haben Urlaubsstimmung hervorgerufen. Der für mich völlig neue Einstieg ins Völkerrecht und die Lehrveranstaltungen in den anderen Bereichen waren so umso leichter zu absolvieren.

Die Sommeruniversität findet alle zwei Jahre statt und ist Teil des Internationalen Programms für Studien im europäischen Recht, das von den Partneruniversitäten der Königsberger Kant-Universität in Marburg, Göttingen, Augsburg, Bergen, und Turku in Verbindung mit dem dortigen Zentrum für Völkerrecht angeboten wird. In diesem Zusatzstudiengang erhalten Jura-Studenten der Kant-Universität die Gelegenheit, das Recht der europäischen Staaten, der Europäischen Union und der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie das Völker- und Internationale Privatrecht in deutscher und englischer Sprache kennenzulernen. Die Vorlesungen werden von ausländischen Dozenten gehalten, und man kann auch ein Semester an einer der Partneruniversitäten studieren. Über die erfolgreiche Teilnahme wird ein Zertifikat ausgestellt, an das sich später auch ein Magister-Studium im Ausland anschließen kann. Finanziert wird das Programm, einschließlich der Auslandsaufenthalte, von der Europäischen Union, vom Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und von privaten Geldgebern, namentlich auch der Landsmannschaft Ostpreußen.

Die Teilnahme an der Königsberger Sommeruniversität ist etwas ganz Besonderes: Schon an dem recht rustikalen russischen Studentenheim kann man das eindrücklich erleben. Oder auch an den Zwiebeltürmen der neuen orthodoxen Kathedrale, die von einer ganz anderen Kultur künden. Auch fast 20 Jahre nach der Öffnung der einst gesperrten Stadt kommen nur vergleichsweise wenige Ausländer dorthin. Am ehesten besuchen sie noch Deutsche, die sich auf die Spuren ihrer Kindheit oder ihrer Eltern machen. Aber kaum einer kommt für volle drei Wochen, kaum junge Menschen sind dabei und die wenigsten von ihnen hören dann auch noch juristische Vorlesungen. Hinzu kommt das Themenspektrum: Vorlesungen zu rechtsstaatlichem Polizeirecht oder zum Schutz der Menschenrechte scheinen zunächst nichts Ungewöhnliches zu sein, erhalten aber in der Russischen Föderation ihren besonderen Reiz.

Das soll nun nicht als schnöde Kritik verstanden sein, wie man sie oft in deutschen Medien über Russland vernimmt. Ganz im Gegenteil: Drei Wochen in der Russischen Föderation helfen, Land und Leute besser kennenzulernen, Vorurteile abzubauen und ein differenzierteres Bild zu erhalten. Etwa lernte ich, dass auch die russische Verfassung einen detaillierten Grundrechtskatalog enthält, dass Russland Vertragspartner der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ist und dass – laut russischer Verfassung – internationale Verträge, die von Russland ratifiziert wurden, unmittelbar geltendes russisches Recht sind, es sich bei den Garantien der EMRK also um russische Rechtssätze handelt. Für mich war deshalb wohl die EMRK-Vorlesung mit am interessantesten: Auch in Russland ist man Menschenrechtsverletzungen nicht schutzlos ausgeliefert. Der jährliche Bericht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der über die Beachtung der EMRK wacht, verzeichnete für das vergangene Jahr zwar 233 Urteile gegen Russland (gegen Deutschland waren es sechs), in denen Menschenrechtsverletzungen festgestellt wurden. Aber das heißt auch, dass mittlerweile viele Russen ihre Rechte kennen und wissen, wo sie diese einklagen können.

Durch diesen Besuch bin ich zuversichtlich geworden, dass sich Russland hin zu einer rechtsstaatlichen Demokratie nach europäischem Standard entwickeln wird. Dazu passt, dass viele der russischen Jura-Studenten, die ich kennengelernt habe, eine bemerkenswert kritische Einstellung zu den politischen Verhältnissen in ihrem Land haben. Außerdem gilt, dass wenn es erst einmal klare Gesetze (wie die Menschenrechte) und genügend darin ausgebildete Juristen gibt, dann diese Gesetze auch irgendwann einmal umgesetzt werden.

Ein kleines Erlebnis aus diesen drei Wochen: Bei der Polizeirechtsvorlesung tauchte die Frage auf, was ein Polizist unternehmen kann, wenn sich ein Fahrzeughalter weigert, sein Fahrzeug aus dem Parkverbot zu entfernen. Die schnelle Antwort eines russischen Kommilitonen: Er schießt in die Luft! Da hieß es, nach­drück­lich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns zu erläutern. Wir sind also zum Dialog gezwungen, um für Werte wie Rechtsstaat und Demokratie zu werben. Wie wichtig dieser Dialog ist, wird zumal in Königsberg vollends deutlich, weil hier die Russische Föderation nur eine Flugstunde von Berlin entfernt ist. Dabei war stets zu spüren, dass das auch die Königsberger längst erkannt haben. Und so war die Sommeruniversität nicht nur für die ausländischen Gäste, sondern auch für die Russen aus Moskau, St. Petersburg oder Kazan eine besondere Erfahrung.            Matthias Friehe

Zur engen Zusammenarbeit zwischen den Partneruniversitäten in Königsberg und Marburg gehört auch, dass Studenten der Albertina an der Philipps-Universität studieren. Gefördert wird dieses durch die LO. Sie hat ein dauerhaftes Stipendium für ein einsemestriges Studium am Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität für Studenten der juristischen Fakultät der Albertina in Höhe von jährlich 3500 Euro gewährt. Partner der Landsmannschaft am Fachbereich Rechtswissenschaft der Philipps-Universität ist der dortige Professor und Teilnehmer an der Königsberger Sommeruniversität Hans-Detlef Horn.

Foto: Kant-Universität in Königsberg: Friehes Alma mater während der Semesterferien


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