23.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
21.11.09 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-09 vom 21. November 2008

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

beginnen möchte ich heute mit  dem seltsamen Gebilde, das Sie hier sehen, und sicher haben sich einige Leser schon die Frage gestellt, was dieses in unserer Familien-Kolumne zu suchen hat. Es hat aber schon seine Richtigkeit, auch wenn es sich um einen ausgefallenen Suchwunsch handelt, den uns die Lehrerfamilie Hinz stellt, die sich mit Sprecherziehung und Sprachheilkunde beschäftigt. Und den erklärt Herr Ditmar Hinz aus Berlin so: „Für die Erfüllung seltener Suchwünsche sind Sie ja berühmt, und zu etwas Zuversicht fühlen wir uns berechtigt, weil unsere Familienmutter uns Dreien schon helfen konnte.“ Die Blumen, lieber Hinz, muss ich weiterreichen an alle unsere Mitdenker und Mithelfer, die dies ermöglichten. Nun zu Ihrem neuen Wunsch, den Sie so formulieren: „Wir suchen die abgebildete Lesemaschine, die der verdienstvolle, leider vergessene Königsberger Sprachheillehrer Paul Rigge vor hundert Jahren entwickelte. Sie besteht aus Pappe und Holz und hat einen Durchmesser von 80 Zentimetern. Die Roggesche Lesetafel ist für den Lehrer bestimmt. Unser Aufruf geht an alle Heimatmuseen, -stuben und -freunde. Nicht nur für die Erforschung der Schulgeschichte Ostpreußens ist diese Lesemaschine von Bedeutung. Vielmehr können wir uns eine praktische Nutzanwendung heute in den ersten Schuljahren, also in den Anfangsklassen, vorstellen. Die dazugehörenden vier Alphabete werden dann der heutigen Druck- und Schreibschrift angepasst. In kurzer Zeit kann jeder Schüler zum Lesen von Lautverbindungen herangezogen werden – statt der Stillarbeit am elektronischen Rechner. Kehren wir zu altbewährten Sprech- und Leseübungsverfahren zurück, denn vier Millionen Analphabeten (!) hat es vor hundert Jahren nicht gegeben. Hier zeigt sich unter anderem das hohe Niveau des ostpreußischen Schulwesens, das es zu heben gilt.“

Soweit die Erklärung von Herrn Hinz zu der abgebildeten „Lesemaschine“. Interessant wäre es zu erfahren, ob sich noch ältere Leserinnen und Leser an das Lernen mit diesem Hilfsmittel erinnern können. Aber ob sich tatsächlich in irgendeiner musealen Einrichtung, die unseren Leserinnen und Lesern zugänglich ist, noch ein Exemplar befindet, ist allerdings fraglich. Unwissende hätten wohl mit dem für sie unerklärlichen Gebilde aus Pappe und Holz, selbst wenn es über Krieg und Nachkriegszeit gerettet wurde, nichts anfangen können. Es sei denn, es wäre einem Pädagogen in die Hände gefallen, der sich mit Sprecherziehung beschäftigt. Die Entwicklung dieser Lesemaschine Anfang des 20. Jahrhunderts und ihre Anwendung hat die Sprachheilautorin Margund Hinz in ihrem Buch „Die Geschichte des Sprachheilwesens in Ostpreußen“ eingehend behandelt. Sie hatte sich bei der Arbeit zu dem wissenschaftlichen Werk auch an unsere Ostpreußische Familie gewandt. In das mir beim Ostpreußentreffen in Berlin übergebene Buch schrieb sie als Widmung: „Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung bei meiner Arbeit, verbunden mit dem Wunsch nach weiteren erfolgreichen Aufgaben der Ostpreußischen Familie“. Eine liegt nun in ihrem Fall vor, hoffen wir, dass sie erfolgreich wird.

Dankesbriefe sind gekommen, und ich reiche sie gerne weiter. Von Frau Fleddermann aus Lindewitt, die auf ihre Frage nach dem Geburtsort ihres Vaters mehrere Zuschriften und Anrufe erhielt und sich darüber sehr gefreut hat. Dieser Ort hieß damals im Jahr 1905 Konstantinow und sollte im Kreis Kulm gelegen haben. Sie hatte ihn auf keiner Karte entdecken können und wir trotz emsiger Suche auch nicht, vermuteten ihn weiter östlich. Nun erhielten wir von Herrn Dr. Nikolaisen aus Büsum einen interessanten Hinweis, der darauf schließen lässt, dass es doch einen Ort dieses Namens im alten Westpreußen gegeben hat. Er hatte ihn in einem Reprint von Ritters Geographischem Lexikon von 1874 entdeckt, in dem mehrere Orte dieses Namens verzeichnet sind. Nr. 6 schien der richtige zu sein:

Konstantinow, Dorf in Preußen, Regierungsbezirk Bromberg, Kreis und bei Wirsitz. „Heureka, wir haben‘s!“, freute ich mich und fügte diesen Fund sofort in mein Manuskript für die nächste „Ostpreußische Familie“ ein. Die Lösung sollte schon in der letzten Ausgabe veröffentlicht werden, wurde aber aus Platzgründen auf diese Folge verschoben. Und das war gut so, denn inzwischen ist eine neue Version aufgetaucht. Unser Leser Helge Jan Schmodde übermittelte uns seine Vermutung: „Frau Fleddermann schwebt ein Name vor, der mit Konstant- beginnt. Es käme das etwa sechs Kilometer Luftlinie von Gollub entfernte ,Konstantiewo/Konstancjewo‘ in Betracht, das damals zur rund 45 Kilometer entfernten Kreisstadt Kulm gehört haben könnte. Es erscheint auf der zweisprachigen Karte PL 011 des Höfer-Verlages mit dem deutschen Namen Golau (an anderer Stelle Oberförsterei Golau).“ In einem Nachtrag meinte Herr Schmodde, dass der kleine Unterschied in den Namen „Konstantinowo – Konstantiewo“ vielleicht auf einer fehlerhaften Auslegung der handschriftlichen Eintragung beruhe. Wer mit alten, in deutscher Schrift verfassten Urkunden zu tun hat, kennt diese Schwierigkeiten, zumal wenn es sich um kleinere Orte handelt. Die Lage ist nun so: Es gab in Westpreußen zwei Orte dieses oder ähnlichen Namens, die im südlichen Teil der damals preußischen Provinz lagen. Das mit 195 Einwohnern ebenfalls sehr kleine Konstantinow bei Wirsitz befand sich aber westlich von Kulm schon dicht bei Schneidemühl, während Konstantiewo südöstlich von Kulm lag. Immerhin können sich nun die weiteren Nachforschungen auf Westpreußen konzentrieren, und damit sind wir schon ein ganzes Stück weiter.

Ehrlich und freudig überrascht war Herr Michael Wiesemann aus Hitzacker über das erste Echo auf seine Wünsche betreffs Familienforschung, denn es kam von mir. Der Enkel wollte mehr über seinen Großvater, den Kaufmann Carl Wiesemann aus Stallupönen/Ebenrode wissen, und dieser war ausgerechnet der Trauzeuge meiner Eltern gewesen. „Siehe da, es gibt sogar eine Verbindung zu ihnen“ schreibt Michael Wiesemann, „das freut mich, rührt mich an und lässt mich fühlen und fragen, wie viele Verbindungen es noch geben mag, von denen wir nichts wissen. Auf jeden Fall ehrt es mich, meinen vermutlichen Großvater in ihrer Familiengeschichte auftauchen zu sehen. Da muss es ja freundschaftliche und engere Beziehungen gegeben haben, denn Trauzeugen kommen gewöhnlich nicht von der Straße. Welche mögen das gewesen sein, zumal wenn Ihre Eltern möglicherweise nicht einmal aus Stallupönen gekommen sein könnten.“ Sie kamen aus der Nähe, denn der Heimatort meiner Mutter, Schöckstupönen, liegt östlich der Kreisstadt, und ich weiß aus ihren Erzählungen, dass sie immer bei Wiesemann ausspannten. Da entwickelten sich schon freundschaftliche Beziehungen, das war im alten Ostpreußen nun einmal so, wo die Kreisstadt für die einsam gelegenen Höfe und Dörfer der Nabel der Welt war. Doch darüber und noch mehr will ich mit Herrn Wiesemann sprechen, für unsere Kolumne sind die Antworten aus unserem Leserkreis wichtig. Aus Berlin bekam Herr Wiesemann von einem Stallupöner einige Beschreibungen von dem Geschäft seines Großvaters in der Goldaper Straße, er verkehrte dort selber und konnte somit präzise Angaben machen. Es gab auch noch weitere Zuschriften, von denen zwei für Herrn Wiesemann wichtig sind in Bezug auf die Erforschung des Familiennamens. Eine Spur führt nach Göritten, gab es dort Verwandte? Hinweise auf einen Zusammenhang mit den Salzburger Exulanten ließen sich leider noch nicht finden. Seit dem 16. Jahrhundert ist in Ant­holz/Süd­tirol der stattliche „Wiesemannhof“ bekannt, der heute noch unter diesem Namen besteht. Aber ob es der Stammhof der Familie ist, blieb bisher ungeklärt. Nun hofft Herr Wiesemann auf weitere Hinweise und Hilfe auf der Suche nach den fehlenden Daten seines Großvaters Carl, die er für seine Salzburger Forschung benötigt. (Assessor jur. Michael Wiesemann, Schulweg 8 in 29456 Hitzacker, Telefon 05862/985869, Fax 05862/5328, E-Mail: Hommepraire@t-online.de)

Eure Ruth Geede

Foto: Konstruktionszeichnung der von Paul Rigge entwickelten „Lesemaschine“


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren