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28.11.09 / Deutschlands stille Reserve / Im Ernstfall könnte die Bundeswehr heute noch auf Hunderttausende zurückgreifen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-09 vom 28. November 2009

Deutschlands stille Reserve
Im Ernstfall könnte die Bundeswehr heute noch auf Hunderttausende zurückgreifen

Rolle und Aufgabe der Reservisten haben sich in den letzten 15 Jahren massiv verändert. Heute sind Spezialisten gefragter als die große Masse.

Das vor 200 Jahren von dem preußischen Heeresreformer Gerhard von Scharnhorst formulierte Postulat, jeder Bürger eines Staates sei der geborene Verteidiger desselben, hat gerade in der Demokratie seine Berechtigung. Wer in Freiheit, Frieden und Wohlstand leben darf, soll auch seinen Beitrag zur Sicherung dieser Errungenschaften leisten. Damit begründet der demokratisch verfasste Rechtsstaat die Heranziehung seiner Bürger zum Wehrdienst. Dabei ist es nicht allein mit der Ableistung des Grundwehrdienstes getan, sondern dem gedienten Soldaten kommt als Reservist nicht nur im Verteidigungsfall beim Aufwuchs der Streitkräfte, sondern auch im Friedensbetrieb und im Auslandseinsatz eine große Bedeutung zu. Reservisten sind alle früheren Soldaten der Bundeswehr, die bei Bedarf aufgrund gesetzlicher oder freiwilliger Verpflichtung zum Wehrdienst herangezogen werden können.

Die Rolle der Reservisten der Bundeswehr hat sich in den vergangenen 15 Jahren grundlegend gewandelt. An die Stelle der früheren Existenzbedrohung unseres Landes sind andere, vielfältigere Sicherheitsrisiken getreten. Als Konsequenz wurde die klassische Landesverteidigung als strukturbestimmendes Merkmal der Bundeswehr obsolet und die Truppe um mehr als die Hälfte verkleinert. Gleichzeitig wurde auch das bisherige System der Erhaltung der Aufwuchsfähigkeit durch Reservisten abgeschafft und durch deren individuellen Einsatz ersetzt. Während es früher darum ging, eine möglichst große Zahl militärisch konventionell ausgebildeter Männer für die Landesverteidigung aufbieten zu können, werden heute verstärkt Männer und Frauen als Spezialisten gesucht. Sie sollen mit ihrer zivilen Qualifikation der aktiven Truppe von Nutzen sein, indem sie deren Fähigkeiten in Bereichen, die besondere nichtmilitärische Fachkenntnisse erfordern, ergänzen. Waren sie einst das „Massenheer im Hintergrund“, sind Reservisten heute als „clevere Ressource“ gefragt und als integraler Bestandteil der Streitkräfte Voraussetzung für deren Einsatzbereitschaft und Durchhaltefähigkeit in Frieden, Krise und Krieg.

Erfolgten die Einplanung auf einem Dienstposten und die Einberufung zu einer Wehrübung früher auch gegen den Willen der Reservisten, setzt die Bundeswehr heute auf freiwilliges Engagement. Bei entsprechender Eignung haben sogar Ungediente eine Chance, Reservist zu werden. Wer mehr als nur eine militärische Ausbildung, besser noch eine seltene zivile Qualifikation wie exotische Sprachkenntnisse zu bieten hat, hat die besten Aussichten auf eine Beorderung. Zur Ausschöpfung dieses Reservistenpotentials sind etwa 80000 Beorderungsdienstposten ausgewiesen, also nur noch zehn Prozent der früheren Anzahl. Diese Freiwilligen sind als „Teilzeitprofis“ in allen Bereichen und im gesamten Aufgabenspektrum der Bundeswehr eingesetzt, sei es im Grundbetrieb in der Heimat oder im Auslandseinsatz. Sie ergänzen das aktive Personal, verstärken es bei Bedarf oder vertreten Soldaten während deren Abwesenheit. Ständig sind mehrere Hundert Reservisten im Auslandseinsatz. Auch sie erleiden Verwundung und Tod.

Abhängig von der persönlichen Eignung und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen stehen den Reservisten alle Dienstgrade bis einschließlich Oberst d.R./Kapitän zur See d.R. offen. Wer dagegen nicht mehr „mitmachen“ will, wird in die Allgemeine Reserve überführt, steht aber für den Fall der Landesverteidigung weiterhin zur Verfügung.        Jan Heitmann

Foto: Immer seltener im Einsatz: Reservisten bei einer Bundeswehrübung mit Großgerät zum Katastrophenschutz

 

Zeitzeugen

Friedrich August Freiherr von der Heydte – Im Jahre 1935 trat der 1907 geborene Jurist als Berufssoldat in die Wehrmacht ein. Während des Krieges zeichnete er sich als Fallschirmjägerkommandeur aus. Ab 1957 leistete der „Professor mit dem Ritterkreuz“ als Oberst d.R. mehrere Wehrübungen ab. 1962 löste das CSU-Mitglied mit einer Anzeige wegen Landesverrats die „Spiegel“-Affäre aus, die in der Verhaftung des „Spiegel“-Herausgebers gipfelte. Doch dem „Spiegel“, der in dem Artikel „Bedingt abwehrbereit“ die Bundeswehr kritisiert hatte, konnte nichts nachgewiesen werden. Verteidigungsminister Strauß ernannte von der Heydte gegen die Regeln zum einzigen Brigadegeneral der Reserve – zum Dank, wie gemunkelt wurde.

 

Ernst-Reinhard Beck – Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat einen neuen Verteidigungspolitischen Sprecher. Damit steht dem Unteroffizier d.R. Karl-Theodor zu Guttenberg jetzt ein erfahrener Oberst d.R. zur Seite. Beck, im Zivilberuf Oberstudiendirektor, hat als Gebirgsjäger viele Truppen- und Stabsverwendungen durchlaufen. 1996 wurde er zum Spitzendienstgrad der Reservisten befördert. Als langjähriger Präsident des Reservistenverbandes hat der 64-Jährige die Transformation der Reserve mitgestaltet.

 

Helmut Schmidt – Das Militär begleitete ihn fast sein ganzes Leben. Nach dem Abitur leistete Schmidt (*1918) seinen Wehrdienst bei der Flakartillerie ab. Von dort ging es in den Krieg, den er als Frontoffizier und im Reichsluftfahrtministerium erlebte. 1958 machte der Bundestagsabgeordnete und spätere Verteidigungsminister freiwillig eine Reserveübung und wurde daraufhin als „Militarist“ vorübergehend aus der SPD-Fraktion ausgeschlossen. Erst 1978 schied er altersbedingt aus der Reserve aus.

 

Christine Höge – Sie ist als Spezialistin gefragt. Schon seit Jahren engagiert sich die 26-jährige Logistikerin als förderndes Mitglied im Reservistenverband. Jetzt darf auch sie die Uniform tragen. Zukünftig wird Höge als Reservistin in der Umschlagkompanie eines Logistikbataillons Wehrübungen ableisten und ihre im Zivilberuf erworbenen Qualifikationen in die Truppe einbringen.


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