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28.11.09 / Rätselhaft und tragisch / Vor 100 Jahren wurde der Ufa-Star Sybille Schmitz geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-09 vom 28. November 2009

Rätselhaft und tragisch
Vor 100 Jahren wurde der Ufa-Star Sybille Schmitz geboren

Sie entsprach überhaupt nicht dem propagierten Frauenideal der Nationalsozialisten. Sybille Schmitz war weder blond und  blauäugig noch „liebende Mutter“, sondern eine hochgewachsene, dunkelhaarige, herbe Schönheit mit slawischen Wangenknochen und zudem noch intellektuell. Sie war Kettenraucherin, trank übermäßig viel und fühlte sich zu Frauen zärtlicher hingezogen als zu Männern. Sybille Schmitz gehörte zu den rätselhaftesten und interessantesten Erscheinungen des deutschen Films der Vorkriegszeit.

Geboren wurde sie am 2. Dezember 1909 in Düren unweit von Köln. Nach dem Besuch der Klosterschule in Lohr nahm sie Schauspielunterricht bei Louise Dumont in Köln. Mit 100 Mark in der Tasche und einer Portion Mut, Optimismus und Entschlossenheit fuhr Sybille Schmitz im Herbst 1927 nach Berlin, um dort ihr Glück zu suchen. Der hochbegabten Anfängerin gelang es, einen Dreijahresvertrag am renommierten Deutschen Theater bei Max Reinhardt abzuschließen. Ihren ersten großen Erfolg feierte sie an der Seite von Gustaf Gründgens und Hans Albers in Bruckners „Die Verbrecher“. Publikum und Kritiker waren von ihrer Darstellung begeistert. Ein Engagement als verhärmte Arbeiterfrau in einem Werbefilm der SPD brachte den ersten Kontakt zum Medium Film, der damals noch stumm war. Ihre ersten Filmworte hörte man in dem 1931 von Carl Theodor Dreyer gedrehten Horror-Tonfilm „Vampyr“: „Ach, könnt‘ ich doch sterben!“ Es folgte ein Vertrag mit der Ufa, dem damals wichtigsten Filmkonzern Europas. In „F.P.I. antwortet nicht“ konnte Sybille Schmitz ihre androgynen Reize einsetzen und in Ledermontur ihr Filmpublikum verzaubern. Mit diesem Film gelang ihr der Durchbruch.

In ihren größten Filmerfolgen spielte sie stets die Rolle der mondänen, verletzlichen und mysteriösen Frau. Doch trotz der Erfolge war Sybille Schmitz nicht glück-lich. Die hochsensible Künstlerin litt unter Depressionen und versuchte, sich mit Alkohol und anderen Drogen zu betäuben. Als die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland übernahmen, lernte Sybille Schmitz Joseph Goebbels kennen, der auch ein Auge auf die „rätselhafte Schmitz“ geworfen hatte. Doch sie ließ ihn abblitzen und setzte sich trotz Verbots weiterhin für ihre homosexuellen und jüdischen Freunde und Kollegen ein. Sybille Schmitz passte plötzlich nicht mehr ins gewünschte Besetzungsschema der Filmfirmen und wurde als „politisch unzuverlässige Person“ eingestuft. 1940 ging sie eine Ehe mit dem Drehbuchautor Harald G. Petersson ein, um nicht weiteren Gerüchten um ihre Vorlieben Nahrung zu geben. In dem 1943 hergestellten Katastrophenfilm „Titanic“ spielte sie eine bankrotte baltische Gräfin. Der Streifen wurde jedoch vom Propagandaministerium wegen Untergangsassoziationen im Reich verboten. „Das Leben ruft“ war Sybilles letzter Film bis 1945.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zog sie zunächst nach Hamburg, dann nach München. Anfang der 1950er Jahre spielte sie wieder Theater und brillierte unter anderem in Max Frischs „Als der Krieg zu Ende war“ sowie in Guy Verdots „Zimmer 29“. Im deutschen Nachkriegsfilm beeindruck-te sie mit ihrer Darstellung der Jüdin Nelly Dreyfuß in dem Drama „Zwischen Gestern und Morgen“. Doch der erhoffte Erfolg blieb aus. Sybille Schmitz hatte schließlich keine Kraft mehr, um weiter zu kämpfen. Auch die wenigen verbliebenen Freunde konnten ihren Absturz nicht mehr aufhalten. Vier Selbstmordversuche führten sie in eine Heil- und Pflegeanstalt. Nach ihrer Entlassung verlor sie endgültig ihre seelische Balance. Am

13. April 1955 starb sie an einer Überdosis Schlaftabletten. „Bitte nicht wecken!“ stand auf einem Schild, das von draußen an ihrer Zimmertür befestigt war. Rainer Werner Fassbinder ehrte die große Künstlerin in seinem 1981 gedrehten Film „Die Sehnsucht der Veronika Voss.“ Uwe Klöckner-Draga


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