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12.12.09 / Stasi gegen Stasi in Brandenburg / Immer neue Enthüllungen: Ministerpräsident Platzeck verzweifelt an seinem Koalitionspartner

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-09 vom 12. Dezember 2009

Stasi gegen Stasi in Brandenburg
Immer neue Enthüllungen: Ministerpräsident Platzeck verzweifelt an seinem Koalitionspartner

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) predigte die „Versöhnung“ mit der SED-Vergangenheit. Eine Welle von Stasi-Enthüllungen bei seinem linken Koalitionspartner vermasselt ihm jedoch die Tour.

Ständig neue Stasi-Verstrickungen der Linkspartei belasten Brandenburgs frischgebackene rot-rote Koalition. Gut ein Viertel der 26 Linkspartei-Abgeordneten im Potsdamer Landtag ist in irgendeiner Form für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und somit für die Stasi tätig gewesen. Ministerpräsident Platzeck (SPD) versuchte sich mit einer Regierungserklärung Luft zu verschaffen. Er fühle sich „persönlich getäuscht“ durch Gerd-Rüdiger Hoffmann, den kulturpolitischen Sprecher der Linkspartei. Hoffmann und Renate Adolph, Verbraucherschutz-Sprecherin der Linken, hatten bis vor wenigen Tagen ihre Stasi-Vergangenheit „ganz oder teilweise verschwiegen“, so die 49-jährige Linke-Fraktionsvorsitzende Kerstin Kaiser. Adolph legte ihr Mandat nieder, Hoffmann weigert sich – trotz Druck aus der eigenen Partei.

Die ist schon wegen der Regierungsbeteiligung an „SPD-Kürzungen“ zerstritten, nun streitet sie um ihre Glaubwürdigkeit. Gut vier Wochen ist es her, dass Platzeck dem rot-roten Abenteuer den Weg ebnete, eindringlich die „Aussöhnung mit der DDR-Vergangenheit“ und den damaligen Verantwortlichen forderte. In welchem Ausmaß er dazu Anlass hat, wird jetzt klar: Mindestens sieben einstige Mitarbeiter oder Zuträger der Stasi sitzen für die Linkspartei im Landtag. Nicht nur Opfer von einst fordern die SPD auf, dem „Stasi-Spuk ein Ende zu machen“. Aufarbeitung statt stückweiser Preisgabe von Informationen sei jetzt gefragt, so der stellvertretende Vorsitzende des Verbandes der Opfer des Stalinismus (VOS), Hugo Diederich. Die Organisation erinnert an die Verantwortung der Stasi für das DDR-Unrecht – in Gefängnissen und beim Schießbefehl.

Bei den Sozialdemokraten liegen die Nerven blank. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Dietmar Woidke attackiert die Chefin der Stasi-Unterlagenbehörde Marianne Birthler wegen „einer dosierten Versorgung von Journalisten mit Aktenauszügen“. Dass Brandenburg als einziges Bundesland unzureichende Gesetze für den Umgang mit der Stasi-Vergangenheit und darin verstrickten Abgeordneten hat, wendet sich gegen die dafür Verantwortlichen: Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) beschwert sich, von Birthlers Behörde nicht unterrichtet worden zu sein.

Die in Stasi-Fragen geschlossen auftretende Opposition aus CDU, FDP und Grünen übte mit einer Sondersitzung des Landtags weiter Druck aus. Platzeck bemüht sich seither krampfhaft darum, die Sache mit Floskeln einzuhegen: Es gebe „Klärungsbedarf“. Er bittet um „differenzierte Bewertungen“, auch sei es ein Fehler gewesen,  die Landtagsabgeordneten nur 1991 systematisch auf Stasi-Verbindungen untersucht zu haben. Die damalige SPD-Alleinregierung hatte die Prüfungen abgeschafft. Platzeck kann jetzt weder vor noch zurück: Für mehr Aufarbeitung fehlt die Rechtsgrundlage, das Hoffen auf eine selbstreinigende Linke hat sich als Selbsttäuschung erwiesen. Mit Links lässt sich also keine haltbare Regierung formen, doch zum alten Koalitionspartner CDU brach er die Brücken ab.

So muss Platzeck die fortlaufende Täuschung durch die Linke ertragen sowie deren Selbstzerfleischung machtlos mit ansehen. Kerstin Kaiser, während ihrer Studienzeit selbst Inoffizielle Mitarbeiterin (IM) der Stasi und Chefin der Brandenburger Linkspartei, gibt sich entgegenkommend zerknirscht: „Den Schaden haben wir angerichtet“ und „den damit verbundenen Vertrauensverlust bedaure ich zutiefst“. Brandenburg mache sich zum Gespött, das Vertrauen in gewählte Politiker sei gestört, so Kaiser. Die Sprachwissenschaftlerin hatte selbst Kommilitonen wegen deren „unsauberer Jeans“ denunziert. Kaiser unterscheidet zwischen heimlichen Stasi-Genossen und bekennenden, wie sie: Die Abgeordneten Adolph und Hoffmann hätten auch die Partei getäuscht. Bekennende Stasi-Aktive sollen nach Kaisers Willen bleiben. Den von der Birthler-Behörde als Angehörigen des Stasi-Elite-Wachregiments Feliks Dzierzynski enttarnten Michael Luthardt bezeichnet sie als „Soldat“ der „Wehrdienst auf Zeit“ geleistet habe.

Heimlich oder unheimlich Stasi – während Links sich selbst diskreditiert, ist Platzecks Ansehen aus Bürgerbewegungszeiten in Gefahr. Seiner Koalition droht das Ende, weil sein Partner kaum unbelastetes Personal zur Verfügung hat. Der Landesvorsitzende der Linken, Thomas Nord, verriet noch vor seiner 1983 begonnenen Stasi-Tätigkeit die Fluchtabsicht eines Matrosen. Als Leiter eines Jugendklubs bespitzelte er seine Klientel und stieg in der SED auf. Jetzt verrät er Genossen auf der Internet-Platform der Partei: „Verschweigen gefährdet Rot-Rot“. Nur der Zusammenbruch der DDR verhinderte seine weitere Karriere. Auch die anderen der Spitzelei Überführten oder Verdächtigen waren offenbar bis in die letzten Tage der Diktatur treu: Die Landtagsvizepräsidentin (seit 2005) Gerlinde Stobrawa (Linke) lässt ihr Amt ruhen, weil sie Vorwürfe der Birthler-Behörde, sie habe seit 1987 beim Rat des Bezirks Frankfurt an der Oder als IM „im besonderen Einsatz“ Kollegen ausgehorcht, nicht entkräften kann.      Sverre Gutschmidt

Foto: „Den Schaden haben wir angerichtet“, erklärt Linke-Parteichefin Kerstin Kaiser (l.) selbstkritisch über die jüngsten Stasi-Enthüllungen bei ihrer Partei. Ihr Parteigenosse Gerd-Rüdiger Hoffmann (r.) klebt trotz herber Vorwürfe noch an seinem Sessel. Auch Kaiser hat einst für die Stasi gearbeitet, doch sie hat früher als andere „reinen Tisch“ gemacht.


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