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12.12.09 / Unklare Marschroute / Afghanistan: Das Geeiere der Bundesregierung verunsichert die Soldaten und verstimmt die USA

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-09 vom 12. Dezember 2009

Unklare Marschroute
Afghanistan: Das Geeiere der Bundesregierung verunsichert die Soldaten und verstimmt die USA

Noch ist die Bombardierung zweier Tanklastzüge nahe Kundus nicht ausgestanden, da muss die Bundesregierung auf die Ankündigung Barack Obamas reagieren, die US-Truppen in Afghanistan um 30000 Mann zu erhöhen. Während der Bundestag die Mission mit 4000 Mann um ein Jahr verlängert hat, droht eine Aufstockung um weitere 2000 Mann. Berlin will diese Entscheidung bis zur Londoner Afghanistan-Konferenz am 28. Januar hinauszögern.

Da seufzt die Kanzlerin: CSU-Chef Horst Seehofer, dessen Partei sich schon immer sehr der Bundeswehr verbunden fühlte, hatte sich klar gegen eine Aufstockung des deutschen Kontingents in Afghanistan ausgesprochen und erregte damit Angela Merkels Unmut. Dabei hatte Seehofer offensichtlich den Soldaten aus der Seele gesprochen. „Ich fordere von Angela Merkel und ihrem Kabinett eine solche Entscheidung noch bis zum Jahresende, denn die Unsicherheit ist den deutschen Soldaten nicht länger zuzumuten“, betont der Chef des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch. Nach der Diskussion um den von Oberst Georg Klein befohlenen Luftangriff auf zwei Tanklaster hätten alle Soldaten ständig im Hinterkopf, dass der Staatsanwalt ihr ständiger Begleiter ist, so Kirsch.

Dieser Zustand ist Folge der verqueren deutschen Rechtslage: Weil eben nicht Krieg herrscht – denn der kann ja nach deutschem Verfassungsverständnis nur gegen Staaten und nicht gegen so etwas Amorphes wie eine Terrorbande geführt werden –, müsste Oberst Klein eigentlich so abgeurteilt werden, als ob er die Bombardierung in Friedenszeiten in Deutschland angeordnet hätte. Glücklicherweise hat die Staatsanwaltschaft in Dresden den Fall zur Entscheidung an die Bundesanwaltschaft nach Karlsruhe abgegeben, weil die korrekte Einschätzung, dass es sich um eine „kriegerische Auseinandersetzung mit Aufständischen“ handelt, im deutschen Strafrecht keine Entsprechung hat.

In Frankreich oder den USA wäre ein solches Theater um Schuld und Unschuld der eigenen unter Feuer stehenden Truppen im Ausland wohl undenkbar. Von daher ist der Vorstoß von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, eine eigene Militärgerichtsbarkeit für deutsche Truppen im Einsatz aufzubauen, das nach internationalem Völkerrecht und nicht nach deutschem Strafrecht urteilt, überfällig.

Doch die Kanzlerin wird weder Seehofer noch die Soldaten erhören. Zu sehr hat sie die Vorzüge des Schwebezustandes vor wichtigen Verhandlungen verinnerlicht: Sie will sich für London möglichst großen Verhandlungsspielraum sichern. Da wäre jede Vorfestlegung schädlich, meint sie. Ohnehin wäre eine Festlegung gegen eine Truppenaufstockung, wie von Seehofer gefordert, eine Farce, weil nicht durchzuhalten. Wenn die USA 30000 Mann zusätzlich einsetzen, müssen die Nato-Partner nachziehen, das ist bündnisdynamisch kaum anders möglich. Aber auch eine schnelle Festlegung für eine Aufstockung wäre schädlich: Was man schon vor Verhandlungen beschließt, ist nicht mehr Gegenstand der Verhandlungen. Statt 2000 Mann müsste Deutschland dann vermutlich mehr schicken. Von daher hat Merkels Marschroute schon ihren Sinn.

Welche Ausmaße der Augiasstall hat, den Karl-Theodor zu Guttenberg im Verteidigungsministerium vorfand, kann man als Außenstehender nur erahnen. Offensichtlich führte die sehr selbstbewusste Ministerialbürokratie mit ihrem starken militärischen Anteil ein ausgeprägtes Eigenleben. Nach dem Motto: Was der Minister nicht unbedingt wissen muss, sollte er auch nicht wissen. Oder: Was kümmert den Spitzenbeamten, wer unter ihm Minister ist? Sir Humphrey aus der BBC-Kultserie „Yes Minister“ lässt recht herzlich grüßen.

Doch auch zu Guttenberg kommt nicht ganz ungeschoren aus der Sache heraus. Für völlig berechtigt halten Beobachter ei-nerseits die schnelle Entlassung von Generalinspekteur Schneiderhan und Staatssekretär Wichert nach deren Vertrauensbruch. Aber die überstürzte Neubewertung des Angriffes bei Kundus – von „militärisch gerechtfertigt“ zu „militärisch nicht gerechtfertigt“ – und die damit verbundene zusätzliche Last auf der Truppe in Afghanistan ist andererseits offenbar einer gewissen Panik vor der Öffentlichkeit geschuldet, die zu Guttenberg nicht nötig gehabt hätte. Eine gründliche Untersuchung hätte da Not getan statt eines Schnellschusses. So bleibt der Eindruck, zu Guttenberg habe sich binnen weniger Tage die Hände in Unschuld waschen wollen und die Schuld auf die Truppe geschoben.

Glaubt wirklich jemand, deutsche Feldjäger könnten vom Augenschein her Verletzte im Spital eindeutig in die Kategorien „Taliban“ oder „Zivilist“ einordnen? Was machen aber so viele „Zivilisten“ nachts um 2 Uhr bei zwei steckengebliebenen Tanklastzügen, die den Taliban gehören, wenn nicht den Terroristen Hilfe leisten? Die Strukturen und Loyalitäten in Afghanistan sind sehr kompliziert.

So ist es der Opposition ein Leichtes, zu Guttenberg argumentativ einen Strick zu drehen aus seinem Meinungswechsel und seinen eingestandenen Fehlern. Der Untersuchungsausschuss wird wohl so enden wie alle seine Vorgänger, nämlich wie das Hornberger Schießen. Aber nach dem Motto „aliquid semper haeret“ (es bleibt immer etwas hängen) wird zu Guttenberg – die personifizierte Hoffnung der CSU und vieler Konservativer in ganz Deutschland – voraussichtlich in seinem bisherigen Strahlemann-Image beschädigt werden. Er erfährt jetzt, was der Begriff „Schleudersitz“ bedeutet.                Anton Heinrich

Foto: Unzufrieden: Verteidigungsminister zu Guttenberg hat gute Gründe, verärgert zu sein.


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