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12.12.09 / Machterhalt an erster Stelle / Putin lässt keinen Zweifel, wer in Russland die Nr. 1 ist – Medwedew als Aushängeschild

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-09 vom 12. Dezember 2009

Machterhalt an erster Stelle
Putin lässt keinen Zweifel, wer in Russland die Nr. 1 ist – Medwedew als Aushängeschild

Der Schock saß tief, als die Russen erfuhren, dass wieder ein Terroranschlag auf den Newskij Express, den beliebten Luxuszug, der die beiden russischen „Hauptstädte“ Moskau und St. Petersburg miteinander verbindet, verübt worden war. Bis zu 40 Menschen kamen ums Leben, Hunderte wurden verletzt. Moskau wertet den Anschlag als Terrorakt gegen die Regierung, weil viele Gefolgsleute Putins aus St. Petersburg, die in der Hauptstadt arbeiten, den Newskij Express als Pendlerzug nutzen. Hohe Regierungsbeamte sollen sich im Zug befunden haben. Zwei von ihnen starben. Nach dem Fund mehrerer Bekennerschreiben extremistischer Gruppierungen wurde der Anschlag schnell kaukasischen Terroristen zugeschrieben.

Welche Bedeutung hat der Anschlag für die derzeitige politische Lage in Russland? Wie die Zeitung „The Irish Times“ mutmaßt, könnte die Regierung selbst hinter dem Anschlag stecken, ihn als Vorwand für die Beschränkung demokratischer Freiheiten nutzen wollen. Auch wenn dieser Verdacht moralisch abwegig erscheint, so nutzten in der Vergangenheit doch ähnliche Terrorakte, wie der auf das Musicaltheater Nord-Ost im Jahr 2002, dem damaligen Präsidenten Wladimir Putin, um von innenpolitischen Problemen abzulenken und seine Macht zu stärken. Auffallend ist, dass auch diesmal ein Terroranschlag während einer innenpolitisch angespannten Situation verübt wurde. Das Land leidet unter der Wirtschaftskrise, die Menschen sind für die Unzulänglichkeiten ihrer Regierung und die unzureichende Infrastruktur in weiten Teilen des Landes sensibilisiert. Sie beginnen, Schuldige für den allgegenwärtigen Mangel zu suchen, und richten ihren Unmut gegen die Regierung. Protestmärsche und Straßensperren zeugen hiervon. Es könnte sich also um eine Art „Wahlkampfauftakt“ handeln, wobei das Hauptaugenmerk auf die Terrorbekämpfung gelenkt werden soll. 2011 finden in Russland Parlamentswahlen statt, deren Ausgang richtungweisend für die Präsidentenwahl 2012 sein könnte, bei der Wladimir Putin erneut für das Amt des Präsidenten kandidieren darf. Vieles deutet darauf hin, dass der Premierminister seine Rückkehr bereits sorgfältig vorbereitet.

Viele Medien berichteten nach Präsident Medwedews Bericht zur Lage der Nation Mitte November von dessen offener Kritik an Putins Regierung und schlossen daraus, dass Medwedew sich aus den Fesseln Putins zu lösen begänne. Bei genauerer Betrachtung lässt sich jedoch feststellen, dass es sich hier lediglich um eine Inszenierung handelte, die dazu diente, das Ansehen Dmitrij Medwedews im Westen zu stärken. Außenpolitisch ist Russland auf gute Beziehungen mit Europa angewiesen. So ist auch Moskaus Veränderung in der Beurteilung der Urannutzung des Iran zu verstehen. Der Kreml schloss sich der Verärgerung der übrigen Mitglieder der Sechsergruppe (bestehend aus USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland) über die Nichteinhaltung aller Vereinbarungen an und schloss Sanktionen gegen den Iran nicht aus.

Medwedew positioniert sich als intelligenter und attraktiver Gesprächspartner für Europa und westliche Investoren, während Putin mit seinem in den vergangenen Jahren erworbenen Image des starken Mannes und gerechten Landesvaters die Sehnsüchte und Wünsche der breiten russischen Bevölkerung bedient. Beide Politiker handeln dabei getreu den Vereinbarungen des „Tandems“: Medwedew ist für die Auslandsbeziehungen zuständig, Putin für die Innenpolitik. Während Medwedew sich auf einem Staatsbesuch in Italien für die außenwirtschaftlichen und außenpolitischen Interessen seines Landes einsetzte, hielt Putin zu Hause eine über vierstündige, auf mehreren Sendern ausgestrahlte Fernsehsprechstunde ab. Putin beantwortete soziale und wirtschaftliche Fragen, politische Themen wurden vermieden. Der Titel „Ein Gespräch mit Wladimir Putin − Die Fortsetzung“ lässt ahnen, dass es hier nicht nur um Fernsehgespräche geht. Vielmehr geht es um seinen Machtausbau. Erst kürzlich setzte Putin eine Korrektur des Regierungshaushalts durch, indem er einen „Krisenhaushalt“ installierte, der bis 2013 Gültigkeit hat. Damit nahm er die Modernisierungsmaßnahmen des amtierenden Finanzministers Alexej Kudrin zurück. Darüber hinaus stärkte er Justiz- und Finanzministerium, auf die er nun größeren Einfluss aus-üben wird. Wladimir Putin hat noch einmal klar unterstrichen, wer die Nr. 1 in Russland ist, ganz gleich welchen Titel er trägt und welche Kompetenzen er laut Verfassung hat. Beobachter meinen, dass Medwedew weder den Willen noch die Kraft habe, sich gegen Putin und dessen Regierung zu stellen.                Manuela Rosenthal-Kappi


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