25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
12.12.09 / Ein Dichter und die Folgen / Ausstellungen in Marbach, Braunschweig und Weimar beleuchten das Phänomen Schiller

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-09 vom 12. Dezember 2009

Ein Dichter und die Folgen
Ausstellungen in Marbach, Braunschweig und Weimar beleuchten das Phänomen Schiller

Nicht nur Publikationen erinnern in diesem Jahr an einen der größten deutschen Dichter, auch mit Ausstellungen will man seiner gedenken. Aus Anlass des 250. Geburtstages von Friedrich Schiller (1759–1805) sind in Marbach, Braunschweig und Weimar Ausstellungen mit den unterschiedlichsten Inhalten zu sehen.

Zu Weihnachten schenkte die Herrschaft ihrer „Perle“ Minna einst eine Theaterkarte. Man wollte ja schließlich etwas tun für die Bildung des Mädchens. Und so ging sie denn in eine Aufführung von Schillers „Wilhelm Tell“. Am folgenden Morgen befragt, wie ihr das Stück denn gefallen habe, antwortete Minna: „Oh, es war ganz wunderbar. Ich habe soviel geweint! Aber ...“, zögerte sie, um dann trotzig hervorzustoßen: „Originell ist der Autor eigentlich nicht – lauter Zitate!“

Diese kleine Anekdote wird gern erzählt, wenn man darauf hinweisen will, wie sehr die deutsche Umgangssprache mit Zitaten aus Schillers Werken angereichert ist. Aber kaum einer weiß, dass es sich um Zitate handelt oder gar aus welchen Werken des großen Dichters sie stammen. Wer hat nicht schon einmal schnell behauptet „Die Axt im Haus erspart den Zimmermann“ oder „Früh übt sich, was ein Meister werden will“ (beide aus „Wilhelm Tell“)?

Friedrich Schiller ist auch mehr als 200 Jahre nach seinem Tod gegenwärtig, etwa wenn die Europahymne „Freude, schöner Götterfunken“ erklingt, schließlich vertonte Beethoven einst Schillers 1785 entstandene Ode „An die Freude“.

Gerade einmal 45 Jahre hat Friedrich Schiller gelebt; sein Ziel glaubte er nicht erreicht zu haben. „Abend ward’s und wurde Morgen, / Nimmer, nimmer stand ich still. / Aber immer blieb’s verborgen, / Was ich suche, was ich will“, schrieb er zwei Jahre vor seinem Tod 1805 resigniert. Herausfinden, was der Dichter wollte, dazu hat der Literaturfreund in Marbach Gelegenheit. Fast 700 Briefe und etwa 150 Manuskriptfragmente Schillers sowie 158 Gegenstände aus seinem Haushalt zählen zum Inventar des Deutschen Literaturarchivs in Marbach und bilden den Kernbestand des Schiller-Nationalmuseums, das 1903 eröffnet und in der Folge immer wieder erweitert und umgebaut wurde, zuletzt für 5,6 Millionen Euro, mit denen Alexander Schwarz vom Architekturbüro David Chipperfield die Innenräume sanierte.

Nie zuvor konnte man so viele Handschriften des Dichters sehen, schließlich pflegte er seine Manuskripte zu vernichten, sobald das Werk im Druck erschienen war. Was erhalten blieb, sind deshalb vor allem Fragmente oder Entwürfe nicht vollendeter Werke. Ein Besuch im Marbacher Museum verlangt profunde Vorkenntnisse und wird nicht nur Schulklassen vor eine nicht zu unterschätzende Herausforderung stellen.

Auch das Städtische Museum in Braunschweig zeigt eine Schiller-Ausstellung und macht auf den Personen- und Werkkult um den Dichter aufmerksam. Anhand ausgewählter Beispiele gibt die Ausstellung Einblick in die wechselhafte Wirkungsgeschichte Schillers. Namhafte Künstler wie Daniel Chodowiecki, Ernst Barlach oder Lovis Corinth schufen umfangreiche Illustrationszyklen. So fertigte Corinth für den Schweizer Verlag Seldwylen 1924 eine Reihe von farbigen Lithographien zu „Wilhelm Tell“. Als textliche Unterlage diente ihm ein Band von Schiller, den er am 21. Juli 1870 von seinem Vater zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Auch Chodowiecki hielt sich oft nur an das Buch, nur wenige Male schöpfte er seine Illustrationen aus dem Besuch einer Aufführung. Seine Zeichnungen fanden aufmerksame Bewunderer in der Berliner „Litteratur- und Theater-Zeitung“ sowie im Gothaer „Theater-Calender“.

Die wohl wichtigste Verbindung Schillers war diejenige mit Goethe. Der Briefwechsel zwischen den beiden Dichtern, der zum Weltdokumentenerbe „Memory of the World“ der Unesco gehört, umfasst über 1000 erhaltene Schriftstücke. Der Briefwechsel begann, als Schiller 1794 Goethe einlud, an der Zeitschrift „Die Horen“ mitzuarbeiten. Eine Einladung, die übrigens auch Immanuel Kant erhielt, der jedoch nicht darauf reagierte. Das Goethe- und Schiller-Archiv im Renaissancesaal der Herzogin Anna Amalia Bibliothek zeigt derzeit eine kleine, als exemplarisch verstandene Auswahl. Silke Osman

„Schiller und die Moderne“ ist bis 31. Januar im Galeriegebäude des Städtischen Museums Braunschweig / Sammlung Bönsch, Steintorwall 15, dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr zu sehen.

Der Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe ist bis 17. Januar dienstags bis sonntags von 10 bis 15 Uhr im Renaissancesaal der Herzogin Anna Amalia Bibliothek zu sehen.

Foto: Lovis Corinth: Wilhelm Tell (Farblithographie, 1924)


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren